Full text: Hessenland (33.1919)

Wohl in Frankreich; (und einer fremden, d. h. 
fremder Sprache sich bedienenden Literatur ent 
sagt das dortige Publicum leicht genug; blos 
im Elsaß drückt das Verbot) aber iu Deutschland, 
außer Oestreich, unsers Wißens in keinem 
einzigen Lande, selbst nicht in Preußen, 
auch nicht in Baiern und Würtenberg. Dieser 
Umstand dürfte von nicht zu übersehendem Ge 
wichte seyn. Mit Oestreich hat es eine eigen 
thümliche Bewandtniß. Die Censur wurde ur 
sprünglich durch den Einfluß der Geistlichkeit zur 
Bewahrung des Catholicismus gegen den Ein 
drang protestantischer Ansichten gegründet, und 
ihre Ausübung war lange Zeit hindurch in 
den Händen der Jesuiten, unabhängig selbst 
von der Staatsgewalt. Später wurde sie frei 
lich auch bei der hin und herschwankenden 
Politik des Kaiserhauses wider mancherlei poli 
tische Neuerungen gerichtet, und was sie dermalen 
ist, eine Hoscensur. Das Volk hat sich seit un 
denklichen Zeiten an sie gewöhnt und trägt sie 
leicht; der größte Theil des oestr. Staats be 
stehet aus Völkern, die an der deutschen Lite 
ratur, auf die es doch vorzüglich abgesehen war, 
nicht einmal unmittelbares Jntereße nehmen. 
Hierzu kommt, daß die beschränkte und durch 
eine strenge Mauth überall wirklich bewachte 
Einfuhr fremder Bücher dem Vortheil der oestrei- 
chischen vom Nachdruck lebenden Buchhändler 
gerade angemeßen war, wiederum aber, weil ohne 
den Nachdruck eine bedeutende Maße b a a r e s 
Geld außer Land gegangen wäre, der Nach 
druck von der Regierung geduldet und geschützt 
wurde. Ausländische Bücher stiegen nach in 
ländischem Papiergeld berechnet oft zu dem zehn 
fachen Preise und man hätte um so leichtere Hand, 
die Ausbreitung anstößiger Schriften zu hem 
men, während auf der andern Seite nicht zu 
leugnen ist, daß aus diesem Grunde auch eine 
Menge trefflicher Schriften dem oestr. Volke 
verborgen blieb. Ein Nachtheil, den Wißen- 
schaften und Künste dort nur zu schwer empfun 
den haben. 
Allerhöchster Einsicht kann es nicht entgehen, 
wie wenig irgend einer dieser besonderen Um 
stände, ohne welche, oder mit deren einstigem 
Aufhören, auch selbst die oestr. Censuraustalt 
eine gänzliche Änderung erfahren dürfte, aus 
unser Vaterland anzuwenden stehet. 
3.) Wie soll die Censur Commißion ihrem an 
befohlenen Amte Genüge leisten? 
Daß hier die Bestimmungen der allergnädigst 
erlaßenen Instruction keineswegs zu genügen 
scheinen, dürfen wir am allerwenigsten ver 
schweigen. 
Die Durchsicht der halbjährlich herauskom 
menden Meßcataloge bietet nur einen unvoll 
ständigen Überblick der neuen Literatur an. Nicht 
alle Buchhändler bedienen sich dieses Wegs, um 
ihre Verlagsartikel bekannt zu machen und aus 
begreiflichen Gründen nennen sich bei den ver 
dächtigsten Büchern gerade keine Verleger, folg 
lich kommen diese, welche hauptsächlich erforscht 
werden sollen, gar nicht in die Verzeichniße zu 
stehen. Ferner werden dergleichen Verzeichniße 
nur zweimal im Jahr ausgegeben, Bücher und 
Flugschriften erscheinen monatlich und wöchent 
lich, werden auch augenblicklich überall hinver 
sendet. Es ist aber klar daß ein Verbot neuer 
Artikel, sofern es nicht völlig leer und unwirk 
sam ausfallen soll, aus der Stelle geschehen muß. 
Unterzeichnete Commißion dürfte sich folglich 
weder aus Meßverzeichniße, noch Privatcataloge 
einzelner Buchhändler, zumal der sogenannte 
Sortimeathandel immermehr aus dem Gebrauch 
geräth, verlaßen, sondern müßte wenigstens an 
den bedeutendsten Bücherplätzen eigene Com- 
mißionäre halten, die ihr neue Erscheinungen 
uuverzögerlich mit der Post zuschickten; sodann 
mit den vornehmsten deutschen Buchhandlungen 
in einen stets fortgehenden Briefwechsel treten. 
Dieses wird einen beträchtlichen Kostenaufwand 
nach sich ziehen, für welchen die Allerhöchste 
Instruction keinen Fonds anzuweisen geruhet 
hat. 
Diese Censuranstalt dürfte aber nothwendig, 
ihrem Sinn und ihrer Bedeutung nach, keine 
solche seyn, die wir oben eine besondere 
nannten, sondern würde sich allgemein aus 
beinahe alle und jede ausländische Bücher zu 
richten haben. Dies folgt schon daraus, daß 
man gar nicht im Stande ist, den gefährlichen 
oder verdächtigen Inhalt mancher Schriften aus 
ihren oft unschuldigen Titeln zu rathen. So 
haben sich nicht nur gelehrte Recensionsanstalten 
und selbst dem Vergnügen bestimmte Blätter mit 
unter Anzüglichkeiten über Kurheßen erlaubt, 
sondern es können sich dergleichen überall, ohne 
daß man es zum voraus weiß, in Romanen, 
Reiscbeschreibungen, vermischten Sammlungen 
finden. Streng wißenschaftliche Werke im Fache 
der Theologie, Jurisprudenz, Staatswirthschaft, 
Philosophie pp enthalten sehr leicht Äußerungen 
über Religion und Staat, derentwegen sie vor- 
geschriebenermaßen in osnsum kommen würden, 
ja das verfängliche pflegt gerade seiner Natur 
nach sich gern in den Schein des unverdächtigen 
zu hüllen. Den inländischen Buchhandlungen, 
die schon durch die Censur an und für sich be 
schränkt und gefährdet werden, dürfte man nur
	        
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