Full text: Hessenland (33.1919)

nadj dem Brunnen kamen. Es war ja damals 
ein beliebtes Vergnügen der Göttinger Studenten, 
namentlich zu Pfingsten, Kassel und die Wilhelms 
höhe zu besuchen. Die Reise wurde über Drans 
feld und Münden zu Pferde gemacht. Daß es dabei 
manchmal für die des Reitens nicht völlig kundigen 
jungen Leute nicht ganz glatt ablief, beweist ja 
der in Ernst Kochs „Prinz Rosa Stramin" so 
köstlich geschilderte Pfingstritt des Kandidaten der 
Theologie Erasmus Gabelstich. Mancher wurde 
von der herrlichen Umgebung Kassels begeistert. 
So soll Hölty auf einem solchen Ritt beim An 
blick des Kasseler Tales vom Sandershäuser Berg 
aus seine bekannten Verse gedichtet haben: 
„O wunderschön ist Gottes Erde 
Und wert, darauf vergnügt zu sein! 
Drum will ich, bis ich Asche werde, 
Mich dieser schönen Erde freun!" 
Namentlich zu Pfingsten kamen die jungen Leute 
in ganzen Scharen nach Kassel, lagerten aus dem 
Rasenplatz hinter dem Wilhelmshöher Schlosse, den 
ihnen der Kurfürst freigab, und gefielen sich darin, 
den alternden Landgrafen durch allerlei Scherze, 
riesige Zöpfe u. dergl., zu verspotten. Er ließ sich 
dadurch nicht aus der Ruhe bringen. „Laßt die 
jungen Leute gehen, sie bringen Geld ins Land", 
war seine Entgegnung auf etwaige Vorhalte, daß 
die jungen Leutze es zu arg trieben. Daß aber 
doch nicht alle Leute das oft recht unpassende 
Benehmen der Studenten billigten, beweist ein 
Brief Wilhelm Grimms an Suabedissen vom 
25. August 1818: „Die Studenten haben sich auch 
plump und roh benommen. Ich habe hier zu 
Pfingsten selbst gesehen, wie ganz gemein und 
sittenlos diese sind. Daß sie sich z. B- große. 
Zöpfe von verschiedenen Farben anhängen und in 
der Stadt damit umherzogen, war nichts als eine 
Frechheit, denn der Spaß davon ist längst bis zum 
Ekel abgenutzt. Die Musiker in der Aue warfen sie 
mit Erde und einem ganz sittsamen Mädchen rissen 
sie das Halstuch weg.". Auch am Hofgeismarer 
Brunnen und in der Stadt Hofgeismar, wo ein 
mal 22 Studenten in einem Trupp eintrafen, in 
die verschlossenen Räume des Traiteurs einbrachen 
und dann, da ihnen das Pharospiel nicht ge 
stattet wurde, nach Pyrmont weiterritten, benah 
men sie sich nach Sattlers Schilderung stellenweise 
derart, daß es mir unmöglich ist, hier Einzelheiten 
wiederzugeben. 
Die Kosten eines Badeausenthaltes in Hofgeis 
mar waren damals nicht sehr hoch. Sattler ver 
zeichnet 1792 bei einem zehntägigen Aufenthalt 
für drei Personen 40 Taler 29 Albus (122 M 
80 Pf.). Freilich ließ er sich einen Teil der nötigen 
Lebensmittel aus seinem eigenen Geschäfte in Kassel 
nach dem Brunnen kommen. Er verzeichnet in 
dieser Beziehung Gemüse aller Art, Artischocken, 
Rheinlachs, einmal 25 Zitronen zu Punsch, ein 
anderes Mal ein Fäßchen Heringe, dann wieder 
16 alte Heringe und vier Milchbrote. Es ist wohl 
anzunehmen, daß er diese Lebensmittel auch zur 
Bewirtung befreundeter Badegäste verwendet hat. 
1793 kostete ihm ein 17 tägiger Aufenthalt mit 
Frau, drei kleinen Kindern und Dienstmädchen 
53 Taler 11 Albus 4 Heller (100 M 09 Pf.), 
46 Flaschen Wein, 2 Pfund gebrannten Kaffee, 
3 Pfund Zucker, 6 Zitronen, 2 Fäßchen neue He 
ringe, Butter, Käse, Lichter, 1 Pfund Rauch- und 
1 Pfund Schnupftabak. Er begleitet diese Auf 
zeichnung mit der Bemerkung: „Das war fett". 
Eine starke Ausgabe erforderten damals schon die 
Trinkgelder. 1795 zahlte Sattler bei der Abreise 
solche an des Burggrafs Mädchen, den Brunnen 
meister, dessen Knecht, den Hauskellner, den Re 
misenaufsichter und den Aufpacker. 
Eine unangenehme Überraschung brachte gelegent 
lich eine Überschwemmung, die die von Gewitter 
regen angeschwollenen Gewässer der Esse und der 
Lempe herbeiführten, wobei die Badeanlagen unter 
Wasser gesetzt wurden. Am 31. Juli 1795 kam 
die Überschwemmung so schnell und überraschend, 
daß die landgräfliche Tafel, die in der Brunnen 
allee stattfinden sollte, schleunigst in die Galerie 
verlegt werden mußte. „Alles", schreibt Sattler, 
„war wie ein See anzusehen." 
(Schluß folgt.) 
Weihnachlslicht! 
Wie wundersam, dies Weihnachtslicht! 
Marias holdseliges Muttergesicht, 
In ihrem Schoße das göttliche Kind, 
Vor dem wir mit Königen Bettler sind, — 
Und über dem Dach der Sterne Bestrahl 
Kassel. 
In unserm dunklen Heimattal — 
Das hat meine Seele ewig gesehn; 
Wie könnt' ich's verstehn, 
Was immer wieder mich innig durchbebt! 
Ich lebe, ich habe ewig gelebt. 
Heinrich Bertelmann.
	        

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