Full text: Hessenland (33.1919)

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7. 
den 18 Sept: 42. 
Theure, gütige, treue Freundin! 
Ich kann Ihnen gar nicht sagen, mit welcher 
Empfindung von Dank und Freude mich der 
Empfang Ihres Vertrauensvollen Darlehns er 
füllt hat, Ja, ich empfange es wie eine wahre 
Himmelsgabe. Auch ist es mir ja in der That 
s o geworden. Eigentlich habe ich Jhnm nur 
den schweren Druck angsedseutet, der meine letz 
ten Tage verbittert und für mein Gemüth eine 
harte Prüfung ist. Den tiefen Wunsch, der in 
meiner Seele seit einiger Zeit aufstieg, Hülfe 
zu finden, haben Sie doch im Grunde mehr 
heraus gelesen, als ich ihn ausgesprochen habe. 
Ist das nicht Gott? Er gab Ihnen den Glauben 
in die Seele mir zu vertrauen, mir den Glauben 
an Hülfe, und zwar durch den edlen und himm 
lischen Geist, der seit langen Jahren, mich er 
hebend, tröstend, ermutigend und erleuchtend 
leitete. Ob dieser liebevolle hohe Geist nicht 
vielleicht auf Ihr liebevolles Herz einwirkte?? 
Es ist eine Hypothese, aber eine sehr wohlthuende 
für mich. Vertrauen wir Beide diesem Einfluß 
und der guten Sache. Ich kann es nicht er 
warten, bis ich Sie an mein dankbares Herz 
drücke. Morgen sende ich nun die Summe größ- 
tentheils ab und wälze einen großen Theil der 
Zentner schweren Last von meiner Brust. Gott 
und Ihnen Dank! Hr. Schl: habe ich gebeten' 
an meiner statt zu schreiben, da die Berührungen 
mich schmerzen. Haben wir uns aber einmal ge 
wöhnt, alles, was uns trifft, als höhere Fügung 
oder doch Zulassung, anzusehen, so verlichrt der 
Schmerz seinen Stachel. Wie wird Th. sich be 
nehmen? Die Zinsen betragen seit 1835 221/2 
Thaler. 
Bis heute wollte ich warten, ob Herr Clement 
nichts von sich hören ließ. Heute nun habe ich 
gefragt, ob er meine Papiere empfangm und 
vergessen habe? Vorerst sende ich Jhnm nur 
„provisorisch" einen Handschein, bis ich einm 
völlig richtigen beglaubigten geben kann. Was 
mag nur dies lange Schweigen bedeutm? ich 
habe ihm nichts davon gesagt, daß ich gar nicht 
gehen kann — nimmt er es mir vielleicht übel, 
daß ich nicht zu ihm komme? es ist ganz im 
Widerspruch mit aller mir früher bewiesenen, 
bereitwilligen, wirklich liebreichen Güte und be 
trübt und beunruhigt mich. Sehen Sie ihn wohl? 
Über Ihre Emilie habe ich mich sehr gefreuet, 
und sie hat mich in einer gewissm Ähnlichkeit 
mit ihrem verklärten Vater sehr gerührt. Wo 
diese Ähnlichkeit ist, weiß ich eigentlich nicht, 
ich habe sie aber, wehmüthig gerührt, emp 
funden. Aber das liebe Mädchen hat sich, seit 
ich sie nicht sah, ungemein anziehend und liebms- 
würdig entwickelt, auch das hat mich gefreuet, 
daß sie sehr blühend und sehr hübsch geworden 
ist. Ich wünsche Ihnen recht herzlich Glück, 
geliebte Freundin, daß Jhnm so in der liebm, 
liebenden Tochter früh eine Freundin reist. Das 
ist mir immer wie ein sehr großes Glück er 
schienen. 
Kommen Sie ja bald zu Ihrer ewig dank 
baren 
Charlotte. 
Auf der vierten Seite des Briefbogens findet 
sich von der Hand der Witwe Schomburgs der 
Eintrag: 
Im August 1844 empfing ich das Darlehen 
zurück, die Dankbarkeit der liebm Freundin hat 
mich oft beschämt, diese Gefälligkeit war für 
mich zugleich eine Freude. Die Liebe, mit wel 
cher sie mir dankte, hat mich beglückt. — 
Dorothea. 
8 . « 
den 30/11 43 Abends 
Ach! ich kannte Ihr Unglück und den schmerz 
lichen Verlust, den Sie erlitten haben,. meine 
arme, geliebte, unglückliche, schwer geprüfte 
Freundin, und schwieg — weil ich keinen Trost' 
weiß, keinen! als der von Oben kommt. Gott 
ergieße ihn in Ihre leidende Seele, in Ihr zer 
rissenes Herz, und erhalte Jhnm die andern 
lieben Kinder! — und die stille Ergebung, die 
stets in Ihrer frommen Seele war, und die unter 
so unerforschlich - schweren Verhängnissen wir 
armen Menschen wohl verliehren können. Ans 
age l i t t e n hat wenigstens hier das herrliche, 
Hoffnungsreiche Kind 7 , und es hört nun einer 
. höheren Sorge an, die es aus dm mütterlichm 
Armen in die Arme des Vaters bringt und 
unter seine Leitung. 
Ich weiß. Sie haben meine treue Theilnahme 
nicht bezweifelt, und denke oft, meine Sie um 
schwebenden Gedanken müßten bei Jhnm laut 
werden. O! warum kann ich nicht mehr die 
Wartung mit Ihnen theilen! warum nicht Jhnm 
zur Seite sein! Wer steht Jhnm ber? wer ist 
Ihnen hülfreich? Das frage ich täglich und 
erhalte keine Antwort! wer trocknet Ihre 
Thränen in dieser bangen Zeit? Die ewige 
Liebe verläßt Sie nicht! gewiß nicht! ich lege 
Sie an Sein Vaterherz. - 
Ganz die Ihrige 
Charlotte. 
7 Hermann Schvmburg, der 11i/zjährig am 29. No 
vember 1843 starb.
	        
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