Ein Ruck — und sie standen, unruhig trappelnd
und kaum zu bändigen. Die weiße Gestalt näherte
sich ihnen.
„Alwerne Biester, so steht doch endlich!" —
und „Guten Abend, Herr Landrat!" kam eine
Stimme aus der Dunkelheit. „Verflucht — der
Wirt!" sagte der Kutscher, und der Wageninsasse
lachte: „Mit Ihnen schließ ich nie einen Vertrag
ab, eher mit dem Teufel!"
„Wort ist Wort, Herr Landrat! Und der Deuwel
läßt sich auch nichts abmarkten." Und so tanzte
und dienerte er um den hohen Herrn, der aus
steigen und sich dergestalt von ihm bewirten lassen
mußte. Einfach mußte. Der Landrat verstand
Spaß. Nach dem Genuß zweier Iagdliköre fuhr
er lachend weiter.
Wenn der Schelmenwirt mit den hohen Herren
schon solche Tänze wagte, konnte er so 'n Geiß
bäuerchen wie Bonaventura Rothämel erst recht
nach seiner närrischen Fiedel tanzen lassen. Und
das tat er denn auch oft genug nach Herzenslust.
„He, du! Komm 'rein! Hier wird erst einer
mitgenommen. Wer gut schmeert, der gut fährt."
Dieser Anruf aus offenem Fenster begrüßte den
Herannahenden. Bonaventura stand und bedachte
sich den Fall. Er kniff nach seiner Gewohnheit
beim Nachdenken das rechte Auge ein und zwinkerte
mit dem linken „Überecks" nach dem Wirt, der
seinen großmächtigen, schlohweißen Bart mit den
Fingern kämmte.
„Wo 'naus denn, Freundchen?"
„Herzogshagen."
„Geschäfte?"
,,'n Geißchen kaufen."
„Bei wem denn?"
„Bei Seckel Anschel."
„Da nimm dich in acht! Der ist gerieben. Reib'
dir das Maulwerk erst mal gut ein, dann geht
der Kuddelmuddel 1 besser!"
„Jetzt net — wenn ich zurückkomm'."
„Laß dich net beschummeln! Denk an mich!"
„Werd' schon aufpassen."
So entkam er diesmal glücklich.
In der Stadt traf er's ganz nach Wunsch und
Willen. Seckel Anschel war zu Hause und hatte
zwei prächtige Schweizerziegen zum Verkauf stehen.
Bonaventura betastete die Geißen mit den Hand
griffen eines tierkundigen Bäuerchens und ent
schied sich bald für die mit dem größten und
straffsten Euter. Sie war „frischmelk". Nun ging
das Handeln los. Das Gezeter, Feilschen und
Sichverheißen^ dröhnte durch Stall und Hof.
Seckel war zäh, unnachgiebig und wollte von dem 1 2
1 Handel.
2 Beteuerung der Wahrheit unter Anruf Gottes-.
geforderten Preis nichts nachlassen. Bonaventura
verstand sich auch auf seinen Vorteil, und so feilschten
sie hartnäckig hin und her.
„Hast Kredit bei m'r," sagte Anschel, „kannst
bezahlen, wenn du's hast."
„Kauf' nichts auf Borg", lehnte Bonaventura ab.
Endlich wurden sie handelseinig. Weinkauf
tranken sie nicht, den wollten sie sich aufs kom
mende Frühjahr aufheben, wenn Seckel,die Felle
von den Lämmchen bekam, die die Geiß noch
werfen sollte.
Bonaventura war mit seinem Handel zufrieden,
bezahlte bar, zog mit der Geiß am Strick seines
Weges und dachte, wie seine Bürb ihn um das
schöne Tier gewißlich loben würde. So kam er
nach Arnsrode zurück. Der Schelmenwirt brauchte
seine Redekünste nicht aufzuwenden; denn Bona
ventura hielt es selbst für angebracht, den Handel
gelinde zu begießen, damit das Geißchen gut ein
schlage. Er stellte das Tier in die als Ausspann
dienende Stallung, deren Tür offen stand. Im
Halbdunkel des leeren Raumes sah er einige
Hühner im Stroh und in der Krippe nach Hafer
körnchen scharren. Gackernd und flügelschlagend
stoben sie vor ihm und dem Vierfüßler hinaus in
den Sonnenschein, Nun verfügte er sich in die
Schenkstube, bestellte „Kurzen", eine Kuhschelle 1
voll, und warf hin und wieder ein Wort in die
Unterhaltung. Die ging, wie in Dorfwirtshäusern
üblich, um Kauf und Lauf, um Sterben und
Freierei, Bankrottskrämer und Prozeßnarren,
bäuerliche Stammbäume und einheimische Rind
viehrassen. Dabei zog Bonaventura einen Runken
Brot aus der Kilteltasche und aß mit gutem
Hunger. Die Neige Branntwein tröpfelte er sorg
sam auf sein Brot, das er sich mit behaglichem
Schnaufen einverleibte. Doch an der harten,
schwarzbraunen Kruste versuchte er seine morschen
und brüchigen Zähne vergebens. Er bröckelte die
Brotrinde, raffte die Bröckchen in die hohle Hand
und ging. Im Hinausgehen kam ihm der Wirt
vom Hof entgegen.
„Nun, Bonaventura, so kurz angebunden heut?
Du trägst mir ja die Ruh aus'm Haus. Trink
erst noch eins auf dein stolzes Geißchen! Es gerät
besser. Ein wahres Prachtstück von Schweizergeiß
ist das ja!"
„Will zur Mittagssupp' daheim sein", erwiderte
Bonaventura und ging in den Stall. Er wunderte
sich, daß seine Geiß derweil so unruhig geworden
war. Er band sie los und zog weiter. Doch was
war das? Die Geiß wollte nicht mit ihm, ließ
sich zerren und ziehen und plärrte wie nicht recht
' 1 Kännchen 1) Schnaps.