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des Opernplatzes .mit seiner „Lokomotive" könne nie
wieder hergestellt werden; es sei verständlich, wenn man
hier außer dem Waitzschen Palais und der Komman
dantur am liebsten alles verdecken möchte. Gegen eine
niedrige Grünanlage wäre an sich nichts einzuwenden,
eine gepflasterte Anlage würde aber hier eher am
Platze' sein. Den Friedrichsplatz wieder, wie früher,
mit Grün zu bepflanzen, würde er nicht empfehlen, da
doch gerade in der großen Fläche dieses einzigartigen
Platzes eine feine Wirkung liege. Dagegen müßten die
alten Baumalleen wieder ergänzt werden. Das einzig
Erfreuliche sei, daß das Theater, das ganz_ und gar
nicht an diesen Platz passe, auf beiden Seiten noch
etwas Platz für den Blick auf die Natur gelassen habe.
Am Königsplatz sind die Gebäude ihrer Höhe und ihrem
Charakter nach heute so verschieden, daß ivir die ver
deckenden Bäume nicht mehr missen können. Habe schon
mit dem Postgebäude und dem Kaufhaus die gleichmäßig
herumgehende Gesimshöhe Schaden gelitten, so sei voll
ends durch den starken mittleren Vorbau des Hessischen
Bankgebäudes die Hauptidee der gleichmäßig herum
gehenden Wandfläche durchbrochen worden. _ Besser sei
das Werthauersche Bankhaus, aber auch dessen Aufbau
und Dachlösung sei nicht ganz das, was ivir für diesen
Platz haben müssten. Bei der Umgestaltung des Garde-
dukorpsplatzes ziehe er die der Oberneustadt eigentüm
liche rechtwinkelige Achsenanlage vor; hier solle man
nicht ohne Not zum Diagonalsystem übergehen. Wenn
auch der Wilhelmshöher Platz in seiner jetzigen Bepflan
zung nicht befriedige, so könne doch von Veränderungen,
weil zu kostspielig, vorläufig keine Rede sein: aus jeden
Fall empfehle sich hier eine größere Ausdehnung der
Grünanlage und Wiederherstellung des alten Kastanien
rondels. Wenn Regnerus Engelhard, so schloß Redner
seine gediegenen Ausführungen, in seiner „Erdbeschrei
bung der hessischen Lande" (1778) hervorgehoben habe,
daß Kassel den Eindruck einer ermüdenden Gleich
förmigkeit mache, so müsste man heute von erschreckender
Unruhe sprechen. Wir haben heute keine Angst vor der
ermüdenden Gleichförmigkeit, vielmehr muß es sich für
die Zukunft darum handeln, wieder die alte Harmonie
herzustellen. Sie kann nicht dadurch geschaffen werden,
daß man immer wieder neuartige architektonische Ver
suche macht, sondern ivir müssen verlangen, daß jeder,
der in der Oberneustadt zu bauen hat, in diesen Charakter
des Klassizismus, der so Hervorragendes zur Ausführung
gebracht hat, eindringt, daß er das, was in der Ober
neustadt steht, ivieder in sich aufnimmt, ohne deshalb
nach den Vorbildern zu bauen. Wir müssten so viel
als möglich erhalten. Wenn aber neue Gebäude an
die Stelle der alten treten, so können ivir verlangen, daß
sie die Harmonie ivieder bringen, anstatt sie noch mehr
zu zerstören. Charakteristisches ist noch genug von der
alten Architektur vorhanden, vor allem die alten Straßen
räume und die großen Platzräume. Friedrichs- und
Königsplatz bleiben, auch wenn ihre Umgebung uns
heute nur wenig erfreut. Das Gerippe bleibt, ivir aber
haben die Pflicht, sich daran möglichst edles Fleisch,
und Blut ansetzen zu lassen. Der Vortrag, für dessen
Vermittlung wir dem Handels- und Geiverbeverein zu
großem Dank verpflichtet sind, hat ein großes Bedauern
veranlaßt: daß nämlich Stadtbauinspektor Labes, der
sich in kurzer Zeit mit so liebevollem Verständnis in
die architektonische Entwicklung Kassels und seine städte
baulichen Bedürfnisse eingelebt hat, der Stadt Kassel nicht
schon einige Jahrzehnte früher beschieden wurde.
Todesfälle. Am 22. April entschlief zu Marburg
im 67. Lebensjahr der Hauptlehrer a. D. Emil S ch n e i-
d e r, ein um die Erforschung und Erschließung des
hessischen Berg- und Hügellandes hochverdienter Mann.
Er gav außer einer Reihe trefflicher Führer und Karten
auch ein hessisches Sagenbüchlein heraus, war Vor
sitzender des Lehrervereins, Mitbegründer und Ehren
vorsitzender des Oberhessischen Gebirgsvereins und als
langjähriger Leiter der Marburger Liedertafel ein eifriger
Förderer des deutschen Männergesanges.
Im eben vollendeten 80. Lebensjahr starv zu Marburg
der Geh. Sanitätsrat Or. Karl A b e c, der von 1868
bis 1915 als einer der bekanntesten und beliebtesten
Ärzte in Marburg tätig war.
Am 16. Mai entschlief in Kassel 81 jährig der General
leutnant z. D. Heinrich H a r n i ck e l l, der sich mit
besonderer Hingabe der Förderung des kurhessischen
Kriegervereinswesens gewidmet hatte. Als Sohn eines
Forstinspektors in Wabern geboren, wurde er 1851
Kadett, 1854 Portepeefähnrich, im selben Jahr Leutnant
und 1866 Oberleutnant im Kurhessischen Jägerbataillon,
machte den deutsch-französischen Krieg mit und nahm
1893 als Generalmajor und Kommandeur der 36. In
fanterie-Brigade seinen Abschied. Mit dem Verstorbenen,
der eine Reihe von Jahren auch Mitglied des Kasseler
Magistrats war, ist ein kerniger, schlichter Mann, ein
treuer Sohn unseres Hessenlandes dahingegangen.
Das alte Kasseler Frucht haus (Proviant
magazin) in der Schäfergasse ist trotz den Eingaben des
hessischen Geschichtsvereins und des Bundes Heimatschutz
vom Militärfiskus an den Kaufmann Weber verkauft
worden. Dieser hat sich zwar verpflichtet, das Gebäude
weder abzubrechen noch im Äußern Änderungen vor
zunehmen, die den künstlerischen Gesamteindruck des
Gebäudes ungünstig zu beeinflussten geeignet sind und
zur Sicherheit seiner Verpflichtung die Eintragung zu
Gunsten der Stadt in das Grundbuch bewilligt, aber
inwieweit diese Schutzbestimmung auch unter einem
eventl. späteren Besitzer noch wirksam bleiben wird, ist
zum mindesten zweifelhaft. In der Kasseler Presse
weist Geh. Baurat a. D. A tz e r t darauf hin, daß es
sich hier vor allem auch darum handelt, ob die
wenigen noch in öffentlichem Besitz befindlichen Profan
gebäude althessischer Zeit gegen .Spekulation gesichert
sind, und stellt im Interesse der Erhaltung der Schönheit
Kassels die dringende Forderung auf, daß nun endlich
mit dem Verkaufen Schluß gemacht werde. Diese For
derung sei um so berechtigter, als gerade in Kassel
innerhalb der letzten zehn Jahre erschreckend mit öffent
lichem Kunstgut aufgeräumt sei, wobei er an das Meß
haus, das alte Regierungsgebäude, die Unterneustädter
Mühle, das alte Theater, die Wachthäuschen am Fried
richsplatz und die bis auf einen Stumpf abgebrochene
Gardedukorpskaserne und an den bekannten Ausspruch
unseres Landeskonservators erinnert: „Wenn das so
weiter geht, wird es in Kassel bald nichts mehr ab
zubrechen und zu verkaufen geben." Es bleibt in dev
Tat höchst bedauerlich, daß der Staat, statt historische
Bauwerke aus Privatbesitz zu erwerben, nach wie vor
fortfährt, öffentliche Denkmäler wie Marktware zu ver
äußern.
Die Freunde der Fuldaer Geschichte hatten sich am
28. Januar in großer Zahl zur Generalversammlung
des Fuldaer Geschichtsvereins in der Dom
schule versammelt.. Domkapitular Or. Leim dach wür
digte die im vergangenen Jahre herausgegebene Bereins-
gabe aus der Feder Prof. Bonderaus über ^ie Aus
grabungen am Mnn in den Jahren 1908 bis 1913.
Ehrend gedachte er des im letzten Jahre verstorbenen