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Beiträge zur hessischen Ortsnamenkunde.
10. Schmalkalden? Kalden, Kaldern.
Von Dr. Wilhelm Schoos, Hersfeld.
Der Name der Stadt Schmalkalden an dem
Flusse gleichen Namens wird von Arnold 1 zu ahd.
kalda fons, parvus fluvius gestellt und der erste
Teil wie in Schmalenfleet, Schmalenau und ähn
lichen Namen mit ahd. smal,parvus I * 3 4 * * in Beziehung
gebracht. Gleicher Ansicht sind Namenforscher wie
Foerstemann^, Haas^, Buck^. Daß daneben auch
ein ptolemäischer Erklärungsversuchs nicht fehlt,
der nicht weiter ernst genommen werden kann, sei
der Vollständigkeit halber erwähnt.
Der Laie ist unwillkürlich versucht, Namen wie
Schmalkalden, Schmalenau, Schmalenberg,
Schmalenstein, Schmalenfeld mit nhd. „schmal",
„klein", „eng" in Verbindung ztl bringen, zumal
als Gegensatz zu Namen wie Breitenbach, Breiten-
au, Breitenberg, Breitenstein, Breitenfeld. Er
findet eine natürliche Erklärung darin, daß der Bach
an irgend einer Stelle sehr schmal ist und daß sich
von hier aus die Bezeichnung Schmalbach oder
Schmalwasser aus den ganzen Lauf des Gewässers
übertragen Hat. Für den Eingeweihten jedoch,
der die Grundgesetze der Namengebung kennt, ist
es von vornherein bedenklich, daß ein Flurteil
(denn der Siedlungs- und Flußname Schmal
kalden ist aus einem Flurnamen Hervorgegangen),
sofern er der älteren Zeit angehört, nach so zu
fälligen oder nebensächlichen Erscheinungen benannt
sein soll. Ihm ist bewußt, daß der Sinn, den
unser naives Sprachempfinden damit verbindet,
in der Regel erst einer neueren volksetymologischen
Umdeutung zuzuschreiben ist. Er unterscheidet
zwischen einer - volkstümlichen oder dilettantischen
Namenerklärung, die sich an eine Namenssage oder
an den äußeren Laut anschließt (z. B. Schönbach
= schöner Bach), und zwischen einer wissenschaft
lichen Erklärung, die sich auf den Gesetzen der Sied
lungsgeschichte und der Sprachwissenschaft aufbaut.
So ist auch Schmalkalden — schmaler Bach
nicht mehr als ein volkstümlicher Erklärungs
versuch, der einer kritischen Betrachtungsweise nicht
Stand hält. Foerstemann erwähnt folgende mit
schmal zusammengesetzte Ortsnamen: Smalahana,
Heute Schmalnau (Kreis Gersfeld), Schmalnohe
(Bz.-A. Bamberg), ferner Smalenbach (zweimal).
Smalenberg, Heute Schmallenberg (Kr. Meschede),
I Ansiedlungen und Wanderungen (Marb. 1881) S. 125
und 127.
II Altd Namenbuch Bd. II, 3. Ausl. Sp 812/13.
3 Fuld. Gesch -Bl. 1912, S. 12.
* Oberdeutsches Flurnamenbuch (Stuttg. 1889) S. 244.
6 Hugo Simon, Beiträge zur Schmalkalder Geschichte
(Schmalkalden 1905) S. 22 u. 24.
Smalunegge, heute Schmalegg (O.-A. Ravens
burg), Smalefeldon, heute Schmalfelden (O.-A.
Gerabronn), Smalonfleet, heute Schmalenfleet
an der Weser, Smalacalta, heute Schmalkalden,
Smalstettin, heute Stetten (O.-A. Ehingen), Smale-
wazzere, heute das Schmalwasser bei Dietharz
(Kr. Ohrdruf), Smalun Nusti, in der Nähe von
Dammersbach (Kr. Hünfeld), Smalensinna, heute
die Schmalesinn in der Rhön. Hierzu kommen
noch Ortsnamen wie Schmalenau (in Hannover),
Schmalenbeck und Flurnamen wie hessisch der
Schmalborn Gem. Altenhaina, die Schmalwiese
und das Schmale Gem. Haina, der Schmal
wiesengrund Gem. Elnhausen, das Schmale-
tälchen Gem. Michelbach, die Schmalwiese Gem.
Oberaula, das oberste und unterste Schmal-
triesch Gem. Seigertshausen, thüringisch 9 das
Schmaltal (enger Grund!), urkundlich in der
Smalla, Schmallhügel (Gemeindeland
in der Flur Wechmar), ma. Schmoalhegk,
nastauisch^ Schmalacker, das Schmale, aufm
Schmald, Schmält, oberdeutsch^ Smalefelden
(1033), silva Smalnhart (1258), Smalnloch( 1294),
Smalbach (1525). Die von Foerstemann belegte
Schreibung Smellekallan (etwa 11. JH.) neben
Smalacalta und Smalekaldun für heutiges Schmal
kalden legt die Vermutung nahe, daß Smalacalta
die willkürliche-Schreibnng eines gelehrten Schrei
bers ist, wie sie zur Zeit der Klöster nicht selten
vorkommen (z. B. Confugium für Kaufungen,
Haucheburc für Hachborn, Amanaburg für
Amöneburg usw.), zumal da auch die mundartliche
Aussprache, die immer das sicherste Kriterium
bildet, Schmelkelle, Schmakelle neben Schmal
kalle 9 lautet. Schmell aber ebenso wie die wieder
holt bezeugte Form Schmall (vgl. in der Smalla,
Schmallhügel, Schmallenberg) deuten weniger
auf ahd. smal ,parvus 4 als aus etwas anderes hin.
Dazu kommt, daß Bildungen wie Schmalacker,
Schmalwiese, Schmalborn, Schmaltriesch,
Schmaltal einerseits und das Schmale anderer
seits ungewöhnlich sind. Die nassauische Form
aufm Schmald in Verbindung mit der Assimila
tion Schmall, Schmolle, Smalla läßt vermuten,
daß die assimilierten Formen aus älterem Schmald,
6 Gerbing, Die Flurnamen des Herzogtums Gotha
(Jena 1910t S. 249, 250, 567.
3 Kehre in, Nassauisches Namenbuch (Bonn 1872)
S. 545.
"Buck, Oberd. Flurnamenbuch (Stuttg. 1880) S. 244.
^ G e r b i n g a. a. O. S. 483, 560, 567, z. B. der
Schmelkeller Stiegk, der Schmakeller Stadtwald.