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namen eines Heiligen. Bo—na—ven—-tu—ra
Rot —hä—mel! . Wie das klang . . . !
Die Mutter konnte sich gar bald der Einsicht
nicht verschließen, daß in ihrem Jungen kein Hei
liger mit mehr oder minder großem Glorienschein
stecke, sondern ein rechter, triebkräftiger, erdhafter
Mensch. Doch auch damit gab sie sich zufrieden.
Rur der Vater schalt ihn oft Träumer und Guck-
indiewelt . . . Ach ja, nun waren sie beide, Vater
imd Mutter, längst an der Wahrheit.
. . . Solch ein Guckindiewelt war Bonaventura
Rothämel auch heute, als alter Mann noch. Gft
blieb er stehen, lauschte dem tieftönigen Bienen
chor und atmete den mailichen Blütenduft. In
der Seele froh war er. Im Gehen sprach er mit
sich selbst, das heißt mit seiner reingestimmten
Seele — oder mit den leise rauschenden Bäumen,
streichelte den schrundigen Stamm eines Riesen
und sagte: „He, alter Bursch, blühst ja, daß sich
die jungen vor dir schämen müssen! Kein grünes
Fleckchen am Schopf, alles weiß, alles weiß! Alter,
blüh dich net tot!"
Weiter ging er. Was war denn das .. . ? Ei,
pfiff wohl gar, der alte Krauter? Jawohl, pfiff
sich ein Liedchen und schwenkte die Wacholdergerte
mit dem grünen Nadelbüschel an der Spitze durch
die Luft, daß es fitzte. Sorglos war er wie die
Lerche im blauen Himmel über grünen Roggen
feldern. Zaster 1 trug er in der Tasche, was ihm
nicht oft geschah. Und in der Stadt anlegen wollte
er sein sauer verdientes Geldchen. Aber nicht auf
der Sparkasse. Nein, bewahre! Ihm war so wohl
und leicht zu Mute, wie einem Hochzeiter ist, der
die Braut einholt. Denn er ging um nichts Ge
ringeres als — eine Geiß. Die wollte er kaufen.
Bei Seckel Anschel, den er scherzhafterweise seinen
Hofjuden nannte, standen zwei reinrassige Saanen-
ziegen feil. Die eine wollte er käuflich erstehen
und bar berappen, damit das Kleeblatt in seinem
Geißstall wieder vollzählig werde. Was das für
ihn zu bedeuten hatte, konnte nur der ermessen,
der wie er in einer Armutei aufgewachsen war.
Und in seinem Glücksgeftthl ging Bonaventura
Rothämel heute wie im Tanz den Kirschbaum
blütenweg entlang.
Vor ihm tauchte ein Dörfchen auf. Das war
Arnsrode. Bonaventura wurde einsilbig und un
lustig. Denn nun mußte er mit seinem Schatz
an einer Drachenhöhle vorbei, und da erging's
manch einem nicht gut. Diese Drachenhöhle war
das Wirtshaus „Zum dreifachen Schelm" an der
Dorfftraße zu Arnsrode. In der Leute Mund
hieß es kurzweg „die Schelmenburg" und der
Eigentümer „der Schelmenwirt". Das Wirtshaus-
schild zeigte eine lange Nase mit spottend aus
gespreiteter Hand davor. Das hatte er schon als
Junge belacht. Jetzt fiel ihm auch der angetrunkene
Schoppen ein.
Der Schelmenwirt war der Drache, den Bona
ventura zu fürchten hatte, zwar ein gutmütiger,
schnurriger Drache, dessen Schnurrpfeifereien man
gern anhörte imd belachte, wobei seine Schnäpse
und Schöppchen nicht übel schmeckten, aber um
so gefährlicher für arglose Leute, auch für Bona-
Ventura imb seine Barschaft. Denn einen guten
Trunk in fröhlicher Gesellschaft schlug er nicht aus,
und da er ein gefühlvolles Herz hatte, mit welchem
Übel Dichternaturen ja gemeiniglich behaftet sind,
so trug er seine Gedanken auf der Zunge wie
seine Groschen ans der Hand. Wenn er's trotzdem
zu einem kleinen Eigen gebracht hatte, so war das
weniger sein Verdienst als das seiner Eheliebsien
Barbara, geborenen Feldpusch, der es gelungen
war, den unpraktischen Träumer zu einem halb
wegs brauchbaren Menschen zu erziehen.
Durch seine lustigen Streiche und übermütigen
Possen war der Schelmenwirt allen Leuten im
Lande bekannt. Niemand entkam ihm ungerupft
und ungehechelt, ohne ihm deshalb zu zürnen.
Nicht Amt noch Würde schützten vor dem Witz
des Schelmen. Sogar der hochwohlgeborene Herr
Landrat entging diesem Schicksal nicht. Alle Welt
kannte den viel belachten Auftritt. Einmal näm
lich war der gestrenge Herr mit seinem Renn
gespann unversehens vorbeigefahren und entwischt,
weil er's mit seiner Fahrt von der Kreisstadt
irgendwohin sehr eilig hatte. Beinahe hätte ihn
der Wirt noch erwischt. Doch hörte er nur, wie
der Landrat, sich aus dem Wagen beugend, zurück
rief: „Heute abend, Herr Gasthalter! Auf der
Rückfahrt — Wiedersehn!"
Was tat nun mein Schelm von Wirt? Legte
sich auf die Lauer wie'n Ratz vors Hühnerhaus
und wartete bis tief in die Nacht hinein. Als auch
der letzte Gast die Tür in die Hand nahm, ging
der Wirt ins Bett, schlief aber mit keinem Blinz,
sondern horchte in das Dunkel hinaus.
Die „Wannerftonn" (Gespensterstunde) war
schon da, aber der landrätliche Wagen noch nicht.
Endlich hörte der Wirt Pferde herantraben und
Räder rollen. Aha, er kommt! Hurtig war er
aus dem Bettstroh und auf der Straße vor dem
Hause. Barhaupt, im blanken Hemd und in
Schlappen, den Besen in der Hand, sprang er dem
heranrollenden Gefährt in den Weg. Die Pferde,
die ja Gespenster eher sehen sollen, als dies
Menschen können, sahen die weiße Gestalt mit
ausgestrecktem Arm winkend am Wege stehen.
' Geld.