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Druck von Preußen her war der Fürst von Lippe-
Detmold ferngeblieben, Herzog Karl Alexander von
Anhalt-Bernburg lag im Sterben und der über
achtzig Jahre alte Landgraf Ferdinand von Hessen-
Homburg war seiner hohen Jahre wegen nicht ge
kommen.
Es ist hier nicht der Ort, ausführlich das Spiel
zu kennzeichnen, das Preußen durch seine von Bis
marck inaugurierte Politik dabei spielte; daß dieser
genau wußte,^ daß und warum er die Reform der
Bundesverfassung verhinderte, liegt aber aus der.
Hand. Trefflich formuliert der Frankfurter Historio
graph Schwemer 15 den Gegensatz der preußischen
und der Bundespolitik, zweier sich fremder Welten,
die damals aufeinanderprallten: „Gewiß war der
Bund als politische Institution gerichtet und ver
diente keine Verteidigung, aber von einer Seite
her besaß er einen Vorzug, der ihn den Grundsätzen
gegenüber, die die preußische Politik jetzt mehr und
mehr bestimmten, beinahe in idealem Lichte erschei
nen ließ: wenn die preußische Politik verkündete,
baß Macht vor Recht gehe, so war die
Bundesverfassung gewissermaßen die Kodifizierung
des Grundsatzes: Recht geht vor Macht."
Den Vorsitz der erlauchten Versammlung, der die
Aufgabe gestellt war, den Bund zu reformieren, -
führte ihr Einberuser, der jugendliche Kaiser von
Österreich. Alle Urteile stimmen darin überein, daß
er die Führung der Verhandlung fest in Händen
hatte. Der Koburger Herzog z. B. schreibt 16 : „Er
hatte am 17. August um 11 Uhr die Verhandlungen
und zwar sofort mit einer Gewandtheit und Sicher
heit eröffnet, welche uns allen die größte Achtung und
Zuversicht einflößte. Ich habe Beweise, daß in allen
europäischen Kreisen dieses Auftreten des Kaisers
eine ungemeine Verstärkung des moralischen Ansehens
Österreichs zur Folge hatte und für den Augenblick
selbst in Preußen hie und da Bedenken über die
Richtigkeit der eingeschlagenen Schritte hervorrief."
Es war das jenes Talent, das ein neuerer Beur
teiler Franz Josephs dahin zusammenfaßt 17 : „Er
hatte weder viel Güte noch viel Gefühl; aber, was
keiner ahnte, bewußten Stil und für diesen Stil
die feinste Unterscheidung. Er wollte der Gentle
man und der große Herr sein. Bis ans Ende
blieb sein Geist klar. Wer zu ihm kam, fand ihn
stets vorbereitet."
15 Schwemer III 2 , Seite 365.
16 Ernst II, Seite 307.
17 Zukunft 1919, Nr. 35, Seite 272.
Zunächst dem Kaiser hatten die Könige ü)te;
Plätze, ihnen folgten die übrigen Fürsten etwa nach
dem Regierungsalter. Des Kurfürsten von Hessen
Platz war infolgedessen, was auch der sonstigen Be
deutung des Landes entsprach, nahe den Königen.
An einem Nebentische saß Hofrat v. Biegeleben als
Protokollführer^. Der Kaiser begrüßte die erschie
nenen Fürsten, der König von Bayern dankte.
Zunächst begann die Verhandlung über demModus,
wie der König von Preußen zur Teilnahme zu be
wegen sei, und König Johann von Sachsen ward
als „Kabinetskurier", wie König Wilhelm sich aus
drückte, an diesen abgesandt. Ein bedeutenderes
Eingreifen des Kurfürsten von Hessen in die Dis
kussion fand nicht statt, er muß aber doch einmal
gesprochen haben, wie aus einer von Fröbel er
zählten Anekdote erhellt, die aus Kosten der schon
erwähnten Sprachweise geht 19 . „Der Großherzog
von Hessen (Ludwig III.) war gefragt worden, was
in der ersten Sitzung der versammelten Fürsten der
Kurfürst gesagt habe; „kommen Sie in die Ecke,
ich will es Ihnen anvertrauen" — hatte Se. Königl.
Hoheit geantwortet. „Brrlewrrlewrrle hat er ge->
sagt, und ich möchte nur wissen, wie es Herr
v. Biegeleben zu Protokoll gebracht hat." — Nach
Fröbels Angabe war der Fürst von Liechtenstein
der Übermittler der kleinen Anekdoten, wie auch die
Von Dr. Aurelio Büddeus redigierten lithogra
phischen „Kongreßberichte" für die Presse ihre pi
kanten Indiskretionen aus der erlauchten Ver
sammlung erhielten.
Nicht immer aber waren die Fürsten in der Ge
schäftsführung und Diskussion glücklich. So wie
der Vertreter von Bremen, Dr. Duckwitz, davon
spricht, daß er mehr als einmal habe eingreifen
müssen, wenn die Beratungen sich festzufahren droh
ten, und dafür ihm einmal ein besonderer Dankes
blick des Königs von Sachsen geworden, so berichtet
auch Aboe: „Der Kurfürst beklagte mehr als ein
mal die Abwesenheit der Minister bei den Dis
kussionen und.äußerte einmal: Ohne die Minister
geht es nicht."
(Schluß folgt.)
18 Biegeleben, Meysenbug und M. v. Gagern waren
jene drei Hesten, die damals in Wien zu den Haupt
trägern des großdeutschen Gedankens zählten. Über
Ersteren urteilte einmal Franz Joseph: „Biegeleben
ist im Ministerium des Äußeren noch der einzige Mensch,
mit welchem etwas anzufangen ist." (Über Biegeleben:
Allgem. D. Biographie II, Seite 620.)
i® Fröbel, Seite 261.