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„Du glaubst's nit? Den Faden hat er ver
loren, aber ich kenn' ihn genau, das Höllchen am
Kopf und die Lücke im Schwanz — als ich ihn
fing,„gingen ihm da zwei Federn aus." —
Über dem armen Hans vergaßen wir, wo wir
waren, setzten uns auf ein Bund Stroh, und der tote
Vogel ging aus einer Hand in die andere. „Nun
hab' ich ihn selber totgedrückt", klagte er sich an
und hob ihn an seine Wange. Aber dann sagte er:
„Komm!" Und wir fanden ungehindert den Ausweg.
Dafür, daß uns der Hannes aus unserm Ge
fängnis errettet hatte, sollte er ein ehrlich Begräb
nis haben. Hinter der Totenhofshecke, wo eben
die wilden Rosen aufsprangen und im Rasen die
schneeweißen Mieren und lilablauen Gundelreben
ihren Blütensonntag feierten, haben wir ihn be
stattet. Von seinem Grabe aus sahen wir einige
Wochen später den Verwalter auf der Mähmaschine
sitzend seine bezwingenden Kreise um einen Gersten
plan ziehen. —
-chS-tzch-
Daheim zu Gast.
Du wirst dein Haus wie sonst bereitet finden, —
Ein starker Sommer hat sein Werk vollbracht:
Am alten Burgtor blühen schon die Linden
Und spenden Balsam der beseelten Nacht,
Die grüne Wildnis, dichter stets gesponnen,
Hat führen Trost und bess're Wonnen
Als alle Weisheit dieser Welt erdacht. —
Ganz fern im Blauen ahnst du d-ine Berge! —
Nimm hin und sei aufs neu Besitzergreifer,
Aus deines Weibes Händen nimm es hin!
Uns blüh' ein Segen schöner nur und reifer
Und jeder Tag sei köstlicher Gewinn!
Es wohnen Traum und Leben eng beisammen
In deinem Land, aus dem die Träume flammen,
Darin ich nun, wie du, zu Hause bin. —
Ich kann dir deiner Jugend Wege weisen. —
2 .
Da bin ich wieder — ist es Wahrheit?
at denn hie Welt noch solche Statt
oll Nuhe und vollkommner Klarheit,
Als stieg ich in ein duftend Bad! —
Dies ist nun mein — mein sind die Felder, —
In goldnen Haufen steht das Korn, —
Mein ist der Glanz der weiten Wälder,
Der Blumenanger, Bach und Born.
Es düstet wie nach Einsamkeiten,
Nach Lindenblüt' und Wiesenkraut.
Die Segler haben wie vor Zeiten
Ihr Nest im Mauerschlupf gebaut.
Im feuchten Hof.die beiden Böller
Mit drohend aufgerecktem Rohr.
Des Nachts das Mondlicht auf dem Söller,
Und Grillenzirpen zart im Ghr.
Berlepsch.
Die Birke auf begrünter Mauer
Hält immer noch dem Weller stand,
Durchzittert von des Abends Schauer
Blickt sie, die höchste, über Land.
Die alte Turmuhr rüst die Stunden
Und dennoch ruht die Zeit verträumt,
Von aller Schwere sanft entbunden,
Von Wald und Bergen groß umsäumt.
Ich finde in vergilbten Briefen
Verwundert halb und halb erschreckt,
Aus Worten, die so lange schliefen,
Mein eignes Wesen aufgedeckt. —
Von jungen Schritten hallt die Diele,
Die meiner Väter Fuß gefühlt.
Und meiner beiden Knaben Spiele,
Dieselben sind's, die wir gespielt. —
Wir tragen vieler Ahnen Leben,
Wir leben ihre Not und Lust,
Es hat sich nichts und nichts begeben.
Was andere mcht vor uns gewußt! —
3.
Das Lied der Arbeit laß uns singen,
Wir wollen dem Bergland Brot entringen!
Leg in den Sand, den roten
All die vollen
Draunglänzenden Knollen!
Dort sollen goldgelbe Früchte reifen
Und dort die rankenden Schoten
Um buschige Reiser greifen,
Dort aber — dort sollen Rosen stehn: —
Rosen in ganzen dichten Hecken,
Drin sollen die Vögel ihr Nest verstecken
Und sollen uns abends singen
Von heißem Ringen und sel'gem Gelingen, —
Dort sollen Rosen stehn.
Karl von Berlepsch.
Aus Heimat und Fremde.
Hessen-Nass auifches Wörterbuch, über
das Arbeitsjahr 1918 schreibt Professor W r e d e - Mar
burg in den Sitzungsberichten der Preußischen Akademie
der Wissenschaften vom 23. Januar 1919 u. a.: Mit
der Bewilligung einer jährlichen Beitragssumme durch
den Kasseler Landesausschuß, die im vorigen Jahres
bericht mitgeteilt werden konnte, ist zur Bearbeitung
und Herausgabe des Wörterbuchs ein neuer Vertrag
zwischen der Akademie, dem Nassauischen Bezirksverband
in Wiesbaden und dem Hessischen Bezirksverband in
Kassel nötig geworden und abgeschlossen. Die Wörter
bucharbeit ist danach der Fürsorge und Leitung eines