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er durch Dresden und beschloß dort dauernden
Aufenthalt zu nehmen. Vom Frühjahr 1819 an
lebte er in seiner Villa Grassi im Plauenschen
Grund bei Dresden. Im März war Kalkreuth
nach Dresden gekommen und Malsburg muß bald
darauf seine Bekanntschaft gemacht haben, denn
am 10. Mai 1819 schreibt er au. seinen Oheim
auf Escheberg>): „6omte de Kalkreuth, qui est
venu s’etablir ä Dresde pour quelques annees“
usw. Zugleich bittet er seinen Oheim um nähere
Auskunft über dessen Familie. Er muß ihn also
noch nicht sehr lange kennen gelernt haben, vermut
lich in dem Dresdener „Liederkreis", dessen Mittel
punkt Tieck bildete. Das Freundschaftsverhältnis
wurde bald ein sehr inniges, wovon die beiden
folgenden Gedichte Kalkreuths ein beredtes Zeug
nis liefern. Das erste, ein Sonnett, ist ebenso wie
das zweite und das bereits oben mitgeteilte Gedicht
Tiecks ein Gelegenheitsgedicht, Zum Abschied Mals-
burgs entstanden, der im Spätjahr 1819 auf seine
Güter nach Escheberg reiste und es entweder dort
hin mitnahm oder es von Dresden aus zugeschickt
erhielt. Es fällt allein Anschein nach in den
Ansang ihrer Bekanntschaft. Bei dem zweiten ist
die Datierung gegeben. Malsburg muß kurz vor
her iit Escheberg angekommen sein, nicht, wie
Heidelbach a. a. O. S. 32 annimmt, erst Anfang
Juli, und Kalkreuth wird ihm das Gedicht als
Geburtstagsgruß zum 23. Juni 1824 nach Esche
berg gesandt haben, vor: wo er nicht wieder nach
Dresden zurückkehren sollte. Da infolge seines
plötzlichen Todes (20. September 1824) viel ver
loren ging, weil die Dresdener Wohnung Leuten
überlassen blieb, die auf schriftliches Material
keinen Wert legten, so muß angenommen werden,
daß Malsburg sich schon in Escheberg befand, wie
er auch den vorjährigen Geburtstag im Kreise
seiner Escheberger Angehörigen gefeiert hatte (Hei
delbach a. a. O. S. 28).
Kalkreuth widmete seinem früh vollendeten
Freunde Otto Ernst von der Malsburg einen
eingehenden Nekrolog * 5 6 ), in dem er ihn als einen
liebenswürdigen Gesellschafter, einen Edelmann
von vornehmer Gesinnung, kindlicher Herzensgute
und seltener Sittenreinheit schildert.
4) Nach einem Brief im Malsburgischen Familien
archiv.
5 ) Lit. Konversationsblatt 1826, Nr. 48/49.
Bitte an Ernst Freiherr« von der Malsburg.
Sonnet.
Wie leuchtet hell des. Himmels blaue Decke,
Kristall und Dust zugleich, und Luft und Farben, —
Es scheint als gab die Zeit ihr viel der Narben —
Doch Lust dazu, damit sie all' verstecke.
Und Augen sind die Lichter, Blitzes Flecke,
Sie spiegeln uns, die wir an Klarheit darben,
Aus einem Land, um das wir alle warben,
Verhüllt gar tief von neuer Sternen Strecke.
So birgt Natur in schimmernde Gewände
Des Daseins Grund, der Lieb' Mysterium,
In Herz und Aug', nur legt sie süße Baude;
Bewahr Dein Selbst in des Gemütes Schreine;
Und sendest Blüten aus dem Heiligtum,
So siegle sie mit süßem: Denke mein.
Friedrich Graf Kalkreuth.
Dem Freiherr« Ernst von der Malsburg
zum Geburtstage
den 23. Juni 1824.
Dir braust die Nymphe im kristallen Spiel.
„Des heitern Glücks sei Deinem Leben viel!"
Dir säuselnd rührt der Hain das heil'ge Laub.
„Dein Dichter - Glühn ward nie der Zeiten Raub!"
Dir dankt der Süd mit goldner Früchte Duft.
„O bleibe treu der Sanges günstgen Luft!"
Dir neigt die Myrt' den sehnsüchtigen Blick.
„Bist hold dem Lied, und fliehst des Lieb's Geschick?"
Dir haucht die Ros' in schöner Jugend Pracht.
Und gibt den Zauberkuß der Anmut Macht.
So grüßen Dich der Bach, der Hain, der Süd,
Im Wechsel Tag, die Myrt, die Ros', das Lied.
Arm bleibt der Freund. Doch Herz und Aug und Hand
In stiller Weih' sind der Gefühle Pfand.
Villa Grassi. Friedrich Kalkreuth.
Anspruch auf künstlerischen Wert können die
Gedichte, insbesondere die Kalkreuths, nicht er
heben. Sie besitzen lediglich historisches Interesse.
Bei Kalkreuth ist, wie Förster in seinem Tage
buch 6) sagt, die Erfindung nicht übel, die Aus
führung um so fchlechter. Das dürste auch für diese
beiden Gedichte zutreffen. Eine eingehende Mono
graphie Malsburgs, insbesondere sein Verhältnis
zur Romantik und zum Dresdener Dichterkreis,
wurde von eand. phil. Ludwig Lampert als Straß
burger Dissertation vorbereitet, ist aber durch den
Krieg leider ins Stocken geraten.
6 ) Biographische und literarische Skizzen aus dem
Leben und der Zeit Karl Försters. Hrsg, von Lsuises
Förster. Dresden 1846. S. 118.