Hessenland
Hessisches Heimatsblatt
Zeitschrift für hessische Geschichte, Volks- und Heimatkunde, Literatur und Kunst
Nr. 13/14. 32. Jahrgang. Juli-Doppelheft 1918.
Die allgemeine Gietzener Burschenschaft Germania
[gestiftet am 13. August 1818, aufgelöst am 3. November 1819s. *)
Eine Jahrhunderterinnerung.
Von Professor Dr. Hermann Haupt.
Tie Gießener Universität war schon in der
Rheinbundszeit eine Heimstätte deutsch-vaterländi
scher Gesinnung gewesen, dank dem Einflüsse des
Nachmals berühmt gewordenen Philologen und
Archäologen Friedrich Gottlieb Welcker (1784
bis 1868), der schon als Gymnasiallehrer seine
Schüler mit grimmigem Franzosenhasse erfüllt
hatte. Dem auf das Drängen der Gießener Stu
dentenschaft in den letzten Tagen des Jahres 1813
errichteten Korps der freiwilligen hessischen Jäger
schloß sich der größte Teil der Jünger ber Ludo-
viciana an, mit denen Welcker selbst als Leutnant
ins Feld zog. Auch nach ihrer Rückkehr an die
Hochschule blieben die jungen Kriegsfreiwilligen
zunächst eng verbunden. Anstelle der früher be
standenen Landsmannschaften Rhenania, Hassia
und Guestphalia wurde am 17. November 1814
eine deutsche Lesegesellschaft zur Erreichung vater
ländisch-wissenschaftlicher Zwecke begründet. Mit
der fast gleichzeitig ins Leben getretenen Hallischen
Teutonia bildete sie die erste Erscheinungsform der
Deutschen Burschenschaft. Nur wenige Monate
*) Eingehender behandelt ist der Gegenstand in meiner
Schrift „Karl Fallen und die Gießener Schwarzen"
(Gießen 1907).
leider hielt die studentische Einigung stand. Jur
Februar 1815 spaltete sich die deutsche Gesellschaft
in zwei feindliche Lager. In der einen Partei
fanden sich die Anhänger der alten studentischen
Überlieferungen zusammen, aus deren Mitte im
Sommer 1815 drei Landsmannschaften, eine
Hassia, Konstantia und die nur kurzlebige Nassovia
begründet wurden. Die von den zwei Brüdern
Follenius geführte Gegenpartei strebte dagegen
die Beseitigung des landsmannschaftlichen Kom
ments und die Aufrichtung einer die ganze Stu
dentenschaft umfassenden, mit vaterländisch-demo
kratischem und christlich-puritanischem Geiste er
füllten Burschenschaft an. Nach der von ihnen
beibehaltenen dunklen altdeutschen Tracht erhielten
die fast durchgehends hochbegabten Anhänger des
Follenschen Kreises den Beinamen der „Schwar
zen". Mit leidenschaftlichem Eifer suchten sie im
Laufe der Jahre 1815—1817 ihre Reformgedan
ken an der Ludoviciana zu verwirklichen, immer
wieder durch die Anfeindungen ihrer landsmann
schaftlichen Gegner und durch das Einschreiten
der argwöhnischen Behörden dazu gezwungen, zu
stets wechselnden Verbindungsformen ihre Zuflucht
zu nehmen. Die im Juni 1815 gestiftete Ver
bindung Germania wandelte sich nach kurzem Be-
Z. XI