anlagen. Fülle und Reichtum der Formen, sondern
Abgeklärtheit, Beschränkung auf das unbedingt Not
wendige, das aber so gediegen und klar vorgetragen
wurde, daß nichts hinzugesetzt zu werden brauchte, aber
auch nichts weggenommen werden durfte, ohne daß das
Ganze Schaden litt. Bei aller Sicherheit des Form
gefühls und Ausgeglichenheit der Verhältnisse waren
die Bauten doch sachlich, zweckentsprechend und gewissen
haft durchgeführt. So galt es, die Straßen und Plätze
und am liebsten die ganze Stadt zu einem vollkommen
harmonischen Organismus herausznmodellieren. Das
war die leitende Kraft, die Fürsten und Architekten in
diesem Jahrhundert zu den größten Schöpfungen fort
riß. Allerdings ist es den großen Architekten der Ober
neustadt nicht gelungen, diese vollkommene Harmonie
des Ganzen überall zu erreichen, dazu waren die Schwie-
rigkeiten sozialer und anderer Art- zu - mannigfaltig.
Und doch hatten sie es gegenüber den heutigen Architekten
leicht. Hinter ihnen stand der Wille des Landgrafen.
Die Bevölkerung, die angesiedelt werden sollte (Huge
notten), war eine verhältnismäßig gleichmäßige soziale
Schicht, dazu die Bauzeit verhältnismäßig kurz. Die
Du Ry's konnten noch ganze architektonische Zusammen
hänge schaffen, Plätze von künstlerischer Klarheit, wie
es schwer wieder erreicht werden wird. Redner weist
das an einer ganzen Reihe von Grundrissen nach.
Gleich beim ersten Entwurf stand Paul Du Ry 1688
für die Oberneustadt ein vollständig jungfräuliches Ge
lände zur Verfügung, wo nichts dem künstlerischen
Raumgedanken Abbruch tun konnte. Die Grundlage
bildete ein Platz, äuf dem ein öffentliches Gebäude,
die Kirche, stehen sollte. Alles, Straßen und Häuser,
ist auf diesen Platz und die Kirche konzentriert; auch
die ganze Form der Baublöcke ist schon in ihren Längen
abmessungen von künstlerischer Fassung. Der Grundriß
ist nicht zur Ausführung gekommen, aber ein ähnlicher
Plan, der den Platz größer zeigte. Alle Häuser waren
gleichmäßig, zweigeschossig mit Mansarden, gedacht, von
der doppelt so großen Kirche überragt. Leider hat es sich
nicht verwirklichen laßen, daß die Häuser alle gleich
geschossig geblieben sind; sicher sind die Verhältnisse
des Karlsplatzes in ihrer Wirkung dadurch nicht schöner
geworden; immerhin bildet dieser noch am wenigsten
verschandelte Platz noch heute ein Muster. Der nächste
Plan zeigte einen noch großartigeren Entwurf mit pom
pösem Ehrenhof, Schloß und Marstallgebäuden, wobei
die Achse der Kirche zur Hauptachfe wurde. Es kommt
aber schließlich keine hervorragende Platzlösung zur Aus
führung, man beschränkt sich darauf, einen Teil des
Baublocks, den späteren Meßplatz, als Platz liegen zu
lassen, um hier ein Rathaus, ein Hospital und den
Meßpalast zu bauen. Der Platz (1768) hat lange un
fertig gelegen und wurde später noch mit Bäumen be
pflanzt. Ein weiterer Plan (1767) zeigt zum erstenmal
den Königs- und Friedrichsplatz angedeutet, diese beiden
Meisterwerke Simon Louis Du Rys, der sich, da das
Problem zur Lösung drängte, sehr eingehend mit der
Verbindung der Alt- und Neustadt beschäftigte und schon
in den letzten Jahren die Arbeiten des Vaters aus
geführt hat. Auch was Du Ry am Friedrichsplatz ge
baut hat, ist in seiner Anlage mustergültig. Die drei
Gebäude an der Längsseite des Platzes, Bibliothek, Eck
palais und katholische Kapelle, wirkten bester als die
späteren fünf Bauten. Durch die den Platz umstellenden
drei Baumreihen kam seine Größe in richtiges Verhält
nis. Der große, schwer zu bewältigende Platz war fein
abgewogen; nur zwei Wege liefen im Zuge der Frank
furter- .und Karlstraße über den Platz, die Diagonal
wege stammen erst aus französischer Zeit. Die zweite
musterhafte Lösung des Anschlusses an die Altstadt. bil
dete der Königsplatz mit 130 Metern Durchmesser. Bei
der damaligen gleichförmigen Höhe der Häuser war die
Bepflanzung mit Bäumen noch nicht so notwendig als
heute. Hier können die Architekten lernen, daß man selb
ständig sein kann, auch wenn man sich an die Nachbar
häuser anpassen soll. Von vollkommener Harmonie
war auch der benachbarte Opernplatz. Verstärkt wurde
der Eindruck noch durch die Terrasse mit ihrer Balustrade.
An eine Bepflanzung dieses Platzes, dessen Rhythmus
ein vollendeter war, hat damals niemand gedacht. Durch
das Spohrdenkmal ist er nicht gerade schöner geworden.
Auch am Gardedukorpsplatz konnte Du Ry mit der
Kaserne wieder etwas symmetrisch Schönes aufbauen.
.Der Wilhelmshöher Platz zeigte zuerst, gleichsam als
Gegenstück zum Königsplatz, eine runde Anlage, kam
aber dann sechseckig zur Ausführung. Er war die letzte
städtebauliche Lösung Du Rys. Als er 1799 starb,
Ivaren etwa 100 Jahre vergangen, seitdem sein Groß
vater die ersten Häuser der Oberneustadt gebaut hatte.
Diese 100 Jahre haben der Stadt ihren Charakter ge
geben. Leider blieb nicht alles erhalten; die nächsten
100 Jahre brachten eine Menge von Mißklängen. Bis
dahin war es eine Stadt, die auch hygienisch und ver
kehrstechnisch Anspruch zu haben schien, für die Ewigkeit
gebaut zu sein, es waren Häujer, die bei richtiger Er
haltung niemals zu schänden geworden wären, Straßen,
die dem Verkehr durchaus gewachsen ivaren. Auch nach
1800 werden noch an verschiedenen Stellen einzelne
schöne Häuser errichtet; aber das Verständnis für große
architektonische Zusammenhänge läßt nach, der Sinn
für ausgeglichene Verhältnisse fangt an zu verflachen.
Schon Kurfürst Wilhelm II. ordnete an, daß die Häuser
am Friedrichsplatz Aufbauten erhielten und so die schönen
Giebel, desgleichen die Treppen vor den Häusern be
seitigt wurden. Auch Straßendurchbruchsgedanken kom
men bereits, der Friedrichsplatz ivird durch den Bau
des Roten Palais und der späteren Kriegsschule ver
dorben (an sich einwandfreie Bauten), ineis durch die
nun entstandene geschlossene Front das Fallen des
Platzes mehr zum Ausdruck kommt. 1824 kam der Tor
bau, vor dem schon Du Ry gewarnt hatte, mit dem
wir uns heute aber doch gern abgefunden hätten.
Nach 1835 nahm die Entwicklung zur Veräußerlichung
zu, die Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs ließ keinen
Raum mehr für die Architektur, die sich mit einer
Nebenrolle begnügen mußte. Das Verständnis für grö
ßere städtebauliche Zusammenhänge versagte, eine voll
kommene Unsicherheit ans dem Gebiet des Geschmacks,
eine Urteilslosigkeit bei Laien und Fachleuten griff
Platz. Wir können alle die späteren Neugestaltungen
nicht einzelnen Personen, sondern müssen sie der ganzen
Zeit zuschieben. Es fehlte an einer Stelle, die künst
lerisch ernst genommen wurde; der Glaube an die
Autorität eines Künstlers hatte sehr gelitten. An War
nungen einzelner Personen hat es in Kastel, gerade bei
den größten Verunstaltungen, nicht gefehlt. Redner
möchte heute darüber ohne Kritik hinweggehen und lieber
in den Vordergrund schieben, was noch geschehen kann.
Das Erfreulichste, was die neue Zeit gebracht habe,
sei die Anregung der Gartenkommission, die, veranlaßt
durch die Beschränkung der Mittel zur Erhaltung der
Plätze, aber auch der Verschönerung der Stadt dienen
wolle. Daß diese Anregung richtig sei, glaube er,
heute gezeigt zu haben durch die Schönheit und Eben
mäßigkeit, die keine solchen malerischen Zutaten nötig
habe. Warum für teures Geld gärtnerische Anlagen
erhalten, die von jedem städtebaulich 'gebildeten Menschen
als entbehrlich betrachtet werden müssen? Die Harmonie