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Clausewih über einen Besuch in Kassel.
Mitgeteilt von vr. Hans Rothfels.
Ems, 3. Juli 1826 *.
An Gneismau.
In Kassel haben wir außer der Stadt
nichts gesehen als den kleinen Landsitz der Chur
fürstin, welcher Schönfeld oder auch Augusten Ruh
heißt, eine halbe Stunde von Kassel nicht weit
der Marburger Straße liegt und eine der lieb
lichsten kleinen Besitzungen ist, die mir je vorge
kommen sind. Die schönsten Bäume und Fluren,
schattige, grüne, blumenreiche Plätze, einige sehr
hübsche Blicke auf Kassel und ein Aglomerat nied
licher kleiner Häuser zu einer bequemen Wohnung
vereinigt. Die Zimmer sind klein und nicht hoch
aber neu und sehr elegant meubliert. Da der
Churfürst in Wiesbaden'war, so hat meine Frau
einen halben Tag mit der Churfürstin ganz freund
schaftlich und in gegenseitiger Mittheilung verlebt
und ich habe bei einem uns zu gefallen sehr früh
servirten und schnell beendigten kleinen Diner hin
reichend Gelegenheit gehabt, uns den kleinen Be
sitz anzusehen. In Kassel selbst hat der Chur
fürst am Friedrichs Platz neben seinem Hause ein
anderes als Ergänzung des ersten in Privat-Stil
aufführen lassen, welches wegen der rothen Sand
stein-Quadern. in denen es aufgeführt ist und wegen
eines zum Unterfahren eingerichteten, also sehr her-
* Original Geheimes Staatsarchiv. Gneiscnaus Nach
laß. ' ' M
vortretenden Perüstils von sechs dorischen Säulen
auf welchen für das obere Geschoß ein Balkon ruht,
eine überraschende Wirkung hat. Im Einzelnen
ist manches recht schön, manches aber mißfällt mir
daran. An demselben Platz hat er von demselben
schön geaderten Sandstein an der Stelle des ehe
maligen Gitterthors, welches zwischen den beiden
Wach-Köllonaden nach der Aue hinunterführt, ein
Thor im Stil eines Triumphbogens, zwar nicht
groß und sehr einfach errichten lassen, welches aber
eine ungemein schöne Wirkung thut, besonders
von der Aue aus. Eudlich ist die Statue des Groß
vaters, welche früher auf diesem Platz stand und
von den Franzosen weggenommen war. restauriert
und wieder ausgestellt. Die goldenen Spitzen des
sehr schönen Lanzen-Gitters, welches sie umgiebt,
ziehen den Blick hin, wenn man aber träher tritt,
so muß man wenigstens nicht eben von Berlin
kommen, um nicht unangenehm überrascht zu
werden **
** Vgl. dazu das humorvolle Urteil, das Jakob
Burckhardt über das Friedrichsdenkmal füllte (Briefe
au einen Architekten S. 23): „Der Schädelbau und
der gebietende Ausdruck und die ursprüngliche klassische
Form des Kopfes herrschen noch mächtig vor über et
liche Verquollenheit und ein zweites Kinn, dagegen reicht
es nicht mehr gegenüber einem Schmerbauch in römi
scher Tunika und einem einwärtstretenden Knie von
der lächerlichsten Wirkung."
Bilder vom vogelsberg
von Bruno Jacob--Kassel.
(Schluß.)
Den Schwalmfluß hinauf führt die Bahn. Vor
über an dem Riedeselschen Schlosse Altenburg, das
erst im 18. Jahrhundert wieder auf der Stätte
der alten, seit 1466 in Trümmer liegenden Veste
entstand. Ein letzter Rest von ihr, ein mächtiger
Rundturm stand aber noch länger und stürzte erst,
wie Landau angibt, in den zwanziger Jahren des
19. Jahrhunderts zusammen, einen Viehstall unter
seinen Trümmern begrabend.
Ferne, von Norden her sendet noch einmal der
Herkules einen Gruß. Niederhessens zum Vogels- .
berge herüber. Wir aber folgender jungen Schwalm
bis.zu ihrer Quelle nahe der „Totenkirche" am
„Heiligen Wald" zwischen Meiches und Dirlammen. ,
Dann wenden wir uns hinab nach Lauterbach.
Ein liebes, freundliches Städtchen, eingeschmiegt
zwischen die Berge. Die Lauter rauscht hindurch
und oben in der Stadt steht die alte Burg mit
gotischen und Renaissance-Bauformen und gar
nicht weit davon das kleine neuere Barockschloß
mit dem Ehrenhofe und dem hohen schmiedeeisernen
Gitter davor. Und beiden gleich nahe steht die
Kirche mit der Erbgruft der Herren v. Riedesel,
die Jahrhundertelang als Landesherren hier saßen.
Ursprünglich gehörte Lauterbach zu Fulda, aber
oft hatten Abt und Stift Geld nötig und wisder
und wieder kam Lauterbach in Pfanöschaft, bis
1427 die eine Hälfte an den Landgrafen Ludwig
den Friedsamen von Hessen, die andere cru den
Erzbischof Konrad von Mainz gelangt war.' Von
beiden erwarb .sie. Her man n v. JW i e desel,
der erste Erbmarschall von Hessen' aus diesem Ge
schlecht,) um den Preis der Pfandsumme, ^ die für
Hessen 1878 Gulden und für^-Kmtznainz derchi
1500 betrug. Was trotz der.Verpfändung Ailda
noch an Ansprüchen und Rechten hatte,..ging ihm
-nach und Nach verloren, und Zeit 1532 fühltpn
sich die Herren v. Riedesel so. gut wie reichsun
mittelbar: Die völlige Reichsunmittelbarkeit da
gegen haben sie, wie erlangt, sie ward von den
hessischen Landgrafen ihren Erbmarschällen gegen
über stets bestritten. Schon 1559 hatten diese sich
einmal geweigert) die von den Landständen be
willigte Tranksteuep in Höhe von 300 ft. als für