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hard geb. Gatterer". Eine sehr überraschende Aus
gabe für eine alte deutsche Dame. Ich habe das
Buch nicht auffinden können, aber in den „Blät
tern für literarische Unterhaltung Februar 1830"
wird es mit den Worten eingeführt: „Hier ist die
Triebfeder (zur Übersetzung) nicht in einem un
würdigen und undeutschen Kitzel der Phantasie,
sondern im unbefangenen Gefühle der Schönheit
zu suchen. Hier, wenn irgendwo, ist Mäßigkeit
und Sittsamkeit selbst auf schlüpfrigem Pfade zu
erwarten. Und so sagt dann auch die Übersetzerin
recht schön in ihrem Borwort: „Wie einem schönen,
talentvollen Knaben, den ein fetiter Zirkel kennen
lernen will, den sein Mutwille aber eben in
Pfützen und Dornbüschen herumtrieb, die Mutter
erst Haar und Kleid ordnen, Hände und Gesicht
säübern muß, und wie sie die schmutzigen Spiel
zeuge und die Armbrust mit dem unheilbringenden
spitzigen Bolzen ihm entreißt — und ihn dann
einführt und er alles entzückt durch seinen Geist
und Witz und die zarteste Gutmütigkeit (ein wenig
Schelmerei muß ihm bleiben, sonst wäre er nicht
er selbst): so mußte ich alte Dichterin mit Herrn
von Beranger verfahren. Und so erlauben An
stand ünd Rücksicht, ihn der gesitteten deutschen
Lesewelt darzustellen."
Aus einem Briefe des Württembergischen Dich
ters G.' Schwab ist zu ersehen, daß er der Ver
fasser dieser Anzeige gewesen ist. Philippine hatte
sich an ihn gewandt und er antwortet ihr u. a. :
„Mit Vergnügen sage ich ein öffentliches Wort
über Ihre, wie mir scheint mit Dichtergeist und
Leichtigkeit nicht nur übersetzten, sondern deutsch
und sittsam gemachten Lieder des geistvollen, leicht
sinnigen Beranger, der freilich am entgegenge
setzten Pole der französischen Poesie singt mit
meinem schwermütigen Lamartine. Daß Sie auf
einer vorgerückten Laufbahn Kaltsinn und Gleich
giltigkeit erfahren, begreife ich, wenn ich sehe, wie
es gegenwärtig auf dem Parnaß und frit. Forum
hergeht. Man darf nur kaum zwanzig Jahre singen
wie ich, so ist einen das deutsche Publikum schon
ganz gewohnt und hat schon wieder sechs neue
Liedermoden durchgemacht. Doch was tut's? Das
Lied, das aus der Kehle dringt, ist Lohn, der
reichlich lohnet! Mit Rührung habe ich das Bild
gelesen, das jSie mir von Ihren häuslichen Ver
hältnissen entwerfen. Ich denke mich mit einer
lieben Frau und vier oder bald fünf Kindern schon
so reich, und nun zehn Kinder, dreißig lebende
Enkel und fortblühende Liedergabe und warmen
Sinn für das Streben Jüngerer, da können Sie
sich wohl über Webt* und Kritik wegsetzen."
Was Philippine selbst in einem Brief über diesen
Punkt schreibt, kann als Schlußwort ihrer Dichter
lausbahn gelten: ,Mrigens beschà ich mich frei
lich gern, in dem Strom der jetzigen Zeit Mt
unterzugehn. Mich tröstet die ehrenwerte Gesell
schaft! Kaum kennen und lieben nach einige Alte
die Lieder von Hölth, süß rà unschädlich wie
Reseda und Nachtviolenduft, die kräftigen lieb
lichen Oden von Stolberg und Klopstock, von dem
mehrere Oden hinreißend schön .und jedem ver
ständlich sind. So manchem Kreis mn Frauen
und Mädchen nannte ich sie zur Probe: die meisten
kannten ihren Namen nicht! Wohl haben wir in
jetziger Zeit Dichter, die ich. wunderMll nennen
möchte, so wissen sie die deutsche Sprache zu ge
brauchen, so melodisch und kräftig dichten sie und
deren Phantasie göttlichen Ursprungs ist. Aber
ist's wohl klug und billig, nur einerlei Art Dich
tung zu schätzen? Wunderliche Marschen! Me
groß ist z. B. die Verschiedenheit der Früchte:
Südlich und nördlich — in Farbe, Gestalt uà
Wirkung so mannigfaltig — und die Feinschmecker
verschmähen nicht leicht eine Art derselben, und
der geistige Genuß des Schönen, der aus der müh
seligen Gewöhnlichkeit des Lebens oft freundlich
und selig uns erhebt — soll nur einerlei Modeweise
sein!"
Im Sommer 1831 ging die Cholera durch
Deutschland. Die große Furcht bor dieser neuen
schrecklichen Krankheit jagte Philippinen aus Kassel
fort nach Magdeburg und von da aufs Land nach
Althaldensleben. Und als auch dort Vorberei-
tungen zur Abwehr des argen Feindes getroffen
wurden, trieb sie es noch einmal nach Kassel
zurück. Aber nicht auf lange, wieder ging sie
ins Magdeburgische und käm endlich in Blanken
burg am Harz an, wo sich ihre Tochter Karolnre
für einige Monate aufhielt. Die Tochter war er
schrocken über das Aussehen der Mutter, aber diese
hielt sich noch einige Tage, machte auch einen
weiten Spaziergang in die schöne Umgebung hinaus.
Dann legte sie sich zu Bett, aber nicht mit der
gefürchteten Cholera, sondern mit einer Nieren
entzündung. Ein wiederholter Schlagansall nahm
ihr fast ganz die Besinnung. Während ihrer letz
ten Stunden sang gerade die Kurrende ihre geist
lichen Lieder vor dem Hause, und Philippine Wb
durch Zeichen zu verstehen, daß sie zuhöre. Mre
Tochter kniete am Bette nieder und betete um ein
sanftes Ende, das dann auch am Abend des
28. September 1831 eintrat.
Auf dem alten Blankenburger Frichhof ist sie
begraben, und freundliche Hände pflegen noch
immer ihr Grab. Ihr Denkmal wurde demjenigen
des Dichters Theodor Körner nachgebildet, ohne
das Schwert, nur mit der Leier. Auf den Seiten
des Steines stehen außer Namen uà Daten fol-