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hältnissen aufs engste vertraut ist, kommt vor allem der
Umstand in Frage, daß dieses Geismar bereits im
8. Jahrhundert urkundlich nachweisbar ist, daß auch die
Tradition, wie sie noch Gerstenberg in seiner 1493
begonnenen Landeschronik festhält, durchaus dieses Er
eignis nach Geismar bei Fritzlar verlegt oder vielmehr
nach dem bei Geismar gelegenen Johanniskirchkopf,
der noch Spuren einer Kapelle ausweist und recht wohl
Sitz eines altheidnischen Heiligtums gewesen sein kann.
Dieser Jestädtschen Beweisführung, die sich auch auf
mythologische Untersuchungen stützt, ist nun wieder Dr.
Schäfer, gleichfalls in den „Fuldaer Geschichtsblättern",
entgegengetreten, der nach wie vor an seiner Hypothese
Hofgeismar festhält. Nach angeregter Erörterung stellte
sich auch der Kasseler Verein auf die Seite Jestädts,
wenn er sich auch nicht verhehlte, daß ein unmittel
barer schlüssiger Beweis für keine der beiden Annahmen
geführt werden könne und die ganze Untersuchung schließ
lich auf eine historisch-philologische Auslegung, hinaus
kommt. Die Wahrscheinlichkeit spricht aber. zweifellos
für Geismar bei Fritzlar, zumal Schäfers Urkunden
beweise nicht über das Jahr 1200 zurückgehen und
demnach für das 8. Jahrhundert wenig Beweiskraft
besitzen. Professor Dr. Kn atz sprach hieraus kurz über
die technischen Liebhabereien des Landgrafen Karl im
Anschluß an die von Uffenbach, der 1709 Kassel be
suchte, in seinem Reisewerk gebrachten Schilderungen.
Rechnungsdirektor W o r i n g e r berichtete über die An
wesenheit einer französischen Flotte auf der Fulda im
Jahre 176Î. Es handelte sich um den Bau von
Schleusen, um den bis Hersfeld schiffbaren Fluß für
Transportzwecke geeigneter zu machen. Die später von
der hessischen Regierung aufgenommenen Versuche, die
Schiffbarmachung weiter zu fördern, erlahmte jedoch
Ivieder, so daß auch die Schleusen bald zerfielen. Be
kannt ist, daß auch König Ludwig von Holland seinem
Bruder Jerome ein kleines Schiss zum Geschenk machte,
das damals häufig die Fulda befuhr. Lehrer Blum
teilte, an die am letzten Herrenabend mitgeteilte Be
schwerde der Gemeinde Asbach aus 1611 über ihren
Pfarrer anknüpfend, mit, daß dieser zwar drei Jahre
später noch im Besitz seiner Pfarrstelle, aber nach
Allendorf verzogen war. Auch durch zahlreiche topo
graphische und familiengeschichtliche Mitteilungen wußte
der Vortragende diesen Stoff noch zu ergänzen. Die
100. Wiederkehr des Tages, an dem Kurfürst Wilhelm I.
in der Löwenburg beigesetzt wurde, gab Schriftsteller
Heidelbach Anlaß, die Tradition über den in Hessen
immer als geheimnisvoll betrachteten frühen Tod des
bei der Beisetzung hervorragend tätig gewesenen „schwar
zen Ritters" im Zusammenhang zu betrachten. Es war
dies der von unsern hessischen Dichtern wiederholt be
sungene Jagdjunker Christian von Eschwege, dessen
Rüstung in der Löwenburg jedem Hessen bekannt ist
und dessen schönes Grabmal noch heute wohlgepflegt auf
dem alten Kasseler Totenhof am Lutherplatz steht. —
Vorgelegt wurde ein von Ernst Ötzel verfaßtes Werk
„Mit der 22. Infanterie-Division", das die persönlichen
Eindrücke des Verfassers in gefälliger Form schildert.
Weiter wurde ein von der bekannten Schriftstellerin
Mathilde v. Eschstruth (M. v. Eschen) dem Verein ge
schenktes Album vorgelegt, das zahlreiche Photographien
von Persönlichkeiten zeigt, die am Hof des letzten hes
sischen Kurfürsten eine Rolle gespielt haben. Mitgeteilt
wurde schließlich noch, daß sich auch in Zierenberg jetzt
eine Ortsgruppe des Vereins gebildet hat.
Es ist ein alter Brauch des Hessischen Geschichts
vereins, hundertjährige Gedenktage wichtiger Ereignisse
aus der hessischen Geschichte zu begehen. Am 14. März
waren hundert Jahre seit der Beisetzung Kur
fürst Wilhelms I. in der L ö w e n b u r g ver
flossen. Das gab dem Schriftführer des Vereins Rech
nungsdirektor W o r i n g e r Anlaß, an diesem letzt
winterlichen Vortragsabend im Saal der Landesbibliothek
diese denkwürdige Beisetzung und die sich daran an
schließenden Ereignisse den außergewöhnlich zahlreichen
Zuhörern nahe zu bringen.
Christian von Rommel hat in einer Lebensbeschreibung
des ersten hessischen Kurfürsten darauf aufmerksam ge
macht, daß die Zahl 7 im Leben dieses Fürsten eine
bedeutsame Rolle gespielt hat. Nachdem er dreimal 7
Jahre über Hanau, fünf mal 7 Jahre (mit Einschluß
der 7 jährigen Verbannung) über Hessen regiert hatte,
sollte das Jahr, in dem er ein Alter von 77 Jahren
erreicht hatte, für ihn verhängnis'voll werden. Sein
Tod kam nicht unerwartet. An der Gicht leidend, war er
seit dem 24. Februar an das Lager gefesselt, wenn auch
noch geistig tätig. Doch am Morgen des 27. Februar
zeigte sich ein bedenklicher Verfall, und der Leibchirurg
Mann fand den Kurfürsten bereits im Verscheiden.
Noch am Sterbetag erschien die Kundgebung, in der
Kurfürst Wilhelm II. dem Volk den Tod seines Vaters
mitteilte, und die übliche Landestrauer wurde angesetzt.
Das Leichenbegängnis selbst erfolgte erst nach verhältnis
mäßig langem Zeitraum. Der Kurfürst war im Bellevue
schloß gestorben. Am 12. März wurde die Leiche aus
dem Sterbezimmer in feierlichem Zug in den Thronsaal
des Schlosses gebracht und im Paradesarg aus einen mit
weißem Atlas überzogenen Katafalk gestellt, zu dessen
Seite die Kapsel mit dem Herzen stand, während zu
Füßen eine Urne mit den Eingeweiden niedergesetzt war.
Zwei Tage lang >var die Leiche von 11—1 und 3—5
ausgestellt und jedermann der Zutritt gestattet; von
fünf zu fünf Minuten wurden jedesmal 20 bis 30 Per
sonen in den Saal gelassen, und die Kasseler Bürger
uno Beamten mit ihren weiblichen Angehörigen machten
von dieser Erlaubnis einen ausgedehnten Gebrauch. Am
Abend des 12. März wurde der Sarg aus den acht-
spännigen, von Gardehusaren begleiteten Leichenwagen
durch das Tor in der Georgenstraße über Bellevue und
Wilhelmshöher Tor bei Nacht nach Wilhelmshöhe über
führt, wobei die auf den Wagen des Gefolges stehenden
Lakaien brennende Wachsfackeln trugen. In der Wil
helmshöher Schloßkirche wurde der Leichnam wieder aus
einem von einem Thronhimmel überdeckten Katafalk nus-
gebahrt, indes ein doppelter Jnfanterieposten vor der
Kirche, ein doppelter Gardedukorpsposten an der Jnnen-
türe aufgestellt war. . Am Vormittag des 14. März um
11 Uhr versammelte sich das Leichengefolge, nachdem
zuvor schon das Militär in Wilhelmshöhe aufmarschiert
war. Um 1 / 2 12 traf der neue Kurfürst in Wilhelmshöhe
ein und begab sich in die Schloßkirche. PunA 12 er
tönte vom Fuß der Kaskaden ein Kanonenschuß, woraus
der Zug sich, durch weitere Schüsse geleitet, zu ordnen
begann, um sich aus einen vierten Signalschuß hin in
Bewegung zu setzen. Dem Leichenwagen ritt ein Ritter
in schwarzem Harnisch voraus, ivährend das von zwei
Stallmeistern geführte Trauerpferd dem Sarge nachfolgte.
Dieser selbst, von der Krone, den auswärtigen Orden,
dem Degen und Marschallstab des Verstorbenen bedeckt,
wurde von 12 Offizieren getragen, während vier Generäle
die Zipfel des Leichentuches hielten. Aus beiden Seiten
des Wagens schritt ein Schweizergardedetachement. Die
Avantgarde bildeten die reitenden Schützen und das
Leibdragonerregiment, die Eskorte des Leichenwagens
die Gardedukorps und die Gardehusaren, den Beschluß,
das Husarenregiment. Das Jägerbataillon hatte die
Löwenburg besetzt, während drei Bataillone Infanterie