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heiligen römischen Reiches zur Löwenburg trug, am
12. Januar 1875 auch den Sarg des letzten hessischen
- Kurfürsten Nom Bahnhof aus zu seiner letzten Ruhestätte
an dem jetzigen Lutherplatz führte. Reicher Beifall
lohnte den beliebten Redner für seine lebensvollen, wie
immer auf umfassendster Stoffbeherrschung beruhenden
Ausführungen. (Ein Bildnis des Totenritters brachte
das „Hessenland" 1906, Seite 352.)
Der F u l d a e r Geschichtsverein hielt am 3. März
seine von Oberbürgermeister Dr. Antoni geleitete Ge
neralversammlung ab. Am 22. September wird der
Verein, dessen Mitgliederzahl auf 180 gestiegen ist, sein
25 jähriges Bestehen festlich begehen. Die Vereins
bibliothek ist der Fuldaer Landesbibliothek überwiesen
worden. Zu dem bisherigen Vorstand, bestehend aus
Oberbürgermeister Dr. Antoni, Professor Vonderau, Edu
ard Schmitt, Professor Dr. Haas und Dr. Kramer
wird der Leiter der Landesbibliothek Professor Dr. Scherer
neu hinzugewählt. Nach dem geschäftlichen Teil sprach
Professor Vonderau über die frühmittelalterliche
Stiftskirche in Hersfeld. Falls die Kirchenanlage, was
die Ausgrabungen noch entscheiden werden, karolingisch
sei, dann dürfe sie, so erklärte der Redner, nicht Ruine
bleiben, da sie dann als karolingischer Bau in Deutsch
land einzig dastände.
In der letzten Sitzung des Geschichts- und Heimat-
museumsvereins zu Hünfeld sprach Oberlandmesser
Schmitz über die Geschichte der Geodäsie mit beson
derer Berücksichtigung Kurhessens und würdigte nament
lich die Arbeiten der kurhessischen Geodäten Gerling,
Kaupert und Börsch, der Schöpfer der kurhessischen
Landestriangulation und der berühmten hessischen Niveau
karten.
Friedberger Geschichtsverein. Am 1.April
sind 25 Jahre seit der Gründung des „Friedberger
Geschichtsvereins" dahingegangen. Die Erschließung der
Wetterauer Geschichte verdankt ihm nennenswerte Er
gebnisse. Zahlreiche Veröffentlichungen und Ausgra
bungen wurden durchgeführt, bedeutende wissenschaftliche
Unternehmungen durch Mitarbeit oder Geldzuschüsse ge
fördert. Das unter Mitwirkung von Stadtverwaltung
und Bürgerschaft mit erheblichen Opfern gegründete
Museum nebst Archiv und Bibliothek erweist sich als
reichen Quell für Wissenschaft, Schulunterricht und Volks
bildung. Die durchschnittliche Besucherzahl seit Eröff
nung der Sammlungen beträgt vierhundert monatlich.
Wegen des Ernstes der Zeit will man von einer größeren
Feier absehen. Als Festgabe erscheint jedoch im Auf
träge der Stadt Band 4 der „Friedberger Geschichts-
blütter": 57 verschiedene Beitrüge zur Geschichte von
Friedberg und der Wetterau. Die ehemalige Freie Reichs
stadt Friedberg darf mit Stolz auf ihre vorbildliche
Tätigkeit für Heimatpflege und Volksbildung hinweisen.
Marburger H o ch s ch u l n a ch r i ch t e n. Der
Heidelberger Botaniker Professor Dr. Ludwig Jost,
der früher lange Jahre dem Lehrkörper der Universität'
Straßburg angehörte, wurde als Nachfolger Arthur
Meyers berufen und zum Ordinarius in der philo
sophischen Fakultät ernannt. — In der philosophischen
Fakultät habilitierte sich Dr. phil. Walther Heinrich
Vogt mit einer Vorlesung über den „gegenwärtigen
Stand der Forschung über Siegfrieds Jugend".
P e r s o n a l ch r o n i k. Am 12. März beging der
Erbauer der neuen Lutherkirche, der neuen Türme der
Martinskirche und Schöpfer des Kasseler Löwenbrunnens
Professor Hugo S ch u e i d e r seinen 80. Geburtstag.
Auf der Kasseler Pochtechnischen Schule ein Schüler
des Gotikers Nngewitters, war er beim Ausbau des
Kölner Domes mittätig, auch längere Zeit in England
beschäftigt und hatte mehrere Kirchenbauten am Rhein
und in Holland ausgeführt, als er 1879 an der Kasseler
Kunstakademie Nachfolger des Professors v. Dehn-Rot-
felser wurde. Seit einer Reihe von Jahren lebt er,
immer noch künstlerisch tätig, in Kassel im Ruhestand.—
Am 1. April tritt der Direktor des Pharmakologischen
Instituts in Kiel Geh. Medizinalrat Professor Dr. Falck
in den Ruhestand. Er wurde am 28. Mai 1848 in
Marburg als Sohn des Universitätsprofessors Karl
Philipp Falck geboren, war nach beendigtem Studium
in Marburg zuerst als Privatdozent und Assistent am
dortigen pharmakologischen Institut tätig und seit 1878
Direktor des. Kieler pharmakologischen Instituts. Schrift
stellerisch war er besonders auf dem Gebiet der Pharma
kologie, Toxikologie und Drogenkunde tätig. Seit 1879
mit einer Tochter des Postdirektors Brehm in Marburg-
vermählt, verlor er im Krieg seinen einzigen Sohn.
Todesfälle. Am 15. Februar verschied nach
kurzer Krankheit in Kassel der Landeskulturamts-
Präsident z. D. Wirklicher Geh. Regierungsrat Arnold
von B a u m bach- A m ö n a u. Nahezu 20 Jahre
bis zu seinem am 1. Juli 1920 erfolgten Ausscheiden
aus dem Staatsdienst stand er an der Spitze der General
kommission, des jetzigen Landeskulturamts, wo er als
treuer Sohn und gründlicher Kenner seiner hessischen
Heimat sein reiches Wissen und Können der Förderung
der Landeskultur der Provinz widmete. — Im Land
krankenhaus zu Fulda starb der Pfarrer von Lahrbach
in der Rhön und Ehrendoktor der Universität Würzburg
Dr. Nicker, ein geborener Fuldenser, der weiteren
Kreisen als erfolgreicher Pilzforscher bekannt war. — Am
26. Februar verstarb erst 53jährig der Lehrer unb Kantor
Konrad Usbe ck in Niederzwehren, ein eifriger Förderer
der hessischen Volkskunde, der durch seine „Chronik von
Niederzwehren" auch weiteren Kreisen bekannt wurde. —
Am 16. März verschied in Melsungen 78 jährig Pfarrer-
Wilhelm Hopf, der Führer der hessischen Rechtspartei
und Herausgeber der von ihm vor fast fünfzig Jahren
gegründeten und mit seinem Tode eingehenden „Hessischen
Blätter". Wir werden auf die Bedeutung und den
Lebensgang dieses auch von seinen Gegnern wegen seines
ehrenhaften Charakters hochgeschätzten Mannes im nächsten
Heft eingehend zurückkommen.
10 0 jähriger Geburtstag. Am 14. März
waren 100 Jahre verflossen, seit in Hanau Johann
Christian R e u l, der Kasseler „Turnvater", geboren
wurde. Kaum 16jährig beteiligte er sich an der Grün
dung der Hanauer Turngemeinde und kam 1842 nach
Kassel, wo er 1845 den ersten Kasseler Turnverein
gründete, der im Dezember 1847 durch einen Gewalt
akt aufgelöst wurde. Allen Verfolgungen der Behörde
zum Trotz konnte Reul jedoch im März 1848 die
„Kasseler Turngemeinde" gründen, die aber schon balo
durch Hassenpflug aufgehoben wurde. Erst seit 1852
fand die Turnerei in Kassel keinen Widerstand mehr.
1904 schied Christian Renl hochbetagt aus dem Leben,
nachdem er im selben Jahr noch zum Ehrenmitglied der
deutschen Turnerschaft ernannt worden war. Die „Hes
sische Post" (Nr. 73) würdigt in einem längeren Auf
satz das Andenken dieses aufrechten und kerndeutschen
Dessen.*)
*) Ein Bildnis Reuls brachten wir im „Hessenland"
Jahrg. 1911, S. 181.