Full text: Hessenland (33.1919)

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tistische Parteiinteressen mit beträchtlichen Zu 
schüssen zu begünstigen. Madame Salvage blieb 
ihm nicht gleichgültig, obwohl sie bereits in den 
fünfziger Jahren stand 26 * ; Ende 1839 wurde er 
zählt, daß er sich mit dem Gedanken trage, Ma 
dame Salvage um ihre Hand zu bitten, nachdem 
das Zerwürfnis, das Jérôme infolge des Straß 
burger Putsches von seinem Neffen Louis Napoleon 
(dem späteren Napoleon III.) getrennt hatte, aus 
geglichen worden sei: der Londoner Prätendent, 
dem Madame Salvage als alte Freundin seiner 
Mutter, der Königin Hortense, nahe stand, sei 
Stöltings Bestrebungen gewogen und beide träfen 
sich unter seinem gastlichen Dache 21 . Die Partie 
zerschlug sich jedoch, und so heiratete Stölting 
im folgenden Jahre nicht Madame Salvage, son 
dern eine junge Komtesse Murawiew-Apostol aus 
Petersburg, die er in San Donato, der bei Flo 
renz gelegenen Besitzung der mittlerweile mit dem 
russischen Minmkönig Anatol Demidoff vermähl 
ten Tochter Jérômes, der Prinzessin Mathilde, 
kennen gelernt hatte. 
An ihrer Seite ging er nach Rußland: lange 
Zeit hielt er sich auf der Besitzung seines Schwie 
gervaters in Estland und Livland 28 auf, da 
zwischen kam er immer wieder nach Florenz oder 
Paris, um Jérôme in schwierigen oder besonders 
vertraulichen Fällen Beistand zu leisten. So kon 
ferierte er mit Dr. Farini, dem späteren Dik 
tator der Romagna, der damals als geschätzter 
Arzt in Florenz praktizierte, als es sich darum 
handelte, Jérômes Sohn Jerome vielleicht noch 
in zwölfter Stunde vor dem Rückenmarksleiden 
zu retten, das ihn schließlich vor der Zeit hin 
wegraffte 29 ; so wirkte er durch rege Korrespon 
denz mit Madame Salvage an den politischen Ope 
rationen mit, die schließlich im Jahre 1847 zur 
zeitweiligen Aufhebung der seit 1815 auf Jérôme 
lastenden Landesverweisung führten 30 . Tatsächlich 
war er eben längst der unentbehrliche Alter Ego 
des Exkönigs geworden, sein Haus- und Finanz- 
minister in partibus, der in alle Geschäfte eben 
so gut und noch besser eingeweiht war als Jé 
rôme selber. 
Das für die Geschichte des Hauses Bonaparte 
so bedeutungsvolle Jahr 1848 hat Stölting an 
scheinend in Rußland verlebt: am 27. Dezember 
88 Vgl. L’intermédiaire des chercheurs et carieux 
vom 10. Dezember 1918, Spalte 368. 
87 André Gayot, Une ancienne muscadine. 
Fortunée Hamelin. Paris 1911. S. 72. 
28 Daß die dort liegenden Güter, wie Fulda meint, 
dem Fürsten Demidoff gehört hätten, ist ein Irrtum. 
28 Epistolario di Luigi Carlo Farini. Per cura di 
Luigi Rava, Bologna 1911, Bd. 1, 2. 
3# M. Thiers et les Napoléon (Jérôme), Paris 1873 S.70. 
schreibt Prinz Napoleon an Farini, der Baron 
habe seit langer Zeit nichts mehr von sich hören 
lassen; „ich weiß nicht, was in Moskau aus ihm 
wird". In den folgenden Monaten ist er dann 
aber nach Frankreich zurückgekehrt, um in der 
Umgebung seines alten Herrn den Platz wieder 
einzunehmen, der ihm gebührte. Als Jérôme 
wach der Wiederherstellung des Kaiserreichs im 
Herbst 1852 seinen eigenen Hofstaat erhielt und 
das Palais Royal bezog, ist Stölting auch offi 
ziell zu seinem „secrétaire des commandements" 
ernannt worden; gleichzeitig wurde ihm eine riesige, 
nach der Rue de Valois hinausgehende Dienst 
wohnung eingeräumt. Von dort aus'ist er noch 
einmal mit seinen alten deutschen Freunden in 
Verkehr getreten. . Jérôme hänge noch immer 
mit großer Liebe und lebhaftem Interesse an der 
Zeit seines ephemeren Königtums, schrieb er da 
mals nach Deutschland; er freue sich aufrichtig, 
wenn treue Seelen aus Hessen noch jetzt 
seiner gedächten. Gleichzeitig bat er seinen alten 
Bundesbruder Fulda, ihn in Paris mit seinem 
Besuch zu erfreuen; scherzend fügte er hinzu, er 
könne ihm nicht weniger als zehn Zimmer zur 
Verfügung stellen, da er dm ganzen oberen Stock 
des Palais Royal bewohne. — Zu einer solchen 
Begegnung ist es indessen nicht mehr gekommen. 
Zwei Monate nach seiner Ernennung erkrankte 
Stölting an einem heftigen Fieber; sein drei- 
undsechzigjähriger Körper hielt nicht stand, und 
so ist er am 31. Mai 1853 hinübergeschlummert. 
Stölting hätte es weit bringen können, wenn 
er sich nach dem Zusammenbruch des Königreichs 
Westfalen dazu verstanden hätte, in irgend einem 
ehemaligen Rheinbundstaate Unterschlupf zu suchen; 
bei seiner Begabung, seiner Gewandtheit und Ar 
beitskraft hätte er Minister -werden können oder 
Gesandter, und bei alledem hätte er die beste 
Gelegenheit gehabt, sich in den Augen seiner ehe 
maligen Kommilitonen in vaterländischer Bezie 
hung zu rehabilitieren. Er hat es vorgezogm, 
seinem einmal gefaßten Ideal treu zu bleiben; 
er hat es vorgezogm, sein Wort zu halten und 
dem.Manne, der ihn i,rt seinen jungen Tagen 
mit seltenem Vertrauen ausgezeichnet hatte, durch 
Nacht und Sturm bis zum letzten Atemzuge zu 
folgm. Er wollte nichts anderes sein als ein 
treuer Diener seines Herrn, ein letzter West 
fale, der selbst dann an seinen Überzeugungen 
festhielt, wenn er darüber zur Kuriosität wurde, 
wenn seine Hingebung zur Manie, seine Tat 
kraft zur Parteigängerei zu entarten schien. Und 
das gibt seinem bunten Leben einen Zug der 
Reinheht und der Größe, der über alle nationalen 
Einwände hinweg bezwingt und versöhnt.
	        
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