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üblichen Weise. Er versorgte außerdem nicht
nur halb Kassel, sondern einen Teil der Um
gegend der Residenz mit Handkäsen. Aber auch
er mußte noch die alte Straße bis Kassel damit
fahren, während jetzt die Butterleute mit diesen
kleinen flinken Wagen nur die Butter zusammen
holen. Bergauf half er schieben oder ziehen, bergab
setzte er sich auf das Butterwägelchen und dann
ging's heidi! hast du nicht gesehen! durchs Land.
Sein „Tyrann" leistete im Laufen unglaubliches.
So flog das flinke Gefährt an Dörfern und Städt
chen, an Hunderten von leichten und schweren
Fuhrwerken vorbei, die die belebte Straße fuhren.
Die Butter war schon höher im Preis. Gegeben
wurden vom Buttermann 60—70 Pfennig, und
wenn sich „ein neuer" eindrängen wollte, wohl
gar 1 M. oder 1,10 M. In Kassel blühte be
sonders in den siebziger Jahren das Butterge
schäft, Preise von 1,20—1,50 M. hat der Kö
nigsplatz nicht selten gesehen.
Später, als dann schon die Eisenbahn fuhr,
wurde das Aufsitzen auf die Hundewagen poli
zeilich verboten. Wollte der Gendarm einmal einen
Dutzendfang in dieser Hinsicht machen, stellte er sich
bei Treysa dahin, wo die Straße hinter dem
Bahnhöfe Ziegenhain zu das Knie macht. Da
kamen dann die „Buttermänner"' an der Schnur
an. Alle saßen, stolz des gemachten Gewinnes,
eine Zigarre dampfend, auf dem Hundewagen.
Drei Mark Strdfe waren verwirkt. Das hat
manchen veranlaßt, sich ein Gäulchen zuzulegen,
das jetzt nicht nur die Butterwecke, sondern auch
den Buttermann selbst durchs Land zieht.
So sind wir in unsrer Zeit angekommen. Leer
liegt die Kasfelstraße. Hunderte von Wirtschaften
in den Dörfern daran haben ihr Schild einge
zogen. Der Eisenbahn gehört die Gegenwart, die
auch den Buttermann mühelos nach Kassel und
wieder zurück trägt mitsamt seinem ganzen Butter
kram.*)
*) Aus Joh. H. Schwalm „Falleppel on Läsreiser“
(Geschichten und Bilder aus versunkenen Tagen der
Schwalm), das bei N. G. Elwert, Marburg, erscheint.
An der Weser.
(Eine Plauderei.)
Trübe zieht ein Wolkenmeer über den Solling
hin, leise glucksend und gurgelnd fließt die Weser
zu Tal, die Wälder dampfen nach langen Regen
güssen und ich stehe aus der Höhe der Krukenburg
und schaue hinab in den engen Kessel, der dort
unten die Stadt Karlshafen birgt. Der lastende
Himmel stimmt eigentlich zu der westfälischen
Landschaft der Warburger Börde, die ich noch vor
kurzem durcheilt, und in die hinein die Trümmer
der Burg auf dem Desenberge wie aus einer
fremden Welt gegrüßt, — hier aber fehlt mir die
Sonne, die ihr Blitzen und Gleißen in den Diemel-
wellen wiedersucht.
Mit Wehmut blicke ich auf die Gräben, die
die Ecken der Apsiden an den Trümmern der in
mitten der Burg aufgeführten Kirche anschneiden:
angefangene, leider unvollendete Arbeit des fein
sinnigen Regierungsbaumeisters Lehmgrübner.*)
Fein prosilierte Sockelsteine des Bauwerkes sind
da freigelegt, — überall zeigt sich klar der Riß
des nach dem Vorbilde der heiligen Grabeskirche
errichteten Rundbaues; — wann wird die hier be
gonnene Aufnahme vollendet? Wer wird sie fort
setzen?
Doch nicht eigentlich der Krukenburg sollte ja
mein heutiger Besuch gelten. Also weiter, an dem
alten Vorwerke, der Schäferei, vorüber, auf dem
Steinplattenwege, der Helmarshausen mit der
jüngeren Nachbarstadt verbindet, hin. Die An
lagen über der Stadt sind bald erreicht! Die eben
*i S. „Hessenland" 1916. S. 265.
verlassene Ruine blickt noch einmal durch die Hecken
hindurch, — zur Seite ragen grünübersponnene
Wände alter Sandsteinbrüche empor; — man be
trachte nur in all den Weserorten die älteren Ge
bäude, die hier mit dem dünnplattigen Sand
steine gedeckt sind, wie an Rhein und Mosel die
Häuser mit dem ebenso bodenständigen Schiefer.
Es ist eine wenig schöne Art, unsere Großen zu
ehren, wie sie eine hoffentlich auf dem Aussterbe
etat stehende Generation pflegte: nicht ohne inneres
Widerstreben sieht man hier im Walde sich plötzlich
einer verunglückten Schillerbüste gegenüber, die
sehr gut gemeint ist, aber doch nicht allzu gut ge
lungen. Eigentlicher Parkcharakter fehlt hier dem
Walde, und dahinein nun die Schillerbüste, — es
ist ein unschöner Fremdkörper. Die gewiß nicht
mit größeren Mitteln unternommene Schiller
ehrung im Marburger Stadtpark ist entschieden
passender und würdiger! Doch, sei's drum! Gut
gemeint war es jedenfalls. Und eine zweite wird
nicht aufgestellt.
Dort unten aber liegt Karlshafen! Merkwürdig!
Die Stadt, der zugedacht war, ein Brennpunkt
des Verkehrs zu werden, ist still, ein Städtchen,
den: man heute nicht ansieht, welch große Hoff
nungen vor 200 Jahren seine Jugendtage um
sponnen! Ein Bild des Lebens!
Still und verlassen der Hafen! Schilfhalme
heben sich aus dem flachen Wasser, Knöterich und
Wasserpest haben sich breit gemacht, — die Kai
anlagen sind mjt Blumen und Ziersträuchern be
standen, und man schrickt fast zusammen, wenn