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ist die Grundbedeutung von laubja nicht „Schutz
dach", „Vorbau", sondern im forstrechtlichen Sinn
ein privater Holzteil in der offenen Waldmark,
der zur Holznutzung einem oder mehreren Mark
genossen ausschließlich zustand und für diesen Zweck
aus der übrigen Mark ausgesondert war. Aus
gehend von der grundlegenden Bedeutung „ein
für sich abgeschlossener Flurbezirk inmitten der
Gemeinmark", erklären sich durch Bedeutungs
übertragung auf einen Gegenstand anderer Art
von gleicher Funktion die in den deutschen Mund
arten nachweisbaren Bedeutungsverschiedenheiten
wie z. B. gedeckter Vorbau an öffentlichen Häusern
(Rats-, Gerichts-, Trink-, Brot-, Tuch-, Tanzlaube),
Vorhalle vor einer Kirche, Galerie um das obere
Stockwerk, Bodenraum, obere Stube, Empore in
einer Kirche (Vorlaube), Hausflur u. a. ungezwungen.
Dieses Flurnamenwort, das noch in zahlreichen
Ortsnamen auf -leben fortlebt, bildet die Grund
lage für den Namen der Lahn, wenn wir, wie
oben schon angedeutet, berücksichtigen, daß es mehr
oder weniger Zufall ist, ob ein Flurname Orts-,
Berg- oder Flußname wird oder Flurname bleibt.
In Westfalen, dem Lande, wo die Lahn entspringt,
ist die Ortsnamenendung -läge, wie in Thüringen
-leben, besonders stark verbreitet. Die bisher üb
liche Deutung als „Anlage, Wohnstätte" ist bereits
von Jellinghaus 19 zurückgewiesen worden. Auch
da, wo das Wort selbständig als Ortsbezeichnung
auftritt, ist eine solche Auslegung unwahrscheinlich.
Unserer Deutung kommt die von Jellinghaus sehr
nahe: „Eine Lage ist eine von Holz entblößte,
freie, offene Fläche." Der Gebrauch des Wortes
Lage beschränkt sich auf die Landdrostei Osnabrück,
die Grafschaft Tecklenburg, das Ravensbergische,
Lippische, Mindische sowie das südliche Oldenburgs.
Als selbständige Ortsbezeichnung findet sich hier
Lage öfters, z. B. in Lippe (14. Jh. to äer Laghe,
noch heute im Volksmund in 6er Lage), im Kreis
Cloppenburg: 968 Laa, 1175 Laghe, im Kreis
Meppen: 1000 Lag!, Lag, als Flurbezeichnung:
auf äer Lage bei Frotheim, Lintorf, Versmold,
eine Bauernschaft bei Hüllshorst usw., äie Lage
bei Kilnar (Kr. Herford), zur Lage bei Wehbergen
(Kr. Bersenbrück), in äer Lage bei Hartmen (Kr.
Bersenbrück). Der Ansicht Langers 99 , daß dieses
Wort von mnd. läge — Io, loge, loch, loye
(n. u. m.) „Gehölz, Busch, Waldwiese" zu scheiden
ist, kann ich nicht beipflichten, vielmehr ergibt sich
die Identität auf Grund des Bedeutungsinhalts
von läge und loh trotz der Verschiedenheit des
Geschlechts. So findet sich in lippischen Flur-
Die Westfälischen Ortsnamen (Kiel 1902), S. 88 .
20 Die altmärkischen Ortsnamen auf -ingen und
-leben (Zeitz, Gymnas.-Progr. 1898).
namen Lage sehr häufig neben Loge, Loh, Loch,
Lohe, Lahe, Laen, Loen, La, Lo, Lauen so
wohl einfach wie zusammengesetzt, z.B. Stellage,
1539 Stapelhagen, später wiederholt Stapela ;
Lanenharap, 1728 Laenhamp; Lohhamp, 1721
Lanhamp; Loholz, 1457 Lonholz ; Laraberg
und Lamberich (aus Laenberg) ; Laenbusch ;
die Löhne (Wiese) usw.
Bisher hat man widerspruchslos die Meinung
vertreten, daß das Wort Loh, das sich in einer
großen Zahl von Orts- und Flurnamen in Nieder
sachsen, Hessen 21 , Nassau, Thüringen, Bayern,
Schwaben, am Rhein, in den Niederlanden, in
Südbrabant und Flandern findet, vom lat. lucus
= Hain herzuleiten, mit Licht, leuchten ver
wandt sei und einen lichten Wald oder eine lichte
Stelle im Wald, eine Lichtung, einen Wald be
deute, wo wenig hohe Bäume und wenig oder
kein Buschholz sei. Auf Grund meiner Unter
suchungen bin ich der Überzeugung, daß Loh bzw.
Loge, Lage nichts anderes ist als eine Neben
form von Lowe, Lawe bzw. Loibe, Leube, Lewe,
Lebe „ein für sich abgesonderter Waldbezirk zu
privater Holznutzung". Vgl. z. B. IMohe (Kr.
Meschede), das bis 1324 Esleve lautet, oder
thüringisch 22 da8 Loh oder Löbchen (Amtsgerichts
bezirk Gotha), 1543 da8 Löle, 1594 hinterm
Lohe, über Löbichen, 1667 Löwichen, Löbichen,
im Volksmund das Liebchen. Es ist Buschholz
an der Espenfelder Grenze und wird 1543
folgendermaßen beschrieben: „Ein Holz, das
Löle genannt, ist über 3 acker nicht, ganz
geringe, liegt mitten im Felde. Wenn es ge
hauen, wird es von der Schäferei so abgeetzt,
daß es zu keinem Wachs kommen kann." Hiermit
deckt sich, was Jellinghaus a. a. O. auf Grund
von Klöntrup „Handbuch der besonderen Rechte
im Stift Osnabrück" mitteilt: „In sorstrecht-
lichem Sinne ist das Loh ein privater Holzteil
(ags. leah) in offener Mark, der zwar zur Holz
nutzung einem Markgenvssen ausschließlich zusteht,
in Ansehung der Weide aber allen Markgenossen
gemein ist und daher nicht eingefriedigt werden
darf". Nach Lübben bedeutet Loh im Olden-
burgschen niedriges Holz und eine Waldwiese wie
engl, lea, ags. leah (m.) „offenes Gras- und Weide
land, Flur, Ebene, Feld". Inhaltlich fällt also
Loh mit Laube bzw. Loibe zusammen, und es
besteht auch lautlich kein Zweifel an der Zusammen
gehörigkeit dieser beiden Flurnamen. Wenn Loh
ebenso wie thüringisch Loibe schlechthin mit „Wald"
erklärt wird, so ist das zwar ungenau, aber nicht
Arnold a. a. O., S. 117 ff. u. 501 ff.
22 Gerbin g a. a. O., S. 50 Anm. 21 .