Full text: Hessenland (33.1919)

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ner verdient viel Rücksicht und manches Zutrauen. 
Er hat eine Quittung von 11 fl. auszustellen; geben 
Sie ihm eine kleine Zulage mit Bewilligung der 
Königin; er hat sich bei der Entführung gut ge 
zeigt. Dem Küchenmeister traue ich nicht; Sie 
werden es erfahren können. Geld Hilst bei ihm, 
glaube ich. Meine Begleiter, die Leibjäger Hof- 
herr und Wackershauser, empfehle ich nochmals; 
Sie verdienen Auszeichnung, doch muß auch dies 
unbemerkterweise geschehen, sonst könnten sie un 
schuldig in Verdacht kommen. Vernachlässigen Sie 
sie aber nicht !" 12 
König Friedrich von Württemberg, der durch 
sein Schwarzes Kabinett in den Besitz dieser Zeilen 
gelangte, sandte sie der Württembergischen Hof 
dame zu, die er seiner Tochter zur Seite gestellt 
hatte. „Dieser Brief hat uns ganz voll von 
Leuten gezeigt (nous a indiqué [?] tout plein de 
gens), die Stölting schon verführt hat oder noch 
verführen will", setzte er hinzu. „Versuchen Sie, 
meine Tochter zu veranlassen, diesen . . . wegzu 
jagen und ihm zu verbieten, jemals wieder vor ihr 
zu erscheinen. Sie schuldet es ihrer Ehre." Aber 
Katharina ließ sich nicht erschüttern. Schon vor 
her hatte sie sich klageführend an den Kaiser Franz 
gewandt und die ganze Angelegenheit auf Umtriebe 
des Generals v. Brusselle zurückgeführt. „Man 
mag Herrn v. Stölting unterstellen was man 
will", schrieb sie am 24. nach Wien, „ich bin trotz 
12 Schloßberger a. a. O. Bd. II S. 187/88. 
dem fest überzeugt, daß er sich niemals irgend ein 
Unternehmen erlaubt hat, das er meiner Kennt 
nis hätte entziehen wollen, und ich hätte zum 
mindesten erwarten dürfen, von einem solchen Ge 
waltakt unterrichtet zu werden, ehe er zur Aus 
führung gebracht wurde; es'wäre mir dann wie 
jetzt ein Leichtes gewesen, den ungünstigen Ein 
druck zu zerstreuen, den man Ihnen zu seinen 
Ungunsten eingeflößt hat und deren Quelle ich 
feinte" 13 ! 
Man sieht: der grenzenlosen Hingebung des 
Dieners entsprach das grenzenlose Vertrauen der 
Königin. An seinem Schicksal wurde freilich durch 
ihren Protest nicht das geringste geändert. Im 
Gegenteil: der König fühlte sich durch ihre Stel 
lungnahme nur in seinem Entschluß, Stölting 
dauernd von ihr fernzuhalten, bestärkt, und so 
zwang er Jérôme, als dieser am 22. August 1815 
in Schwiebingen an der badisch-württembergischen 
Grenze erschien, um sich zu seiner Gemahlin nach 
Göppingen zu verfügen, zur Unterzeichnung eines 
langen Reverses, der im fünften Paragraphen 
ausdrücklich bestimmte, daß Stölting (mit drei 
anderen Parteigängern des Königs) niemals wieder 
mit einem Posten in feinern Haushalt betraut 
werden dürfe u . (Schluß folgt.) 
” S chloßberger a. a. O. Bd. II S. 189/90. 
" Dr. Hans ©emittier, Kaiser Franz I und die 
Napoleoniden vom Sturze Napoleons bis zu dessen Tode, 
Wien 1888 S. 154 bzw. Archiv für österreichische Geschichte 
Bd. LXXII, 2. Hälfte, S. 486. 
Bilder vom Vogelsberg 
von Bruno Jacob -Kassel. 
Wer von Niederhessen her in der breiten Senke 
des Schwalmtales von Ziegenhain über Loshausen 
und Zella wanderte, oder von Neustadt über die 
Arnshainer. Höhe durchs Gericht Katzenberg kam 
oder über 'den.Herzberg ins oberhessische Land 
stieg, wird wohl gefühlt haben, daß auch jenseits 
der politischen Grenze, die einst das Jahr 1567 
gezogen, ihn Heimatluft umwehte, und er wird, 
wenn er mit offenen Augen wanderte, wohl gesun 
den haben, daß politische Grenzscheiden sich keines 
wegs mit ethnischen und kulturellen decken. Und 
wer vom Vogelsberge herunterblickte nach allen 
Seiten in die vielen Täler und Teilchen, die hier 
zur Edder und Fulda, dort zur Lahn und drüben 
zur Kinzig und zum Maine weisen, der wird ge-, 
rade hier den Gedanken einer geographischen 
Einheit des gesalnten Hessenlandes 
sichtbar erkennen. 
Aber auch die kulturelle Einheit des Landes 
wird er erkennen, wenn er die Städtchen rund 
um den Vogelsberg, die Burgen und Schlösser der 
Gegend betrachtet und vergleichende Blicke zu den 
anderen hessischen Gebieten sendet, wenn er die 
Dörfer, ihre Feldbreiten, ihre Gehöfte und ihre 
Kirchen beschaut. — 
Steht da am Fulder Tore zu Alsfeld ein 
Rundturm, aus mächtigen Quadern gefügt, mit 
massivem Kegelbache, ganz ähnlich dem alten stei 
nernen Wächter, der zu Grebenstein das Burg 
tor in treuer Hut hält, und beide scheinen zu 
gleich Wächter althessischer Art: wie der Greben 
steiner Recke gegen den stammessremden Sachsen 
gau hinschaut, so blickt der Alsfelder aus die so 
lange politisch vom übrigen Hessenlande getrennte 
Grafschaft Ziegenhain und gegen das Fulder Land 
hin. — Gerade das Ziegenhainer Land, die 
Schwalm, ist aber heute trotz allen durch die 
politischen Grenzlinien entstqndenen und erwach 
senen Schwierigkeiten das gegebene, natürliche 
Wirtschaftsgebiet der alten Handelsstadt an der 
Straße „durch die kurzen Hessen"." 
Inmitten der Stadt strebt die massige Wal 
purgiskirche auf mit ihrer reichen Gotik und 
dem so charakteristischen Durchgänge unter dem
	        

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