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Der Kurfürst von Hessen auf dem frankfurter fürstentag.
(15. August bis 2. September 1863.)
Von Bruno Jacob.
(Schluß.)
Am Abende des 17. fand im „Römer" das große
Festmahl statt, das die Stadt Frankfurt den Fürsten
gab.
Um 5 Uhr versammelten sich die Teilnehmer im
Bundespalais, und von hier aus erfolgte die Auf
fahrt zu dem um 6 Uhr beginnenden Bankett.
„Die Fürsten wurden in der Römerhalle von einer
Senatsdeputation empfangen, oben im Rondell von
dem älteren Bürgermeister, und sie traten dann
durch das frühere Wahlzimmer der deutschen Kaiser
in den Kaisersaal, der durch Kronleuchter und
Kandelaber glanzvoll erleuchtet war. Am Fenster
in der Mitte des Saales gerade unter dem Bilde
des Kaisers Joseph saß Franz Joseph, ihm zur
Rechten der König von Bayern, der König von
Hannover, der Kurfürst von .Hessen, zur Linken
der König von Sachsen, der Kronprinz von Würt
temberg, die Großherzöge von Baden, Weimar usw.
Gegenüber hatten die Senatoren Platz genommen 2 ^"
Die Speisenfolge lag auf einem für spätere Be
griffe äußerst schlichten Kartonblatte in Größe
21,5X13 cm vor, das nur mit dem Frankfurter
Adler geziert und in rotem Druck ausgeführt war.
Erst um 9 Uhr war das Festmahl beendet, dann
ward am Main das durch einsetzenden Regen etwas
beeinträchtigte Feuerwerk abgebrannt. Die Fürst
lichkeiten hatten indessen ihren Platz in der ehemals
kurfürstlich-hessischen Villa vor dem Untermaintore,
wo ihnen auch Kaffee serviert ward. In dem Ge
wächshause der Villa hatte die Gesetzgebende Kör
perschaft ihren Platz erhalten, ebenso die Presse
vertreter.
Am folgenden Tage, während der Kaiser am
nassauischen Hose zu Wiesbaden seinen Geburtstag
beging und König Johann von Sachsen nach Baden-
Baden zum König von Preußen reiste, fuhr der
Kurfürst nach Wilhelmshöhe zurück. In Frankfurt
fanden am 18. und 19. nur Besprechungen der
kleindeutsch-preußischen Minorität statt. Bis Gun
tershausen war die Fürstin von Hanau nebst Be
gleitung dem Kurfürsten entgegengefahren, und
als dieser am 20., wie schon mitgeteilt, wieder
nach Frankfurt reiste, begleitete ihn die Fürstin
bis Treysa. Nach Guntershausen hatte sie ein
Abteil 1. Klasse benutzt, während sie sich auf der
Fahrt nach Treysa und zurück eines eigenen Salon
wagens bediente. Vom 21. August bis zum 2. Sep
tember blieb der Kurfürst in Frankfurt, und erst
-o Schwemer III 2 , Seite 178.
vom 21. an empfing er dort, wie eine Verfügung
über die Auflegung von Einzeichnungslisten aus
weist.
Als in der Sitzung des 24. die Frage des Bundes
direktoriums angeschnitten ward, beteiligte sich der
Kurfürst auch wieder an der Debatte 21 , ebenso
ward er in dieser Angelegenheit zu einer vom Kaiser
einberufenen engeren Konferenz der Könige zugleich
mit dem Großherzoge von Hessen zugezogen 22 . Es
war dies eine Anlehnung an den Gedanken des
Schwarzenberg - Bruckschen Bundesreformprojektes
von 1850, wobei die 7. Direktorialstimme für beide
Hessen gemeinsam gedacht war 22 . Der Kaiser legte
in diesem Zusammenhange offenbar besonderen Wert
auf die Unterstützung durch Kurhessen, denn er er
suchte in persönlichem Gespräche den Minister Aboe,
bei Gelegenheit einer Tafel, auf den Kurfürsten ein
zuwirken.
Das Ergebnis der Beratungen war das von
.Herzog Ernst II. erwähnte Promemoria Österreichs
über die Schlußabstimmung. Die Behandlung dieses
Gegenstandes rief eine erregte Debatte hervor und
ein neungliedriges Komitee sollte sich über die
Form des Abschlusses des Fürstentages einigen.
Außer dem Kurfürsten von Hessen gehörten ihm die
Großherzöge von Oldenburg, Baden, Weimar und
Mecklenburg-Schwerin an, die Herzöge von Mei
ningen und Koburg sowie Bürgermeister Dr. Haller
als Vertreter der freien Stadt Hamburg. Den Vor
sitz führte der ehrwürdige König Johann von
Sachsen.
Noch am Abende des 29. tagte dieser Ausschuß im
Bundespalais und an den beiden folgenden Tagen
beim Könige von Sachsen. Das Ergebnis der sehr
erregten und anstrengenden Sitzungen war dann der
Entwurf der Abschlußerklärung, durch die die Fürsten
und Vertreter der freien Städte die künftige Ver
fassung Deutschlands unter Vorbehalt des Beitrittes
der nicht anwesenden Bundesfürsten annahmen.
Dieser Vorbehalt war ein Kompromiß zwischen der
österreichischen Auffassung, nach der alle Zustim
menden einen neuen Bund schließen sollten unter
Offenhaltung des Beitrittes für weitere Glieder, und
der kleindeutsch-preußischen, die namentlich der Groß-
«herzog von Baden vertrat, daß ohne Preußen über
haupt keine Beschlüsse gefaßt werden dürften. Die
von dieser Seite noch für Preußens Beitritt gestellte
21 Ernst II, Seite 324.
22 Beust, Seite 333.
22 Friedjung, Vorherrschaft I, Seite 4.