Full text: Hessenland (33.1919)

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Dieser Flurname, über den ich in dieser Zeit 
schrift bereits gehandelt habe 2 ', lautet Kar, Karle, 
Kärlein und ist nach Grimm, Deutsches Wörterbuch 
5, 904 ff., Schmeller, Bahr. Wörterb. (München 
1872) 1 , 1277, Buck, Oberd. Flurnamenbuch 
S. 130/31 ein sehr häufiger Wiesenname mit der 
vorwiegenden Bedeutung „talähnliche, zur Weide 
benutzbare Vertiefung auf höherem Felsgebirge", 
überhaupt „schluchtartige Vertiefung zwischen Berg 
höhen mit guter Weide" und findet sich in Hessen 
und Thüringen außerordentlich häufig zur Be 
zeichnung einer Grenzflur. 
Die volksetymologischen Umbildungen, die dieser 
Flurname gezeitigt hat, sind unübersehbar, und 
es ist in der Regel nur mit Hilfe der mundart 
lichen Aussprache möglich, Licht in das Dunkel 
dieser Namensformen zu bringen. Der vielfach 
unverstandene und schon früh mit dem Personen 
namen Karl ^ vermengte Flurname ist in der 
mannigfachsten Weise mit ähnlich lautenden Wörtern 
zusammengebracht worden. Durch Assimilation des 
r und 1 und Übergang der Liquide 1 in n, in der 
rheinfränkischen Mundart besonders häufige Laut 
erscheinungen, ergaben sich Wortgebilde wie Kall, 
Kalle, Kaller, Kell, Kelle, Keller, Kerl, Kern, 
Karn, Kehl, Kahl, Kahn. Vgl. dazu Buck a. a O. 
S. 135: „Keilhof, Kehlhof, Kelhof, Kellerhof, 
auch Kelchenhof, Kelenhof, Kernhof 4 , Gerbing 
a. a. O. S. 6: „am Carlberg (1754) und auf dem 
Gaiberg (1784), Hotz 2 ^ S. 6: „der Karlehof 
(Gem. Schlitz), ma. Kaiehof." Der nassauische 
Flurname " Kallenberg lautet im Volksniund 
Korlemerfe. Ähnlich erklären sich nassauisch 25 
Kallenbach, Kallergang, Kaieheide, Keller 
„meist kellerartige Vertiefung", Kelleracker, 
Kellerberg, Kellerheck, Kellerwald, Kellerwiee, 
Kellerstück u. a. M., hessisch aut dem Kall, Höhe 
bei Röddenau über der Eder, hinter dem Kalle 
(Frankenberger Saalbuch von 1588), im Kaller- 
etück Gem. Densberg, Keller Gem. Wetter, der 
Kellerwald Gem. Schönstein , ans dem Keller 
Gem Frankenau, auf dem Kellmark Gem. Mar 
dorf, Kelleracker Gem. Betziesdorf, die Keller 
berge Gem. Sarnau, die Kehl, der Kellerswald, 
der Kellberg Gem. Rollshausen , das Kallen- 
oder Kollenstück Gem. Schönstedt, der Wein 
keller und die Kalwe, Waldorte am Meißner usw. 
Durch falsche Dialektübertragung von Karl, 
ma. Kääl, entstand Angleichnung an Kahl und 
an Kohl, z. B. hessisch 'Kohlkippel, ma. Käälkipel 
" „Hessenland" 1916, Nr. 20,21. 
33 z. B. Karls Quinte. 
38 Die Flurnamen der Grafschaft Schlitz. 
34 Kehrein a. a. O. S. 468. 
9 ° Ebenda S. 468, 473. 
(Grafschaft Schlitz), Kahlplatte, ma. KLLplat (ebd.), 
aus der Kohlplatte, Wald in der Gemarkung 
Himmelsberg, die Kahlwiese Gem. Burgholz, 
Kohlfurt Gem. Großstelheim , die Kohlhecke 
Gem. Neustedt, die Koblheege Gem. Leimsfeld, 
das Kohlstück Gem. Lingrlbach, der Kahlenbach, 
Wald in der Gem. Willersdorf, die Kahleseite 
Gem. Somplar, am Kahlenberg Gem. Rosental, 
der Kohlenberg (!) Gem. Riebelsdorf usw. Die 
Versuche Arnolds S. 570 und von Haas a. a. O. 
1908, S. 175, diese Namen mit der ehemaligen 
Brennwirtschast zu erklären, halte ich für sehr 
anfechtbar und Feldorte wie das Kohl, im Kohl, 
im Kohlen für nichts anderes als falsche Dialekt 
übersetzungen gelehrter Schreiber, wofür auch schon 
der neutrale Gebrauch des Artikels spricht. 
Da die Kartographen mundartliches kääl für 
hochdeutsch kalt ansahen, wurde aus einem kahlen 
Lank schließlich ein kalter Lank, aus einem 
kahlen 8tein ein kalter Stein, aus einer kahlen 
Au eine kalte Au, aus einem kahlen Fleck ein 
kalter Fleck. Ähnlich entstand der Flurname 
kalter Lern, kaltes Wasser, kalte Leide. Die 
Entwicklung läßt sich an der Hand der Mundart 
und älterer Belege meist noch gut verfolgen, z. B. 
thüringisch 26 kalte Heide, ma. uf der kale Hei, 
de kall Hei, 1565 an der kalten Heide; das 
kalte Wasser, ma. d’s kal Wasser, 1505 das 
kalde wasser, 1557 Kaltwasser, das Gränz- 
wasser; der Kalteborn, 1039 Cholbahc, 1665 
Kalteborn; kalten Born, ma. Kahlenborn; 
kalte Rümber, ma. kahle Rümper, kahle Rim 
pich, 1587 im kalten Rimpich (— Rimberg); 
das kalte Fleck, ma. kale Fleck; kalte Markt 
(— Mark), ma. kale Mart, 1587 der Kalten- 
marck, 1642 die kalte marck; Kahleberg, 1587 
Kallenberg; Kaltenbach oder Kalmbach, ma. 
’s Koalmich; die kalte Kcke („naßkalter Boden 
am Nordfuß des Leichbergs"), ma. kahle Ecken; 
die kalte Herberge, ma. kale Herberg usw., 
lippisch 2 ^ die Kaldenweie, 1721 Kohlenwie; 
kalte Brede, 1718 kohle Breie; die kalten 
Buchen, 1728 kohle Boken; auf der kalten 
Buche, 1721 auf der kahlen Buche; Koldebrig, 
1529 Kolebrink usw., nassauisch 2 ^ Kahlbach, 
796 Galdebach, 797 Caldenbach, 799 Calde- 
bach, 822 Caltenbach; Kaltenholzhausen, ma. 
Kallholdese, Kallholese usw., hessisch Kalde, 
Bach im Spessart ; Calden, Siedlung bei Greben 
stein, ca. 1120 Chaldun, 1315 Kalden, 14. Jh. 
96 Gerbing a. a. O. S. 565. 567,421,425, 483,493, 
523 u. ö. 
93 Pr ruß. Die lippischen Flurnamen (Detmold 1893) 
S 81/82. 
38 Kehrein a. a. O. S. 220, 468.
	        

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