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kunst nach Kassel, und zwar ein von ihm gestochenes
Bildnis der Landgräfin Amelia Elisabeth, das schon
zu Hoffmeisters Zeit mit 309 Mark bezahlt wurde und
kürzlich auf einer Versteigerung etwa 6000 Mark ein
brachte. Außer diesem Blatt zeigte ec ein von Siegen
gemaltes, einem Herrn von Berlepsch gewidmetes Stamm
buchblatt vor und behandelte dann einige andere Ver
treter der Schabkunst in Hessen, wie den älteren und
jüngeren Quitter und die Brüder Hayd (Heid), von
denen er gleichfalls eine Reihe Bildnisse zeigte, wie
auch einen seltenen Kupferstich Wilhelm V. von Hon-
dius*. General Eisentraut legte eine Anzahl römi
scher Münzen vor, die Lehrer Dux in Mendorf (M.-
W. - B.) dem Verein geschenkt hat. Diese römischen
Silberdenare wurden im sog. Herrenwald am Goldborn
gefunden unweit der alten Heerstraße, die vermutlich
auch Germanikus auf seinem Vormarsch gegen Mattium
benutzt hat. Das hohe Alter dieses Weges geht auch
daraus hervor, daß die betr. Münzen einen Zeitraum
von 97—249 n. Chr. umspannen. Eine gleichfalls
von Herrn Dux geschenkte keltische Silbermünze aus
dem 3. Jahrhundert vor Chr. wurde auf der Wenigen-
burg bei Amöneburg gefunden. Nachdem Rechnungs
direktor W o r i n g e r aus dem Besitz des Regierungs
sekretärs Rudolf eine Denkmünze auf die Verfassung
von 1831 erklärt hatte, sprach Professor Dr. F u ck e l
unter Vorlage reichen Bildmaterials über die in letzter
Zeit aufgefundenen Jweindarstellungen, wobei er neben
den neuen, noch nicht ganz freigelegten Funden im
schlesischen Bober-Röhrsdors und' dem Maltererteppich im
Katharinenkloster in Freiburg i. Br. besonders auf
die Wandgemälde in dem an Schätzen der Vergangen
heit so reichen Schmalkalden einging. Schon 1862
wußte man, daß sich dort im Keller des prachtvollen
„Hessenhofes" Wandgemälde befanden, deutete sie aber
aus das Leben der heiligen Elisabeth, die sich in Schmal
kalden von ihrem ins heilige Land ziehenden Gemahl
verabschiedet haben soll. Erst Senator Dr. Gerland
in Hildesheim, der sie teilweise veröffentlichte, hat sie
zuerst richtig als Darstellungen aus dem Minneroman
Hartmanns von Aue erkannt, bis sie dann von dem
Jenenser Professor Dr. Weber neuerdings herausge
geben uno kommentiert wurden. Dieser verlegt sie ins
13. Jahrhundert, wo sie vermutlich einer der Vögte
Landgraf Hermanns von Thüringen im Erdgeschoß
des wohl um 1200 erbauten Hessenhofes anbringen ließ.
Ein Teil der Jweinbilder ist bekanntlich in unserem
Landesmuseum dargestellt.— Über ein auch in Hessen gänz
lich vergessenes Buch sprach hierauf Rechnungsdirektor
W o r i n g e r , nämlich das 1826 in Kassel erschienene
zweibändige Werk von H. A. Eh. von Egloffstein „Der
neue Hessische Robinson, oder merkwürdige Abenteuer
eines Casselaners". Die beiden Bändchen gehören zu
den zahlreichen Nachahmungen des 1719 in London
erschienenen „Robinson Crusoe" Daniel Defoe's. Er
schildert den abenteuerlichen Lebensgang eines jungen
Kasselaners Ludwig Milde, der bei einem Hamburger
Kaufmann Ackermann die Handlung-erlernt, von diesem
nach Ostindien geschickt wird, unterwegs bei einem
Schiffbruch als einziger an den Strand einer unbe
wohnten Insel geworfen wird, hier ein behagliches
Leben führt, bis nach Jahresfrist ein Engländer Hut-
son mit Sohn, Tochter und Dienstmagd aus der Insel
scheitert. Durch Heiraten und weitere Zuzügler hat
die Insel schließlich fast 400 Einwohner und enthält
eine Zuckersiederei und Baumwollenmanufaktur. Vier
' Vgl „Hcssenland" 1891 S.66ff.: Gundlach, Franz. Ludwig
von Siegen zu Sechten, Landgräflich Hessen-Kasselischer Oberstlieute
nant, der Erfinder der sog. Schwarzkunst.
Dörfer werden gegründet, Plantagen angelegt und zahl
reiche Erzeugnisse ausgeführt. Nach dem Tode seiner
Frau sucht Milde seine Heimat Kassel auf und hei
ratet eine Hessin, mit der er zu seiner Insel zurück
kehrt, wo er schließlich als Gouverneur der Insel 67-
jährig stirbt. Der Verfasser H. A. von Egloffstein war
zu Anfang des 19. Jahrhunderts englischer Offizier
in Diensten der ostindischen Kompagnie und zog 1814
nach Fulda. Er hat außer verschiedenen anderen Schrif
ten auch einen holländischen Robinson verfaßt. —
Zum Schluß übermittelte der Vorsitzende General
E i s e n t r a u t den Mitgliedern eine Einladung des
Kasseler Handels- und Gewerbevereins zu einem am
9. Februar stattfindenden Vortrag des Bezirkskonser
vators Baurat Dr. Holnneyer über „Handels- und
Gewerbestätten im alten Kassel"*. — Am 26. Januar
hielt Oberst,z. D. v. Geyso im Marburger Ge
schichtsverein einen mit großem Beifall aufgenommenen
Vortrag über das Thema: „Nach Gustav Adolfs Tode,
zwei Monate hessischer Politik und Kriegführung im
ersten Weltkriege", durch den die vor einem Jahrzehnt
der Öffentlichkeit bekannt gegebenen Forschungen des
Redners über die Landgrafen Moritz und Wilhelm V.
glücklich fortgesetzt werden. Die Hauptgedanken des
Vortrages, der sich auf jahrelange, mühsame Aktenarbeit
im Marburger Staatsarchiv stützte, seien hier mitgeteilt.
In dem ersten großen Weltkriege unserer Geschichte
handelt es sich im wesentlichen um eine große gemein
same Offensive des habsburgisch-spanischen und des
habsburgisch-österreichischen Imperialismus, die sich auf
die Geistesmacht der römischen Kirche und das Polen-
tum stützte, gegen die Niederlande, Schweden und die
protestantischen Reichsstände in Nord- und Südwest-
Deutschland richtete, Deutschland zum Kriegsschauplatz
machte und die französische und englische Weltherrschaft
begründete. Bei der großen Auseinandersetzung, die
durch das Eingreifen Gustav Adolfs im Sommer 1631
in ihr entscheidendes Stadium getreten war, gab es für
Hessen keine Neutralität. Es handelte sich für dieses
um einen Kampf für seine Existenz, für Haus und
Herd. Der damalige Landgraf, 'der 28 jährige Wil
helm V. (1627 bis 1637), war ein wahrhaft frommer
Mann; ein unerschüttertes Gottvertrauen verlieh ihm
höchste Entschlossenheit und Tatkraft, aber auch durch
Einsicht, Weitblick und Duldsamkeit erhob er sich hoch
über den Durchschnitt der damaligen Fürsten. Unter
ihm hat die Politik und die Kriegführung des kleinen
Hessens für den Verlauf des 30 jährigen Krieges eine
Bedeutung gewonnen, die eine Ausnahmeerscheinung
in der Geschichte kleiner Staaten ist und nur möglich
war in den Zeiten, in denen das Heerwesen auf dem
Söldnertum und die Kriegführung auf dem sogenannten
Kontributionssystem beruhte, also nicht auf der mili
tärischen Leistungsfähigkeit des eigenen Landes, son
dern aus der Energie und dem Organisationstalent,
mit dem der Kriegsherr oder seine Organe die Hilfs?
mittel anderer Gebiete, feindlicher oder neutraler, plan
mäßig auszunutzen verstanden. Der Landgraf wartete
nicht ab, bis die durch den Tod Gustav Adolfs (16.-11.
1632) entstandene Krisis einigermaßen überwunden war.
Er versammelte Anfang Januar seine Truppen in der
Gegend von Frankenbcrg, erschien plötzlich, sich wie ein
Keil zwischen die in weiten Winterquartieren zwischen
Weser und Rhein liegenden Gegner treibend, in der
Gegend von Dortmund und setzte sich in den festen
Städten des westlichen Münsterlandes (Dorsten, Koes-
feld, Recklinghausen, Borken) fest. Diese ebenso kühne
* Bericht über diesen Vortrag folgt im nächsten Hest.