Full text: Hessenland (34.1920)

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des Opernplatzes .mit seiner „Lokomotive" könne nie 
wieder hergestellt werden; es sei verständlich, wenn man 
hier außer dem Waitzschen Palais und der Komman 
dantur am liebsten alles verdecken möchte. Gegen eine 
niedrige Grünanlage wäre an sich nichts einzuwenden, 
eine gepflasterte Anlage würde aber hier eher am 
Platze' sein. Den Friedrichsplatz wieder, wie früher, 
mit Grün zu bepflanzen, würde er nicht empfehlen, da 
doch gerade in der großen Fläche dieses einzigartigen 
Platzes eine feine Wirkung liege. Dagegen müßten die 
alten Baumalleen wieder ergänzt werden. Das einzig 
Erfreuliche sei, daß das Theater, das ganz_ und gar 
nicht an diesen Platz passe, auf beiden Seiten noch 
etwas Platz für den Blick auf die Natur gelassen habe. 
Am Königsplatz sind die Gebäude ihrer Höhe und ihrem 
Charakter nach heute so verschieden, daß ivir die ver 
deckenden Bäume nicht mehr missen können. Habe schon 
mit dem Postgebäude und dem Kaufhaus die gleichmäßig 
herumgehende Gesimshöhe Schaden gelitten, so sei voll 
ends durch den starken mittleren Vorbau des Hessischen 
Bankgebäudes die Hauptidee der gleichmäßig herum 
gehenden Wandfläche durchbrochen worden. _ Besser sei 
das Werthauersche Bankhaus, aber auch dessen Aufbau 
und Dachlösung sei nicht ganz das, was ivir für diesen 
Platz haben müssten. Bei der Umgestaltung des Garde- 
dukorpsplatzes ziehe er die der Oberneustadt eigentüm 
liche rechtwinkelige Achsenanlage vor; hier solle man 
nicht ohne Not zum Diagonalsystem übergehen. Wenn 
auch der Wilhelmshöher Platz in seiner jetzigen Bepflan 
zung nicht befriedige, so könne doch von Veränderungen, 
weil zu kostspielig, vorläufig keine Rede sein: aus jeden 
Fall empfehle sich hier eine größere Ausdehnung der 
Grünanlage und Wiederherstellung des alten Kastanien 
rondels. Wenn Regnerus Engelhard, so schloß Redner 
seine gediegenen Ausführungen, in seiner „Erdbeschrei 
bung der hessischen Lande" (1778) hervorgehoben habe, 
daß Kassel den Eindruck einer ermüdenden Gleich 
förmigkeit mache, so müsste man heute von erschreckender 
Unruhe sprechen. Wir haben heute keine Angst vor der 
ermüdenden Gleichförmigkeit, vielmehr muß es sich für 
die Zukunft darum handeln, wieder die alte Harmonie 
herzustellen. Sie kann nicht dadurch geschaffen werden, 
daß man immer wieder neuartige architektonische Ver 
suche macht, sondern ivir müssen verlangen, daß jeder, 
der in der Oberneustadt zu bauen hat, in diesen Charakter 
des Klassizismus, der so Hervorragendes zur Ausführung 
gebracht hat, eindringt, daß er das, was in der Ober 
neustadt steht, ivieder in sich aufnimmt, ohne deshalb 
nach den Vorbildern zu bauen. Wir müssten so viel 
als möglich erhalten. Wenn aber neue Gebäude an 
die Stelle der alten treten, so können ivir verlangen, daß 
sie die Harmonie ivieder bringen, anstatt sie noch mehr 
zu zerstören. Charakteristisches ist noch genug von der 
alten Architektur vorhanden, vor allem die alten Straßen 
räume und die großen Platzräume. Friedrichs- und 
Königsplatz bleiben, auch wenn ihre Umgebung uns 
heute nur wenig erfreut. Das Gerippe bleibt, ivir aber 
haben die Pflicht, sich daran möglichst edles Fleisch, 
und Blut ansetzen zu lassen. Der Vortrag, für dessen 
Vermittlung wir dem Handels- und Geiverbeverein zu 
großem Dank verpflichtet sind, hat ein großes Bedauern 
veranlaßt: daß nämlich Stadtbauinspektor Labes, der 
sich in kurzer Zeit mit so liebevollem Verständnis in 
die architektonische Entwicklung Kassels und seine städte 
baulichen Bedürfnisse eingelebt hat, der Stadt Kassel nicht 
schon einige Jahrzehnte früher beschieden wurde. 
Todesfälle. Am 22. April entschlief zu Marburg 
im 67. Lebensjahr der Hauptlehrer a. D. Emil S ch n e i- 
d e r, ein um die Erforschung und Erschließung des 
hessischen Berg- und Hügellandes hochverdienter Mann. 
Er gav außer einer Reihe trefflicher Führer und Karten 
auch ein hessisches Sagenbüchlein heraus, war Vor 
sitzender des Lehrervereins, Mitbegründer und Ehren 
vorsitzender des Oberhessischen Gebirgsvereins und als 
langjähriger Leiter der Marburger Liedertafel ein eifriger 
Förderer des deutschen Männergesanges. 
Im eben vollendeten 80. Lebensjahr starv zu Marburg 
der Geh. Sanitätsrat Or. Karl A b e c, der von 1868 
bis 1915 als einer der bekanntesten und beliebtesten 
Ärzte in Marburg tätig war. 
Am 16. Mai entschlief in Kassel 81 jährig der General 
leutnant z. D. Heinrich H a r n i ck e l l, der sich mit 
besonderer Hingabe der Förderung des kurhessischen 
Kriegervereinswesens gewidmet hatte. Als Sohn eines 
Forstinspektors in Wabern geboren, wurde er 1851 
Kadett, 1854 Portepeefähnrich, im selben Jahr Leutnant 
und 1866 Oberleutnant im Kurhessischen Jägerbataillon, 
machte den deutsch-französischen Krieg mit und nahm 
1893 als Generalmajor und Kommandeur der 36. In 
fanterie-Brigade seinen Abschied. Mit dem Verstorbenen, 
der eine Reihe von Jahren auch Mitglied des Kasseler 
Magistrats war, ist ein kerniger, schlichter Mann, ein 
treuer Sohn unseres Hessenlandes dahingegangen. 
Das alte Kasseler Frucht haus (Proviant 
magazin) in der Schäfergasse ist trotz den Eingaben des 
hessischen Geschichtsvereins und des Bundes Heimatschutz 
vom Militärfiskus an den Kaufmann Weber verkauft 
worden. Dieser hat sich zwar verpflichtet, das Gebäude 
weder abzubrechen noch im Äußern Änderungen vor 
zunehmen, die den künstlerischen Gesamteindruck des 
Gebäudes ungünstig zu beeinflussten geeignet sind und 
zur Sicherheit seiner Verpflichtung die Eintragung zu 
Gunsten der Stadt in das Grundbuch bewilligt, aber 
inwieweit diese Schutzbestimmung auch unter einem 
eventl. späteren Besitzer noch wirksam bleiben wird, ist 
zum mindesten zweifelhaft. In der Kasseler Presse 
weist Geh. Baurat a. D. A tz e r t darauf hin, daß es 
sich hier vor allem auch darum handelt, ob die 
wenigen noch in öffentlichem Besitz befindlichen Profan 
gebäude althessischer Zeit gegen .Spekulation gesichert 
sind, und stellt im Interesse der Erhaltung der Schönheit 
Kassels die dringende Forderung auf, daß nun endlich 
mit dem Verkaufen Schluß gemacht werde. Diese For 
derung sei um so berechtigter, als gerade in Kassel 
innerhalb der letzten zehn Jahre erschreckend mit öffent 
lichem Kunstgut aufgeräumt sei, wobei er an das Meß 
haus, das alte Regierungsgebäude, die Unterneustädter 
Mühle, das alte Theater, die Wachthäuschen am Fried 
richsplatz und die bis auf einen Stumpf abgebrochene 
Gardedukorpskaserne und an den bekannten Ausspruch 
unseres Landeskonservators erinnert: „Wenn das so 
weiter geht, wird es in Kassel bald nichts mehr ab 
zubrechen und zu verkaufen geben." Es bleibt in dev 
Tat höchst bedauerlich, daß der Staat, statt historische 
Bauwerke aus Privatbesitz zu erwerben, nach wie vor 
fortfährt, öffentliche Denkmäler wie Marktware zu ver 
äußern. 
Die Freunde der Fuldaer Geschichte hatten sich am 
28. Januar in großer Zahl zur Generalversammlung 
des Fuldaer Geschichtsvereins in der Dom 
schule versammelt.. Domkapitular Or. Leim dach wür 
digte die im vergangenen Jahre herausgegebene Bereins- 
gabe aus der Feder Prof. Bonderaus über ^ie Aus 
grabungen am Mnn in den Jahren 1908 bis 1913. 
Ehrend gedachte er des im letzten Jahre verstorbenen
	        

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