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Betracht kommende Stelle des Donarheiligtums hin
zustellen. Um diese Ansicht zu prüfen, bedarf es
zunächst einer kurzen Betrachtung der Quellen,
soweit sie für die häufig nacherzählte bekannte Tat
des Bonifatius ausschlaggebend sind, der vita des
Bortifatins von Wilibald (nach neueren Forschungen
nicht der Bischof von Eichstätt) und der ihres
späteren Überarbeiters Otloh, die sich nur durch
wenige Zusätze von jener unterscheidet. Wilibald,
der von Lullus und Megingoz selbst sein Material
erhielt, schreibt nach der sehr anschaulichen Schil
derung des bekannten Vorganges Kap. VI 22 und 23:
„Tune autem summae sanctitatis antistes (Otloh
dafür praesul) consilio inito cum fratribus ligneum
ex supradictae arboris metallo (Otloh dafür mole)
oratorium construxit eamque inhonore Sancti Petri
dedicavit.“ Das heißt also, nachdem vorher die Stelle
bezeichnet war als„locas, qui dicitur Gaesmere“ (auch
Geismere): „Da aber erbaute der hochheilige Vor
steher, nachdem er mit den Brüdern eine Beratung
abgehalten hatte, aus dem Holzwerk dieses Baumes
ein Bet haus und weihte es zu Ehren des
heiligen Apostels Petrus." Das ist die ganze ge
schichtliche Überlieferung und sie bedeutet zweifellos
nichts anderes als daß Bonifatius aus den Trüm?-
mern der gefällten Eiche eines Heidengottes ein
Gotteshaus zimmern ließ, das den Umständen nach
nicht mehr als eine einfache Kapelle sein
konnte, von der wir fortan nichts, auch nicht
das Geringste mehr hören. Es ist nun keineswegs
verwunderlich, sondern sehr naheliegend, wenn Boni
fatius gerade in der Nähe dieser Erinnerungsstätte,
wo er dem heidnischen Götzendienst einen Todesstoß
versetzt hatte, auch eine wirkliche Kirche baute. Davon
wird uns bald darauf im Kapitel VI 26 berichtet:
„Nach seiner Rückkehr aus Thüringen und der
Berufung zahlreicher Helfer aus der angelsächsischen
Heimat gründet er eine Kirche dem heiligen Petrus
zu Ehren in Fritzlar und eine in Amöneburg dem
heiligen Michael zu Ehren": „duas ecclesias Domino
fabricavit:- unam quippe in Frideslare, quam
in honore Sancti Petri principis Apostolorum
consecravit et alteram in Hamanaburc.“ Bei
Otloh wird dann noch zweimal Buraburc bei
Fritzlar als Bischofssitz genannt. Wir sehen also,
Fritzlar ist der Hauptsitz seiner Tätigkeit und wird
ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt und ohne
irgend welchen Zusatz (locus qui vocatur) ein
geführt. Es war sicher schon ein für den heidnischen
Kult bedeutender Ort, mitten in den alten Stammes
sitzen, und wird nun ein Mittelpunkt der Tätigkeit des
Apostels, die gerade hier ihren verheißungsvollsten;
Anfang genommen hatte. Von hier aus ziehen seine
Landsleute Wilibald, Wunnibald, Lioba u. a. in
Hessen und Thüringen umher, von hier wandern
Sturmius und Lullus nach Fulda und Hersfeld,
niemals einer gen Norden, ihre gesamte Tätigkeit
ist dem eigentlichen, richtigen Hessenlande, gewid
met. Wenn auch die Hessen als nahe Verwandte
der Franken damals schon für das Christentum
gewonnen waren, ist es doch noch keineswegs fest
verwurzelt gewesen oder es trug noch starke Spuren
des Heidentums. Für Amöneburg wird ausdrück-
lich bezeugt, daß dort Bonifatius s ch ä n d l i ch e n
Götzendienst zu tilgen hatte, und es heißt dann
mit Bezug hierauf später, wo W. die Erzählung des
Geismarer Vorgangs vorausnimmt: Ebenso be
freite er an den Grenzen der Sachsen das Volk
der Reffen, das bis dahin noch im Irrtum heid
nischer Gebräuche befangen war (iuxta fines Saxo-
num populum Hessorurn paganicis ritibus ober-
rantem), aüs der Gefangenschaft böser Geister. Es
erfolgt aber nun erst die Reise nach Rom, und
dann wird zu dem entscheidenden Ereignis in Ka
pitel 22, der Niederlegung des Götzenbaumes, über
geleitet mit den bemerkenswerten Worten: „ad
obsessas ante ea Hessorurn metas rediit“, was betn
Zusammenhang nach nur heißen kann: er kehrte
zu dem vorher innegehabten, d. h. aufgesuchten
Grenzgebiet der Hessen zurück. Das Wort obsessus
heißt hier nicht „besetzt", wie Dr. Schäfer meint,
von einer Besetzung ist nirgends die Rede gewesen;
Arndt in seiner Übersetzung des Wilibald (Leip
zig 1888) gibt es frei durch „besucht" wieder. Es
bezieht sich hier offenbar auf Bonifatius selbst
und will nur sagen, daß sich der Apostel vorher
hier schon aufgehalten hat, was dem Sprachgebrauch
dieser Zeit gar nicht widerstrebt. Fassen wir also
zusammen: Es ist hier in dieser einzigen .Haupt
quelle für die Tätigkeit des großen Glaubensboten
und seiner Jünger, die Reste des Heidentums tilgen,
Irrlehren bekämpfen, neue Gotteshäuser und Klöster
anlegen, für die Oberherrschaft Roms wirken,
abgesehen von Thüringen, Friesland u. a. stets nur
vom eigentlichen chattischen Hessen die Rede, soweit
unbestrittene Orte wie Amöneburg, Fritzlar, Hers
feld, Fulda in Betracht kommen. Von einer Be
kehrung von Sachsen, die damals noch im starren
Heidentum verharrten, ist hier nirgends die Rede.
Damit berühren wir wieder einen Kernpunkt der
ganzen Frage.
Dr Schäfer hält anscheinend noch an der
Anschauung fest, daß es einen sächsischen Hessengau
gegeben habe, was durch den Aufsatz von K. Wenck
„Zur Geschichte des Hessengaus" widerlegt ist.
Jedenfalls ist er aber davon überzeugt und läßt
es für seine Behauptung entscheidend in die Wag
schale fallen, daß schon zur Zeit des Bonifatius
die niederdeutschen Teile Hessens, die Kreise Hof
geismar und Wolfhagen, zu Hessen gehört und daß