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Aus Ernst Gtto v. d. Malsburgs Dresdener Freundeskreis.
Ein Beitrag zur hessischen Literaturgeschichte.
Von Dr. Wilhelm Schoos (Hersfeld).
Die drei folgenden bisher unveröffentlichten Ge
dichte voll Ludwig T i e ck und dem Grafen
Friedrich Kalkreuth entstammen dem Fa
milienarchiv derer von der Malsburg ans Esche-
berg und sind mir vor Jahren vor: Sr. Ex
zellenz dem Herrn Vizekanzler der althessischen
Ritterschaft Dr. jur. Hans von der Malsburg
(t 1908) in liebenswürdiger Weise zugleich mit
(inzwischen veröffentlichten) Jugendbriefen der
Brüder Grimm zur Verfügung gestellt wordelr.
Zum Verständnis sei folgendes mitgeteilt: Die
Gedichte sind dem hessischen Dichter Ernst Otto
v. d. Malsburg gewidmet, der 1786 zu Hanau
als Sohn eines hessischen Offiziers geboren und
mit einem jüngeren Bruder von seinem Oheim
teils in Kassel, teils in Escheberg erzogen wurde.
Nach dem Besuch des Kasseler Gymnasiums, wo
er mit den Brüdern Grimm eng befreundet wurde,
studierte er in Marburg die Rechte und wandte
sich der diplomatischen Laufbahn zu. 1817 wurde
er Regierungsrat und hessischer Geschäftsträger
am Königshof in Dresden. In diese Zeit fällt
seine Freundschaft mit den dortigen Romantikern,
insbesondere mit Tieck, Loeben und Kalkreuth.
Tieck war im Sommer 1819 nach Dresden ge-
konrinen. Hier lernte ihn Malsburg noch im Som
mer kennen, und es entwickelte sich bald zwischen
ihnen ein inniges Freundschaftsverhältnis. Über
dieses Verhältnis geben uns die Freundesbriefe
an Ludwig Tieck, die Karl Holtei herausgegeben
hat H, näheren Aufschluß. Obwohl Tieck, wie aus
einem Brief Dorothea Tiecks an Malsburg hervor
geht, nicht sehr schreibselig war, hing Malsburg
mit rührender Anhänglichkeit an dem von ihm
hochverehrten Meister. Sein innigster Wunsch,
Tieck als Gast in Escheberg begrüßen zu können,
sollte leider nicht mehr in Erfüllung gehen, denn
als Tieck auf einer den deutschen Theatern gelten
den Künstreise nach Kassel kam, war Malsburg
kurz vorher, am 23. September 1824, beerdigt
worden, und ein Brief Dorothea Tiecks als Ant
wort auf einen von ihm am 8. August 1824 aus
Escheberg an Tieck gerichteten längeren Brief er
reichte Malsburg nicht mehr, da er 6 Tage nach
den: Tode Malsburgs geschrieben wurde, auch
ein Zeichen für den Postverkehr damaliger Zeit.
i) Briefe an Ludwig Tieck. Ausgewählt und heraus
gegeben von Karl v. Holtei (Breslau 1834), II, S. 289
bis 325.
Dieser Brief befindet sich im Malsburgischen Fa
milienarchiv und ist von Paul Heidelbachs) ver
öffentlicht worden. Tieck selbst hatte seit 3 Jahren
keine Briefe mehr an Malsburg gerichtet, er schrieb
nicht gern Freundschaftsbriefe. Um so wertvoller
muß uns das wenige erscheinen, das sich erhalten
hat.
Von Dresden aus reiste Malsburg von 1817
an ziemlich regelmäßig, zum Teil in Gesellschaft
seiner Dresdner Freunde, zu mehrmonatigem Er
holungsurlaub nach Escheberg. So reiste er auch
am 30. Mai 1820 mit einem dreimonatlichen
Urlaub von Dresden ab, um seinen kränkelnden
Oheim wiederzusehen. Am 16. Juni befindet er
sich in Escheberg. Diesem Abschied von Dresden
gilt nachfolgendes Gedicht Tiecks ch:
Wer möchte nicht ein Deutscher sein,
Wenn in der Besten Mitte
Er Tugend sieht und Sitte?
Wenn ihm der hohen Ehre Schein,
Wenn Demut, stolze Milde
Ihn grüßt im edlen Bilde?
Wer möchte nichr ein Dichter sein,
Wenn ihm von Wohllauts Zungen
Der deutsche Laut erklungen,
Wie Stromgebraus und grüner Wald,
Natur in Lust und Schmerz erschallt?
Wer möchte wohl Dein Freund nicht sein,
Der Deinen edlen Sinn erkannt,
Die Zier, so mild wie bieder,
Die Gabe süßer Lieder?
Du reichtest mir die Freundeshand,
Ich nenne Dich auf immer mein!
Dresden, Ludwig Tieck.
beim Abschiede am 30. May 1820.
Zu dem Dresdener Dichterkreis gehörte auch der
um vier Jahre jüngere Graf Friedrich Kalk
reuth, der Sohn des aus dem Tilsiter Frieden
bekannten Generalfeldmarschalls, neben Graf Loe
ben einer der vertrautesten Freunde Malsburgs.
Er war am 15. März 1790 zu Pafewalk in
Pommern geboren, widmete sich in Berlin den
Studien und nahm gls Freiwilliger an den Feld
zügen 1813—15 teil. Nach dem Frieden bereiste
er Italien (1817—18). Auf der Rückreise kam
2 ) Deutsche Dichter und Wnstler in Escheberg (Mar
burg 1913), S. 40—42.
3 ) Nach Heidelbach a. a. O. S. 18 befindet sich im
Malsburgischen Familienarchiv noch ein zweites, dem
selben Zwecke gewidmetes Gedicht von Tiecks Tochter
Agnes, das mir nicht bekannt geworden ist.