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gearbeitet. Die beiden Künstler hielten sich des
halb 6 Monate lang in Karlshafen auf. Danach
konnte man daran gehen, die drei Blöcke, aus denen
die Figur in der Hauptsache besteht, nach Kassel
zu schaffen. Hierbei stieß man aber auf große
Schwierigkeiten. Die Wege befanden sich in sehr
üblem Zustande. Die Mnstler waren genötigt,
eigene Maschinen zur Weiterbeförderung zu er
finden; ferner mußten beständig Bohlen gelegt
werden, damit der Wagen nicht in den Erdboden
einsank, 30 bis 40 Pferde Vorspann waren nötig.
Man war volle 3 Wochen unterwegs und der
Transport kostete erhebliche Ausgaben, so daß
jeder der drei Blöcke mit der Beförderung bis
Kassel auf über 1000 Taler zu stehen kam. Auch
in Kassel ging der Transport nicht ganz glatt
ab. Die Räder des Wagens sanken auf der Fahrt
vom Holländischen Tore zum Friedrichsplatz fuß
tief in das Straßenpflaster der Königsstraße ein.
Auf dem Friedrichsplatze, den Landgraf Fried
rich II. auf der Esplanade der ehemaligen, von
ihm geschleiften Festungswerke hatte anlegen lassen,
ging nun Nahl an die Ausführung der Bildsäule
im Feineren. Es war zu diesem Zwecke ein Bretter
verschlag auf dem Platze errichtet worden, der
Nahl zur Werkstatt diente und in der Goethe 1779
die im Werden begriffene Statue besichtigte. Der
Mnstler war in seinen letzten Lebensjahren schwer
vom Podagra geplagt und oft genötigt, sich in
einer Sänfte (einer „Portechaise") nach seiner Ar
beitsstätte tragen zu lassen. Er erlebte auch die
Enthüllung des Bildwerkes nicht. Am 22 . Ok
tober 1781 starb er. Sein Sohn Samuel vollendete
das Werk, das am 14. August 1783, dem Geburts
tage des Landgrafen, enthüllt wurde.
Das geschah mit großem Auswande von Pracht.
Die Bretterbude war entfernt, dafür aber ein
großer Teil des Platzes durch eine hohe Leinwand
abgesperrt worden. Der Professor der Historie und
der schönen Wissenschaften am Collegium Caro
linum, Rat Casparson, hielt eine, später im Drucke
erschienene Rede über „die glücklichen Aussichten
Hessens unter der Regierung Friedrichs II., regie
renden Landgrafen zu Hessen, an Höchstdero Ge
burtsfest, dem 14. August, dem Tage der feyerlichen
Aufdeckung der Statue," 2 in der der Landgraf in
der damals üblichen Weise gepriesen wurde. Dann
hielt der Erbmarschall von Hessen, Georg Ludwig
Riedesel Freiherr zu Eisenbach eine schwung
volle Ansprache 3 und übergab im Namen der Land
stände das Denkmal dem Fürsten und dem Lande.
2 Kassel, 1785, 4«, 16 Seiten.
3 Auch diese Rede („Empfindungen getreuer Unter
thanen für ihren geliebten Fürsten .... Kassel 1783")
ist im Druck erhalten. Verfaßt wurde sie von dem
Die Leinwand fiel unter dem Donner der Kanonen,
und das herrliche Standbild bot sich den Augen
der zahllosen Zuschauer, die sofort die große Ähn
lichkeit des Bildes mit dem Landgrafen feststellten.
Die Bildsäule stand mit dem Gesichte nach der
großartigsten Schöpfung des Landgrafen, nach dem
Museum Fridericianum und der darin noch heute
befindlichen Landesbibliothek, gewendet. Der mit
der Treppe 22 Fuß hohe Sockel war mit grauem,,
grün gesprenkeltem Marmor bekleidet, von dem
sich die 15 Fuß hohe Figur aus weißem, carra
rischen Marmor wirkungsvoll abhob. Der Land
graf ist in einer aus antiker und moderner Tracht
gemischten Kleidung dargestellt, die aber so ge
schickt angewendet ist, daß das an sich Verkehrte
dieser Darstellung kaum auffällt; in der Hand
hält der Landgraf den Kommandostab; er trägt
den englischen Hosenbandorden und den preußischen
schwarzen Adler-Orden, während der hessische Or
den pour la vertu militaire und der hessische Goldene
Löwen-Orden neben ihm auf einem Kissen auf
der Erde liegen, wo auch der Helm seinen Platz
gesunden hat. Das ganze Bildwerk besteht aus drei
großen Blöcken und zwei kleineren für den Kopf
und den einen. Arm; alle fünf Stücke sind so
geschickt verbunden, daß nur bei genauester Be
trachtung die Zusammensetzung erkannt wird. Über
die Inschrift, die in goldenen Buchstaben am
Sockel angebracht ist, war lange hin und her ver
handelt worden. Endlich einigte man sich auf die
einfachen Worte:
Friderico II.
Patria
MDCCLXXXIII.
Ein Viereck von hohen eisernen Staketten mit ver
goldeten Spitzen und 4 Laternen an den Ecken
umgibt das Standbild.
So stand das Kunstwerk bis zum Jahre 1808.
Die westfälische Regierung, die aus dem Museum
Fridericianum den Palast der Reichsstände machte
und den Friedrichsplatz danach „Ständeplatz"
nannte, fand erklärlicherweise keinen Gefallen an
der Figur. Sie ließ das Denkmal entfernen, ohne
aber etwas anderes an seine Stelle zu setzen. Auch
der 1813 zurückgekehrte Kurfürst Wilhelm I. brauchte
mehrere Jahre, bis er sich aus das Denkmal seines
Vaters besann. Erst 1817 ließ er das Standbild
wieder an der alten Stelle errichten, womit man
erst im folgenden Jahre fertig wurde. Den Mar
morsockel hatten die Franzosen aber zu irgend
welchen Zwecken verbraucht, und so stellte man denn
damals am Collegium Carolinum als Professor wirken
den Georg Förster und ist von Leitzmann im 91. Band
des „Archivs f. d. Studium d. neueren Sprachen u.
Literaturen" Seite 149 f. wieder abgedruckt.