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Verhältnisse als die Grundbedingung alles Glückes
ansähe.
Tränen sind reichlich aus schönen Augen geflossen.
„Die Eltern haben doch alles in Hülle und
Fülle" — das war die oft wiederholte Entgegnung
der Frau. Großvater nahm dann das Wirtschafts
buch noch einmal zur Hand und las laut die ein
getragenen Posten vor. Neben den Ausgaben
für die Wirtschaft gab es eine Anzahl von per
sönlichen Ausgaben für die Frau und Geschenke
für ihn: „Eine Modestie aus Tüll mit blauem
Seidenband zu einer Blusenschleife. Eine schwarze
Allaskrawatte für meinen Mann. Ein hellblau
Gürtelband und eine Haarschleife. Eine Mullrische
für den Halsausschnitt. Ein Paar silberne Schuh
schnallen. Ein Paar Filethandschuhe."
„Waren diese Dinge unbedingt nötig?" fragte
der Landrichter, und seine Stimme soll dabei ge
zittert haben, denn es fiel ihm schwer, seiner jungen
Frau die Freude am Leben zu vergällen oder gar
als mißgünstig zu erscheinen.
„Ich wußte nicht, daß du so kleinlich bist —"
Aus der Weinenden wurde eine Trotzige.
„Die schwarze Atlaskrawatte hatte deinen Bei
fall, es war nötig, daß du beim Kreistag eine
gute Figur machtest."
„Ich will meinen Teil Schuld, die in Gedanken
losigkeit bestand, gern tragen. . . . Mir ist nichts
lieber, als dich schmücken zu können, und ich will
gern so gekleidet gehen, daß ich dir gefalle und
wie es meinem Stand "angemessen ist, aber das
soll aus eigenen Mitteln bestritten werden."
Einige Tage war der Ehehimmel der jungen
Leute umdüstert. Dann ist es dem Großvater
gelungen, seiner Frau die „rechte Einsicht" beizu
bringen. Auch eine Aussprache mit dem Herrn
Schwiegervater hatte stattgefunden. Der hat erst
laut gelacht über die Engherzigkeit und Haar
spalterei des Schwiegersohnes:
„Wer kann sich um das einfältige Geld so auf
regen, mein Bester!"
Nachträglich, als der Landrichter seinen Stand
punkt ernst und schlicht verteidigte, ist er nach-
denksam geworden.
„Gewiß, die Lisbeth muß auskommen lernen
mit dem, was der Herr Sohn ausgeworfen hat."
Er hat sich die Stirn gerieben und geseufzt:
„Weiß der Himmel, wie schwer es ist auszu
kommen ! Maß halten können — auch im Freude
machen und beim Guttatenausteilen!" fügte er
hinzu und dachte daran, daß seine drei Söhne auf
der Universität viel mehr verbrauchten, als es,
genau besehen, seine Mittel erlaubten.
Großmutter ist nicht gleich in den ersten Monaten
nach diesen Auseinandersetzungen, die Großvater
Gewitter im Mai nannte, mit ihrem Wirtschasts-
geld ausgekommen. Meist schon am zwanzigsten
haperte es bedenklich. Großvater hat jedesmal,
ohne zu murren, den Fehlbetrag zugeschossen. Das
hat einen großen Eindruck auf die junge Frau
gemacht.
„Ich habe mir alle Mühe gegeben, lieber Mann"
— hat sie beschämt gesagt.
„Wir kommen mit gutem Willen an das gute
Ziel" — gab er zur Antwort und hat Mühe ge
habt, seine Würde zu wahren und nicht der jungen
Frau stürmisch um den Hals zu fallen, weil ihr
diese demütige Art gar zu lieblich stand.
„Ich will mir standhaft alle törichten Wünsche
abgewöhnen", gelobte sie weiterhin.
Großvater hat kein Wort dazu sagen können.
Die Rührung hat ihn stumm gemacht. Am Abend
aber hat er ein kleines, in grünen Saffian ge
bundenes Büchlein vor seine Frau hingelegt und
hat gesagt: „Meine gute Liebe, das Wünschen
soll sich kein Mensch abgewöhnen, auch du nicht.
Was würde aus der Welt, wenn die Menschen
das Verlangen und Wünschen verlernten! Hier
nimm dies Büchlein. Es trägt einen Einband
in der Farbe der Hoffnung. Ich habe ihm einen
Titel gegeben —- "
Er schlug es auf. Da stand auf der ersten Seite
mit schönen Schnörkeln und Gezweig umgeben,
das aus Rosenkränzen, in denen ein schnäbelndes
Taubenpaar saß, gefügt war: „Mein Wunsch
büchlein".
Großmutters stagender Blick wurde also beant
wortet : „In dies Buch schreibe einen jeden Wunsch,
den du hast. Tue es ohne Scheu. Schreibe aber
jedesmal den Preis dahinter, den eine Erfüllung
kosten würde. Wir wollen danp am Ende eines
jeden Monats zusammenrechnen, wie hoch diese
Summe deiner Wünsche sich belaufen wird und
ob ihre Erfüllung uns die Ruhe unseres guten
Gewissens stören würde."
Großmutter nahm das Büchlein mit geteilten
Gefühlen. Sie hat kopfschüttelnd auf die Tür ge
sehen, hinter der ihr gestrenger Eheherr verschwand,
ja sie hat sogar die Achseln gezuckt. Da sie aber
eine ehrliche und aufrechte Seele war, der es im
Ernst um Frieden tfftö Liebe zu tun war, schrieb
sie wirklich ihre kleinen und großen Wünsche in
das Buch. Sie soll sehr erschrocken gewesen sein,
als sie nach einem Monat schon das Ergebnis zog.
„Soll ich es nicht lieber unterlassen, meine Wünsche
aufzuschreiben? Da es gar keinen Zweck haben
kann, da dein Geld doch nicht ausreicht, sie zu
erMen!"
„Nein, schreibe getrost weiter. Ein Zwtzck wird
sicher erreicht. Du wirst einsehen lernen, daß es