Full text: Hessenland (33.1919)

mit der höchsten Unbilligkeit an muthen, alle 
und jede Neuigkeit, deren die Commißion bedarf, 
und welche sie sonst gar nicht kommen ließen, 
auf ihre Kosten zu verschreiben. Die Commißion 
wird daher unvermeidlich zu dem eigenen Ankauf 
einer bedeutenden Zahl von Schriften auf das 
Gerathewohl schreiten müßen und sieht sich hin 
sichtlich eines solchen Aufwandes nicht im min 
desten gedeckt. Noch weniger aber dürfte die Zahl 
von vier anderweit vielfach beschäftigten Cen 
soren, so bereit sie ihre ersparte Zeit zum Opfer 
bringen wollten, lange nicht zu der erschlaffenden 
Arbeit, wie das planlose Durcheinanderlesen von 
einigen tausend Artikeln, großentheils faden 
Machwerken, seyn müßte, irgend ausreichen. Mit 
einem einzelnen Buch kommt der Censor jedoch 
zum Schluß, wie soll er aber 
4.) das zu leisten vermögen, was ihm rücksicht 
lich der zahllosen Tagesblätter und monat 
lichen Hefte durch den vierten §. allerhöchster 
Jnstr. zu einem besondern Augenmerk gemacht 
worden ist? 
Das allerunthänigst angebogene Verzeichniß * 
der gangbarsten Zeitschriften, die meistentheils 
blos gelehrt oder zur Unterhaltung bestimmt 
seyn sollen, liefert eine zwar schon beträchtliche 
Zahl, die inzwischen gegenüber der noch größeren 
Maße von sogenannten Zeitungen fast un 
bedeutend ausfallen muß. Letztere Haben nun 
unleugbar den meisten Einfluß bei dem gemeinen 
Publicum und sind unter ihm überall verbreitet. 
Es pflegt sie nicht bei Buchhändlern zu beziehen, 
sondern unmittelbar durch die Postämter zu ver 
schreiben. Täglich zu jedermann bekannten Stun 
den treffen sie ein und werdeü sogleich abgeholt. 
Sollte nun jedes einzelne Blatt vor der Aus 
theilung die Censur durchlaufen, so würde einer 
seits bei der Unregelmäßigkeit der einzelnen 
Posten eine höchst nachtheilige ungewiße Unter 
brechung der andern Bcrnfsgeschäfte des Cen 
sors stündlich erfolgen, anderntheils das Pub 
licum an dem unvermeidlichen Aufschub bei der 
Zeitungsexpedition ein mcmnichfaltiges Ärgerniß 
nehmen, zu Nachfragen, Urtheilen und Gerüchten 
veranlaßt und bald bewogen werden, ans andere 
Weise, unerschwert und früher, der Zeitungen 
habhaft zu werden. 
Am allerbedenklichsten müßte aber in An 
sehung solcher Zeitschriften und Zeitungen die 
Confiscation oder das Verbot selber werden. 
Einzelne Blätter zu unterdrücken, scheint uns 
nur in höchstseltenen Fällen rathsam, gewöhnlich 
* Gut I 1/2 Seiten von Voelkels und dann 1/2 Seite 
von I. Grimms Hand; dazu an zwei späteren Stellen 
noch 2 Seiten (nicht von Jacobs Hand). 
aber unthunlich und der Würde des Staats am 
wenigsten angemeßen. Aus unstößige einzelne 
Nummern müßte daher alsbald das Verbot der 
ganzen Zeitung für immer folgen, wie es z. B. 
auch in Baiern und Würtenberg der bekannte 
Fall mit dem rheinischen Mercur war. Dieses 
ermangelt gleichwohl nicht, ein Geschrei durch 
ganz Deutschland zu erregen und neuen Anstoß 
zu verursachen, würde aber dem Bekanntwerden 
der anzüglichen Stellen, die sich wenigstens in 
häufigen Abschriften umher verbreiten, kaum ab 
helfen. Eine ungefähre Beobachtung des Ganges, 
den die jetzigen Zeitungsschreiber nehmen, lehret 
leicht, daß ungefähr fünfzig der bedeutendsten 
und gelesensten einander fleißig ausschreiben und 
alle anzügliche Artikel, sobald sie nicht gegen ihr 
eignes Gouvernement verstoßen, ohne Anstand, 
ja mit Begierde einer ans dem andern einrücken. 
Kein einziges Blatt scheint uns aber dermalen 
mit Absicht aufwieglerisch oder selbst streng par 
teiisch zu seyn; wohl mögen einige Herausgeber 
vor den andern gewiße leichtsinnige, anmaßliche 
und halbwahre Äußerungen über fremde Re 
gierungen zuerst aufnehmen, während sie doch 
auch daneben günstige und solche Artikel liefern, 
die jenen zum Vortheil gereichen, oder un 
besonnene und falsche Gerüchte widerlegen. Wenig 
aber in jedem Fall würde es verschlagen, ob das 
Verbot der Censur die jedesmalige Quelle solcher 
Anstößigkeiten, oder ihre Wiederhohlung ver 
stopfen wollte. Das Publicum würde sich sogleich 
zu helfen wißen und zwar vermuthlich eine andere 
als die confiscirte Zeitung bestellen, überall aber 
ungefähr die nämlichen Neuigkeiten im voraus 
sicher seyn wiederzufinden. Die Confiscation 
müßte folglich eine Zeitung nach der andern 
treffen; allein die übrig bleibenden erlaubten 
würden weder viel schuldiger, noch viel unschul 
diger als jene seyn. Um inzwischen den Geist 
einer jeden, zumal der bedeutenden, stets zu er 
forschen, wobei sich die Censur Commißion nicht 
auf die Blätter, welche das Publicum jetzo zu 
bestellen pflegt, beschränken darf, würde ihr 
wiederum ein ansehnlicher Geldfonds zu Gebot 
stehen müßen, wie bis jetzo noch nicht der Fall ist. 
Fest überzeugt, daß das deutsche Volk und 
noch viel fester, daß das heßische durch keine 
Schriften und Schreibereien irgend einer Art 
von seiner vielfach geprüften und bewährten An 
hänglichkeit an Religion, Sitten und seine an 
gestammte Fürsten abgebracht oder jemals in 
seiner Treue wankend gemacht werden könne; 
davon ausgehend, daß die beste und kräftigste 
Verhütung ruhestörender, unsittlicher Absichten, 
wenn sie je unter uns aufkeimen sollten, von
	        
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