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Drucker oder Verleger zu schicken und ihnen
demnächst zurückzuschicken wären; wie manche
auf den Augenblick oder eine kurze Zeit berech
nete Gelegenheitsschrisj, deren Inhalt die Cen
sur meistentheils ganz unschuldig befinden würde,
deren Durchsicht sie aber, um ihrer Pflicht nach
zukommen, nicht vermeiden dürste, müßte durch
den verursachten Aufschub leiden, um nicht zu
sagen, ihren Zweck völlig vereitelt sehen! es
sey denn, daß in jeder Stadt eigene (der hiesigen
entweder untergeordnete oder unabhängige) Cen
sur Commißionen errichtet würden.
Allein abgesehen hiervon, so wird, was noch
viel wichtiger ist, das worauf es der Censur
ankommt, gar leicht elidiert werden können.
Der Schriftsteller, welcher etwas irreligiöses, un
sittliches oder dem Staate anstößiges im Schilde
führt, braucht sich lediglich an eine auswärtige,
nicht erst weit zu suchende, Druckerei zu wenden
und wird dieses in den meisten Fällen unbe
denklich thun. Ohne daher dem Übel zu steuern,
wird diese allgemeine Censur von einer andern
Seite betrachtet mehr auf den Unschuldigen fallen,
den heßischen Druckern oder Verlegern schäd
lichen Abbruch thun, Reclamationen veranlaßen
und unter dem Publicum Mißvergnügen über
eine neue, bisher ungewohnte Einschränkung der
bürgert. Freiheit rege machen. In der That
wüßten wir uns wenigstens keines einzigen Bei
spiels zu erinnern, daß in neueren Zeiten aus
einheimischen Preßen eine confiscationswürdige
Druckschrift ans Licht getreten wäre.
So erheblich inzwischen diese Bedenklichkeiten
gegen eine Belastung der inländischen literarischen
Thätigkeit sprechen mögen; so laßen sich
II. noch ungleich stärkere und triftigere gegen
eine Censur der aus dem Ausland einzuführenden
Schriften vorbringen. Die hierbei einschlagen
den Fragen erlauben wir uns pflichtschuldigst
der Reihe nach zu stellen und zu beantworten.
1 .) in welchen-Staaten kann eine solche Cen
sur ausgeübt werden?
Nur in großen, wie Rußland, Oestreich, Frank
reich, die aus ihrer eignen Mitte dasjenige her
vorzubringen vermögen, was bei der Maße des
Volks die Bedürfniße der Literatur und Lese
lust ausfüllt, wo also die Regierung selbst durch
positiven Einfluß auf ihre inländische Schrift
stellerei dem Geiste im voraus begegnen kann,
den sie durch Verbote zu hemmen sucht, — nicht
in kleineren Staaten, wie Heßen, Würtenberg,
selbst nicht in Baiern. Der unbefriedigte Trieb
des Publicums wird hier sogleich jedes vorfal
lende Hinderniß gewahr und seine Neugierde nur
desto stärker angereitzt werden, sich auf ver
botenen Wegen darüber hinaus zusetzen.
Ferner: nur in solchen, deren Grenzen vor
dem Anströmen ausländischer Literatur, sey es
durch die Natur oder eine strenge Mauthein
richtung hinlänglich gedeckt sind, — folglich nicht
in Heßen, dem allerseits Länder und Städte
nahliegen, in denen ein unvergleichbar größerer
literarischer Umtrieb herrscht und von woher es
außerordentlich leicht ist, alle Bedürfniße dieser
Art zu befriedigen. Verbotene oder einzuführen
erschwerte Artikel wird sich der Hanauer also-
gleich aus Frankfurt, der Oberheße aus Gießen,
der Niederheße aus Göttingen, der Schaum
burger aus Hannover verschreiben. Hierbei
dringt sich die nothwendige Bemerkung auf, daß
die kurheßischen Buchhändler durch diese ein
zige Maasregel nach und nach um ihre meisten
und besten Kunden gebracht werden können, ja
daß aller inländischer Buchhandel seinem Unter
gang entgegenzusehen hat. Denn indem er auch
die von der Censur erlaubt werdenden Bücher
erst um ein bedeutendes später, als der Aus
länder liefern konnte; würden sie ihm des ver
lorenen Reitzes der Neuheit wegen auf dem
Lager liegen bleiben und er es bald nicht mehr
wagen dürfen, sich auf weitere Bestellungen ein-
zulaßen.
Daß und wie aber die Einfuhr von Büchern
auswärts her verhütet werden möge, kann man
nicht einsehen. Bisher haben die Postämter ein
gehende Bücherpäcke uneröffnet dem Publicum
ausgeliefert und in Fällen, wo der Absender
etwas besonderes zu besorgen schiene, werden
Miethkutscher, Fuhrleute, Boten und Reisende
gar nicht anstehen mitzunehmen, was vielleicht
einen ganz unbedeutenden Raum einnimmt. Der
bloßen Literatursperre zu Gefallen eine Mauth-
linie rings um Kurheßen zu ziehen, würde
nicht nur große Administrationskosten, sondern
auch ein ganz anderes Personal in jeder Hinsicht
als das der dermaligen Censur Commißion er
fordern; sicher aber derjenigen landesväterlichen
Weisheit widersprechen, die es dem Wohl der
Unterthanen und dem Gedeihen des inländi
schen Handels und Wandels angemeßen findet,
daß die Einführung fremder Waaren in Kur
heßen überhaupt nicht nach den strengen Vor
schriften ausgespürt und beurtheilt werde, welche
die Accise- und Douaneneinrichtung größerer
Staaten in diesem Stücke an Hand gibt und
wirklich in Ausübung bringt.
2 .) in welchen anderen Staaten bestehet eine
Censur für einzuführende fremde Schriften?