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Und nun erst gar der Schluß „Minna Magdalena".
In cauda venenum. Prosessorsleute glauben, ihre Minna
sehe Mutterfreuden entgegen, laßen deren Vater kom
men und bereiten ihn vorsichtig auf seines Hauses
kommende Schande vor. Schließlich stellt sich heraus,
daß Minna unschuldig verdächtigt worden ist. Bis zu
dieser Aufklärung schwelgt der Dichter aber geradezu
im kaum Zweideutigen. Man braucht kein Tugendbold
und kein Puritaner zu sein, um schon aus diesem Grunde
das Stück zu peryorreszieren. Aber diese minimale
Handlung — die allerdings Frau Berend-Groa Ge
legenheit gab, wieder einmal als Gast zu erscheinen —,
diese — vielleicht an einem Kegelklub - Junggesellen
abend — angebrachte Sprache, dieses absolut unkünst
lerische Stück gehört nicht auf unsere Bühne. Kennt
deren Leitung wirklich nichts Gescheiteres, Besseres,
Dramatischeres, Künstlerischeres aus der zeitgenössi
schen Literatur als „Liselotte" und „Nachtbeleuch
tung"? Ist das der glorreiche Aufschwung des
Theaters? Ist dieses nun eine wirkliche Kunst-
stätte? Ist es etwa besser, reichhaltiger, kulturver
breitender als früher? Der die Stücke ausgesucht hat,
mag das vielleicht meisten. Aber nur e r allein.
H.. B l u m e n t h a l.
Aus Heimat und fremde.
Hessischer G e s ch i ch t s v c r e i n. Am Herren
abend des Kasseler Vereins am 5. Januar setzte
zunächst Geheimer Studienrat Dr. S ch a n tz seinen
Vortrag über die hessische Familie Schantz fort. Wie
der zuletzt behandelte Hans Kurt Schantz waren auch
dessen jüngere Brüder Kriegsleute. So auch der Kapi
tänleutnant Christian Schantz, der mit den von Land
gras Karl dem Kaiser zu Hilfe geschickten Truppen nach
Ungarn zog, aber krank zurückkehrte und 1699 in Kassel
begraben wurde. Ein anderer Bruder, Johann Niko
laus, 1641 geboren, wurde Schneider und später
in Kassel als Bürger aufgenommen, wo neben Hans
Kurt auch noch zwei jüngere Brüder als Offiziere leb
ten. Sein einziger Sohn Nikolaus, mit einer Tochter
der reichen Familie Schönau verheiratet, war Pfarrer
in Morschen. Der älteste Sohn des Hans Kurt, Niko
laus Christian, starb als Hofgerichtsrat 1729 in Mar
burg. Seine Gattin, eine geborene Schiller, ließ ihm
einen Grabstein mit dem Schantzschen Wappen (Rabe
bzw. Taube mit Ring im Schnabel) setzen, der jetzt in
der dortigen reformierten Kirche aufgestellt ist. Der
andere Sohn Hans Kurts, Claudius Petrus, zweiter
Bürgermeister von Kassel, blieb Junggeselle und er
richtete in seinem Testament das bekannte Schantzsche
Familienstipendium. Der älteste Sohn des Morschener
Pfarrers, der Adjunkt bei seinem Vater war, starb
früh; der zweite, Gideon, Weihnachten 1701 geboren,
war Rentmeister in Frankenberg und dann Kammer
rat in Marburg, wo er, >veil die Stadt die Kriegs
steuer nicht bezahlen konnte, im siebenjährigen Krieg
eine Zeitlang von den Franzosen in Straßburg gefangen
gehalten wurde. Seine Söhne wurden alle Juristen;
der dritte, Theobald, war Bürgermeister in Marburg,
der jüngste, Johann Georg, ließ sich 1769 als Rechts
anwalt in Kassel nieder, ging aber 1776 mit den
hessischen Truppen als Auditeur nach Amerika, ver
heiratete sich in Halifax mit der Tochter eines reichen
Kaufmanns, die ihm 1783 mit einem schwarzen Diener
und kostbaren Schmucksachen nach Kassel folgte; später
war er Amtmann in Treysa, wo er 85 jährig 1827
sein vielbewegtes Leben beschloß. Sein zweiter Sohn
Christian, ein Forstbeamter, zog mit den hessischen
Jägern nach Rußland, wo er seit der Schlacht an der
Beresina verschollen blieb. Theobalds ältester Sohn
Gideon, Ehrendoktor der Marburger Universität, war
Metropolitan in Ziegenhain, wo er 1834 starb, sein
Bruder Johann Georg Friedrich starb als Aktuar in
Neukirchen. Der älteste Sohn Johann Georgs, James
(der Großvater des Redners), studierte in Marburg die
Rechtswissenschaften, wurde aber dann aus Neigung
Förster und 1848 in Fürstenhagen von einem Wild
dieb in der Blüte seiner Jahre erschossen. — Professor
Dr. Fuckel kam noch einmal aus die Angelegenheit
der Bonifatiuseiche zurück und faßte abschlie
ßend alle gewichtigen Gründe zusammen, die für Bei
behaltung der bisherigen wissenschaftlichen Auffassung
und gegen die Annahme Dr. Schäfers sprechen, daß
Hofgeismar als Örtlichkeit der Donareiche angesehen
werden müsse. Zuletzt verwies er nachdrücklich auf
das schriftlich vorliegende Zeugnis des Geheimrats Pro
fessors Dr. Edw. Schröder in Göttingen, der seinen
Standpunkt vollständig teilt. Auch er erklärt das
„Oratorium" in Geismar als „ganz primitives, auf
der Stelle errichtetes Bethaus, Oratorium", und hält
die erst 1290 bezeugte Peterskirche zu Hofgeismar für
„zu allen Zeiten ziemlich bedeutungslos", zu der von
Dr. Schäfer künstlich ein tieferer historischer Hinter
grund geschaffen werden solle. Das Geismar des Wili-
bald muß nach ihm innerhalb der Ho88i gesucht wer
den, nicht aber auf sächsischem Boden. Solcher aber
sei Hofgeismar, das unzweifelhaft auf altem nieder
deutschen, nichthessischen Boden liege. Mit diesem Ur
teil eines hochgeachteten Fachmannes und Kenners der
hessischen Geschichte dürfe die- Angelegenheit wohl als
abgeschlossen gelten und Hofgeismar endgültig als Ört
lichkeit der Bonifatiuseiche ausgeschaltet werden. Es
bleibe nach wie vor die Wahl zwischen Geismar bei
Frankenberg und Geismar bei Fritzlar, von denen das
zweite die größere Wahrscheinlichkeit für sich bean
spruchen dürfe. (Siehe auch den Aufsatz in dieser
Nummer.) — Zum Schluß hielt Rechnungdirektor Wo
rt n g e r einen ausführlichen Vortrag über das K g l.
westfälische 9. Linien-Jnfanterie-Regi-
ment, dessen Bestehen selbst einem der besten Kenner
der westfälischen Heeresgeschichte, dem verstorbenen Sani
tätsrat Dr. Schwarzkopf, unbekannt geblieben war.
Das in Braunschweig, wo auch sein Depot verblieb,
gebildete Regiment hatte dieselbe Uniform wie die
übrigen Linien-Regimenter, Tschakos, weiße Röcke mit
blauen Kragen und Aufschlägen, weiße Westen und
Beinkleider. Redner gab zunächst eine vollständige Rang
liste des Regiments, das einen ganz deutschen Charakter
trug. Im Mai 1813 wurde es nach Magdeburg ver
legt, da das Vorrücken der Russen und Preußen das
Königreich Westfalen bedrohte und diese Festung des
halb unbedingt gehalten werden mußte. Die Stärke
des Regiments wird kaum jemals über 1200 Mann
betragen haben; es waren höchstens 19 Jahre alte^
nur wenig ausgebildete Rekruten. Napoleon beabsich
tigte, dem Vordringen der Verbündeten mit einem
großen Schlag ein Ende zu machen. Er selbst blieb
deshalb gegen deren Hauptarmee bei Görlitz stehen,
während Marschall Oudinot von Süden her und Da-
vout von Hamburg her gegen Berlin vorrücken sollten.
Ein Korps unter General Girard sollte von Magde
burg aus gegen Brandenburg vorgehen und die Ver-