Full text: Hessenland (33.1919)

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einleitenden Worten des Vorsitzenden der erstgenannten 
Vereinigung Geheimrat Professor Dr. Richarz sprach 
Archivdirektor Geheimrat Dr. K ü ch über „Vorgeschicht 
liche Siedelungen in der Umgebung Marburgs" und gab 
zugleich einen Bericht über die durch den Geschichts 
verein unter Leitung von Professor Dr. Wolfs uirter- 
nommenen, aber auch durch die Naturwissenschaftliche 
Gesellschaft und einige Privatpersonen in dankens 
werter Weise unterstützten prähistorischen Forschungen 
während der Jahre 1915—18. Der Vortragende knüpfte 
an zwer Fälle an, in denen sich auch die Naturwissen 
schaften in Marburg mit solchen Problemen beschäf 
tigt hatten. In dem einen, fünfzig Jahre zurück 
liegenden handelte es sich um den sog. „Opferstein" 
(die „Milch- und Weckschüssel") bei Moischt, im andern 
um eine eisenzeitliche Siedelung vor Ockershausen, die 
vor etwa zwölf Jahren entdeckt wurde. Nachdem dann 
die geologischen Vorbedingungen für die Besiedelung 
namentlich auf der linken Lahnseite skizziert waren und 
auf die Bedeutung der basaltischen Erhebungen des 
Frauenbergs und des Stempels als Zufluchtsstätten 
(Fluchtburgen) hingewiesen war, wurden zunächst die 
prähistorischen Wege behandelt, vor allem der Fernweg 
der Weinstraße (—Wagenstraße) auf der Westseite der 
Lahn und der bei Fronhausen von ihm abzweigende, 
über Bellnhausen und das Ebsdorfer Köpfchen dem 
Ostrande der Lahnberge entlang nach Norden ziehende 
sog. Balderscheider Weg, in dessen Umgebung haupt 
sächlich sich die vorgeschichtlichen Siedelungen und Grab 
stätten befinden. An der Hand zahlreicher Lichtbilder 
die z. T. auf sehr anschaulichen Zeichnungen des Vor 
tragenden beruhten, churden dann die Resultate der 
Ausgrabungen besprochen und zwar zunächst die stein 
zeitlichen Wohnhütten bei den Frauenberghöfen, dann 
die Grabhügel und Urnenfelder aus der Bronze- und 
Eisenzeit. Ein näheres Eingehen auf diese für die Be 
siedelungsgeschichte unserer engeren Heimat bedeutsamen 
Funde kann! hier um so eher unterbleiben, als in 
dem demnächst erscheinenden 52. Bande der Zeitschrift 
des Geschichtsvereins der hochverdiente Leiter der Aus 
grabungen eingehender darüber berichten wird. 
Marburger Hochschulnachrichten. An dem 
für Kriegsteilnehmer eingerichteten Zwischen-Semester 
(Kriegsnotsemester 1919) nehmen 1290 Studierende teil, 
und zwar in 'der theologischen Fakultät 80, in der ju 
ristischen 165, in der medizinischen 190, in der philo 
sophischen 430. — Das Kultusministerium forderte in 
einem Aufruf an die akademische Jugend diese auf, sich 
freiwillig der Regierung zum Waffendienst zur Ver 
fügung zu stellen. Im Schluß heißt es: „Schulter an 
Schulter mit Euren Altersgenossen aus dem Arbeiter- 
stande sollt Ihr jungen Akademiker der Regierung Hel 
sen, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Keine Kennt 
nisse und keine Examina können Euch nützen, wenn die 
Staatsordnung sich auflöst, in der Ihr Euch betätigen 
wollt. Blickt nicht auf die, die sich in der gemeinsamen 
Not bei Seite drücken, blickt auf die, die vorangehen. 
Tretet ein in die Freiwilligenverbände. Schützt das 
bedrohte Kulturerbe Eurer Väter, rettet Eure eigne 
Zukunft, helft, deutsche Jugend!" — Das Landes 
schützenkorps, Kommandeur General von Roeder, beab 
sichtigt, aus den Studenten der hiesigen Universität 
eine Studenten-Kompagnie aufzustellen. 
Die Kasseler Gemälde der Petersbur 
ger Eremitage, die seiner Zeit nach Moskau ge- ■ 
bracht wurden, sind, nach d en letzten Berichten, noch 
unversehrt. Die Hoffnung sie zurückzuerhalten, dürfte 
> auf Grund der augenblicklichen Lage aufgegeben werden 
müssen. Auf eine von unserer Redaktion an das aus 
wärtige Amt gerichtete Anfrage erhielten wir folgende 
Antwort: 
„Berlin, den 20. März 1919. 
Die Verhandlungen, die seiner Zeit mit der Rusft- 
schen Regierung über die Rückgabe der aus der Kasseler 
Galerie stammenden, jetzt in der St. Petersburger 
Eremitage befindlichen Gemälde geführt worden sind, 
haben infolge der Entwickelung der politischen Ver 
hältnisse nicht fortgesetzt werden können; es läßt sich 
auch einstweilen nicht übersehen, wann ihre Wieder 
aufnahme möglich sein wird. 
Auswärtiges Amt." 
Der Hessische Volksschullehrer-Verein 
sah am 15. Februar auf ein 50 jähriges Bestehen zurück. 
P e r s o n a l ch r o n i k. Der 1878 zu Kassel ge 
borene frühere Vertreter der Kunstgeschichte an der Uni 
versität Breslau Professor Or. Wilhelm Pinder, 
der am 1. Mai einem Rufe an die Straßburger Uni 
versität folgte, wurde nach Breslau zurückberufen. — 
Der Bibliothekar an der Universitätsbibliothek in Halle 
a. d. Saale Or. zur. Wolfram Suchier wurde 
zum Direktor der Stadtbücherei in Erfurt gewählt. Gr 
war seit 1902 Hilfsbibliothekar in Marburg und kam 
von da 1915 als Bibliothekar nach Halle. — Zum 
Bibliothekar an der Ständischen Landesbibliothek zu 
Fulda wurde der bisherige Archivdirektor in Metz 
Or. Aloys Ruppel gewählt. 
Seinen 8 0. Geburtstag beging am 2. März 
in Frankfurt a. M. der letzte kurfürstliche Husarenoffizier 
Generalmajor Friedrich Wilhelm Sigmund 
Karl v. Bardeleben. Er wurde 1839 in Kassel 
geboren als Sohn des damaligen Rittmeisters in der 
Kurhessischen Garde du Korps und späteren Komman 
deurs des 1. Leibhusarknregiments. Ein Vierteljahr 
hundertelang gehörte auch der Sohn diesem Regiment, 
dem späteren Husarenregiment Nr. 13, an. 1870 führte 
er die 2. Eskadron bei Wörth und Sedan. 1890 trat 
er an die Spitze der 30. Kavalleriebrigade in Straß 
burg, wo er 1893 Generalmajor wurde. Zwei Jahre 
später trat er in den Ruhestand und siedelte nach Frank 
furt über, wo er sich sportlichen Interessen und schrift 
stellerischen Arbeiten widmete. 
Todesfälle. Am 14. Februar verschied zu Kassel 
im fast vollendeten 77. Lebensjahr der Metropolitan 
a. D. Ferdinand Riebeling. Er war am 
18. Februar 1842 in Neukirchen im Kreis Ziegenhain 
als Sohn des dortigen Pfarrers geboren, besuchte das 
Gymnasium zu Marburg, wo er auch seinen theologischen 
Studien unter Vilmar oblag. Seine erste Pfarrstelle 
war die Patronatsstelle Mansbach im Kreise Hünfeld, 
danach wurde er Nachfolger seines Vaters in Zella, 
Kreis Ziegenhain, und war seit 1883 Pfarrer in Wolfs 
anger, wo er als Metropolitan die Geschäfte der Pfarrei 
klasse Ahna führte. Hier trat er 1908 in den Ruhe 
stand und lebte seitdem in Kassel. Riebeling war ein 
ausgezeichneter Kenner des hessischen Volkstums und hat 
durch seine Vorträge und Aufsätze unsere Kenntnis auf 
dem Gebiet der hessischen Volkskunde erheblich erweitert. 
Sein besonderes Interesse galt dem evangelischen' und 
hessischen Kirchenlied, und er beherrschte die Melodien 
der Kirchenlieder bis in die feinsten Unterschiede hinein. 
Zu Hamburg, wo er seit 1907 lebte, starb am 14. Fe 
bruar der Landesbibliothekar a. D. vr. F r i tz S e e l i g.
	        
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