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,,'n Tag» Kasper!" erwiderte Bonaventttra den
Gruß. „Da bist du ja auch."
„Wie du siehst — ja."
„Hab' heut' schon mal n Stück von dir gesehn."
„Du! — 'n Stück von mir! Ei, wo denn?"
„Im Hänflingsnest am Roderain."
„Der Dausig noch 'nmal!" rief der Buermeister.
„Strohkasper im Hänflingsnest! Bonaventura hat
t»cn Strohkasper im Hänflingsnest gesehn! Das
muß gemalt werden, ihr Leut'!"
Der Schelldorfer Buttermann ließ ein fettes,
unflätiges Lachen hören.
„Lach net so dreckig!" sagte Bonaventura.
„Wenn du lachen willst, lach wenigstens so, daß
es anzuhören ist!"
„Strohkasper im Hänflingsnest! Der wollt' wohl
brüten!" schrie der Buttermann.
„Tut doch die Ohren auf!" brummte Bona
ventura. „Ein Stück vom Strohkasper hab' ich
heut' im Hänflingsnest gesehn. Das hab' ich gesagt
und nischt anders."
„Wie ist das möglich!"
„Das ist schon möglich. Im Dornbusch am
Roderain ist 'n Hünflingsnest mit Jungen. Und
das ist aus 'm Strohkasper seinen Haaren gebaut.
Wer 's net glaubt, geht hin und guckt und bezahlt
'neu Taler!"
„Wir glauben's. Du wirst dem Strohkasper
seine Wolle schon kennen."
„Was willst dir denn nun eigentlich mit deinem
Geißbock anfangen?" sprang der Buermeister vorn
Gespräch ab mrd aufs erste zurück.
„Bald ist Kirmes", krähte der Schelldorfer
Butlermann. „Da rvird er 'nen Kopf kürzer ge-
rnacht und schnabeliert. Net wohr, Bonaventura?"
„Allernoal!" stirnmte der Fuhrknecht bei und
hub zu singen arr:
„Hüt es Kermes, nrorn es Kernres.
Doa schlacht t min voater 'n Bock.
Doa danzt de ahl Mari-e,
doa danzt de ahl Mari-e
en ihrem rode Rock — juch!"
„Das gibt aber 'nen Kirmesbraten, Bonaverrtnra!
Der wird gut", foppte der Buermeister.
„Davonsoll euchkeinFleisch in den Zähnen hängen
bleiben", sagte der Gehänselte in großer Gelassenheit.
„Und dann schwenkst du doch auch deine Alte,
die Bärb, noch nmal im Kirmestanz 'rum!" fuhr
der Buermeister fort mit seinem Uz.
Neue Lachsalven erschütterten die Leiber. Bona
ventura hielt es für gut, das Feld zu räumen und
wollte sich stillschweigend hinausmachen.
Aber das Dorfoberhaupt, das sich gern an ihm
rieb, rief: „Wo willste denn schon hin. Kommst
noch früh genung zo diner ahle Bißzang. Die wird
dir die Leviten lesen!" '
„Ihr meint, es ging meiner Bärb wie jener
Buermeisterschen", sagte Bonaventura von der
Tür her.
„Na, und wie ging's denn der? Nur net so eilig!"
„Wie's der ging?" Bonaventura tat, als brenne
ihm der Boden unter den Füßen, ,,'n andermal,
Buermeister!"
„Nein, Bonaventura, jetzt! — Aufgepaßt!"
unterbrach er die lebhafte Unterhaltung der andern.
„Der Geißbockhändler gibt was zum Besten, 'ne
Schnurre. Da gibt's was zu lachen."
„Aber auf eure Kosten, Buermeister."
„Schad't nischt! Hanptsach' ist, daß me moal
gelach könn."
„Aber wenn's nachher net schmeckt, zieht ihr
'n schief Maul."
„Da irrst du dich!"
Nun erzählte Bonaventura:
„Es war ein Dorf im Alsfeldischen drüben.
Da trieb der Viehhirt abends heim. Der Gemein'-
Gchs war auch derber. Und als sie missen im
Dorf vor Buermeistersch Hof sind, da bleibt auch
der Gchs stehn und brüllt: Hanjooost! Hanjooost!
Hanjooost!"
Schallendes Gelächter unterbrach den Erzähler,
der das Brüllen des Bullen täuschend nachahmte,
das „a" in tiefster und das „o" in höchster Stimm
lage sprach, daß es fast wie Hanjuuust klang.
„Noch emoal! noch emoal!" riefen die Bauern
und schüttelten sich vor Lachen.
„Hanjooost! Hanjooost! — Und weil nun der
Buermeister Hanjost hieß, glaubte die Buermeister-
schen, der Brttllochs hätt' ihm gerufen. Also macht
sie das Fenster auf und sagt zu dem Brummel-
ochs, der sie dumm anglotzt: ,Woas willste denn?
Er ist net derheim. Geh onne!' Aber was tut
mein Gchs?. — er bleibt stehn und murmelt:
mhmhmhm ... ,Dummes Tier!' schilt die Bller
meisterschen aus 'lll Fenster auf die Gaß, ,was
haste noch se brummeln! Du bist net mehr wie
mein Mann auch: 'n Gemeine-Diener und sonst
nischt.'"
Dell letzten Satz spitzte Bonaventura etlvas zu,
so daß er wie ein Pfeil den Buermeister traf, der
sich aber nicht so hart getroffen fühlte, sondern
nach dem Grundsatz von der guten Miene beim
bösen Spiel in den tosenden Lachsturm einfiel ulld
sich lachend den widerhakigen Pfeil aus dem Pelz
schüttelte.
„Donnerwittchen!" schrie der Strohkasper und
schlug sich klatschend auf den Schenkel. „Donner
wittchen!"
„Blattschuß!" sagte der Förster.
„Trumpf Aß! Das war aber'n Stich!" lachte
der Wirt.