Full text: Hessenland (32.1918)

trotzdem willkommen. Als solche bringt sie überdies eine 
Überraschung. Neben den in Hessen wohlbekannten Au 
toren wie Bock („Alte Liebe"), Holzamer („Herbst"), 
Schultheiß („Das Koppel") und dem Westerwälder Stern- 
berg („Der gläserne Hirsch") wird der Leser mit Ver 
tretern der expressionistischen Richtung bekannt gemacht. 
Kasimir Edschmid steuert aus seinen „Sechs Mündun 
gen" iden stofflich wie stilistisch gleich interessanten „Lazo" 
bei, Albert H. Rausch seine seltsame „Bvette" und Phi 
lipp Krämer eine realistische Jungengeschrchte „Der Achat 
schusser". An den Illustrationen Hermann Keils wird 
mancher Altmodische seine Kenntnis des Futurismus 
und Kubismus fördern können; nur steht zu befürchten, 
daß er sich gegenüber diesen an das Primitive der Kunst 
anknüpfenden mathematischen Konstruktionen (vom Wür 
fel haben sie's gelernt) mit dem Raffinement absichtlich 
verzerrter Zeichnungen und bewußt entgleister Striche, 
die das „Geistige in der Kunst" zum vollendetsten 
Ausdruck zu bringen suchen, verständnislos und ablehnend 
verhalten wird. — 
„Der Ioggeli" Wilhelm Specks ist wieder 
einmal in neuer Auflage erschienen (Berlin, Martin 
Warneck, 1918, 49—59. Tausend, 71 Seiten), und es 
wird wenig literarisch interessierte Häuser in Hessen 
geben, in dem diese rührende Erzählung von dem 
schlichten und gütigen Dutenbacher Holzbauern und 
seinen drei Heimaten noch unbekannt ist. Auch diesmal 
wird das kleine Buch nach dem Wunsche des Verfassers 
vielen Lesern warm und herzlich in die Seele hinein 
läuten. Unter der Joggelilinde über dem Dohlsbrunnen 
bei Orpherode, die schon zu gewisser Berühmtheit ge 
langt ist, wurde neuerdings von einem hessischen Verein 
der Werragegend eine Ruhebank aufgestellt. Auch dieser 
Auflage ist ein autobiographisches Geleitwort des Ver 
fassers vorausgeschickt. Specks „Joggeli" bedarf keiner 
neuen Empfehlung. 
Die Freunde Kasseler Mundart sind in den letzten 
Fahren bei der Fülle der Erscheinungen auf ihre Kosten 
gekommen. Schon vor Jahresfrist wurde an dieser Stelle 
betont, daß von all diesen Darbietungen neben den 
Werken von Jonas, Herzog und Lüttebrandt kaum noch 
etwas Anrecht hat, als Niederschlag Kasseler Dialektes 
auf die Nachwelt zu kommen. Wilhelm Lütte- 
brandts „Gasgenaden un Schmagug- 
g e n", die uns Weihnachten 1917 eine so ungetrübte 
Freude bereiteten, sind damals gebührend gewürdigt wor 
den. Diesmal begnügen wir uns mit dem erfreulichen 
Hinweis, daß sie jetzt in zweiter verbesserter Auflage 
erscheinen konnten. Es war ihnen sogar möglich, das 
etwas gar zu fadenscheinige kriegsmäßige Gewand ab 
zutun und sich in stattlicher Aufmachung vorzustellen 
(Kassel, L. Messing, 1918. 149 Seiten. Preis 4 M). 
An den 8 Zeichnungen des Verfassers wird jeder 
Kasselaner seine helle Freude haben, und ebenso an dem 
unverwüstlichen .Humor, der aus jeder dieser waschechten 
Erzählungen zu uns spricht. Ich fürchte, Lüttebrandt 
wird der letzte gewesen sein, der uns vom alten Kassel 
und seiner Sprache zu erzählen weiß, und er hat das in 
so köstlicher Weise getan, daß ihm noch späte Ge 
schlechter Dank wissen werden. Er ist sich durchaus be 
wußt, daß er mehr will als ergötzliche Unterhaltung- 
bieten; es ist sein ernsthaftes Bemühen, alten Sprach 
schatz der Vergessenheit zu entreißen, und deshalb sei 
von neuem der Wunsch ausgesprochen, daß der lexikalische 
Anhang einmal in stark erweiterter Sonderausgabe er 
scheinen möge. Daneben aber wollen wir diesem begabten 
Erzähler Dank wissen, wenn er diesem seinem Band 
recht bald einen solchen mit neuen Erzählungen folgen 
läßt. Schade um jede Schnurre, die er für sich behält. 8 . 
Fritz Stück. Freistaat Hessen? Ein Mahn-- 
wort. Kassel (K. Victor) 1918. 16 Seiten. Preis 
0,50 Mark. 
In dieser von aufrichtiger Liebe zur hessischen Heimat 
erfüllten Schrift wendet sich ein überzeugter Demokrat 
und Föderalist an alle Parteien. Er weist darauf hin, 
daß schon seit 1866 namhafte deutsche Männer sich 
für einen föderativen Zusammenschluß aller deutschen 
Staaten ausgesprochen haben. Großdeutsch sei auch die 
Losung der geistigen Führer von 1848 gewesen. Leb 
haft tritt der Verfasser für die Bildung eines Frei 
staates Hessen ein, der beide Hessen, Nassau und Wal 
deck umfaßt, begründet diese Forderung eingehend, 
charakterisiert diese Frage der Selbständigkeit Hessens 
als eine deutsche, im Sinne des Grundgedankens des 
Föderalismus zu lösende und regt schließlich an, daß 
das gesamte hessische Volk die von ihm zur National 
versammlung zu entsendenden Männer zuvor klare Stel 
lung nehmen lassen müsse zur Frage des Freistaates 
Hessen, überall stellt Stück den großdeutschen Stand 
punkt -und das Streben, die Reichseinheit zu festigen, 
in den Vordergrund. Seine Broschüre wird nicht ver 
fehlen, in Hessen, wo diese Bewegung bereits auf alle 
Kreise und Stände übergegriffen hat, lebhaftem Inter 
esse zu begegnen. H. 
Hessische Reformationsgeschichte in Ein 
zeldarstellungen. A. Zur Reformationsge- 
schichte Fritzlars. 1. Heft: Jost Runcke. 
Von Friedrich H o f f m a n n. Kassel (Pillardy 
u. Augustin) 1918. 64 Seiten. Preis 2 Mark. 
Nach dem Gesamttitel zu urteilen, besteht der über 
aus zu begrüßende Plan, die Einführung der Refor 
mation in Hessen in wissenschaftlichen Einzeldarstellungen 
zu behandeln. Diese erste Veröffentlichung bedeutet einen 
erfreulichen Anfang. Friedrich Hoffmann, Pfarrer zu 
Obermöllrich und Fraumünster, schildert in frischer und 
humorvoller Weise das Leben des einstigen Leinwebers 
und -späteren Pfarrherrn zu Obermöllrich und Frau 
münster, des um 1581 verstorbenen Jost Runcke, be 
richtet sauf Grund der Archivalien und der gedruckten 
Literatur, namentlich der vor vier Jahren von Jürges, 
Leiß und Dersch bearbeiteten „Waldecker Chroniken" 
über die reformatorische Bewegung in Fritzlar und 
Umgebung und versteht es, durch Herausheben des Per 
sönlichen aus den Urkunden seine Darstellung so plasüsch 
zu gestalten, daß die Lektüre auch dem Laien zum Ge 
nuß wird. Möge dieser wohlgelungene Anfang bald seine 
Fortsetzung finden. H 
Bildermappe fürs deutsche Haus. Deut 
sche Volkslieder. 6 Originalzeichnungen von 
Professor Otto U b b e l o h d e. Fünfte Auflage 
(Kriegsausgabe). Stiftungsverlaa Potsdam. Preis 
1.80 M. 
Ubbelohdes Stärke liegt nicht zuletzt darin, daß er 
nicht leicht vom hessischen Boden wegkommen kann. 
Jeder Federstrich seiner Hand zeigt, wie innig er mit 
seinem 'Fühlen und Können mit dem heimischen Boden 
verwachsen ist. Es sei nur an seine einzig dastehende 
kongeniale Illustrierung der Grimmschen Märchen er 
innert und bei dieser Gelegenheit die Hoffnung aus 
gesprochen, daß bei dem großzügig geplanten und schon 
begonnenen Werk der illustrierten Märchenausgaben des 
Verlags Cassierer Meister Ubbelohde, einer unsrer ersten 
Märchenillustratoren, nicht fehlen wird. Aus seiner 
hessischen Gefühlswelt heraus empfindet Ubbelohde — wie 
könnte es anders sein — urdeutsch. Das beweisen die 
wundervollen sechs Blätter, die er dem deutschen Volks-
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.