Full text: Hessenland (31.1917)

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geringen Gehalt und verdiente mit ärztlicher Pra 
xis nur einige hundert Taler. Die ärztlichen Ho 
norare waren damals sehr gering. Mein Vater 
bekam von seinen Kunden auf Neujahr zwei, 
höchstens drei Louisdor geschickt. Ich glaube, daß 
wir nicht mehr hatten, als 7 bis 800 Taler 
jährlich. Damit waren keine großen Sprünge zu 
machen. Gleichwohl führten wir einen guten Haus 
halt, dem sogar ein gewisser Luxus nicht fehlte. 
Alle Tage wurde bei uns Fleisch gegessen, frei 
lich meistens Rindfleisch, von dem die Suppe ge 
kocht war. Braten und Salat gab es nur am 
Sonntag Abend. Aber jeden Abend trank mein 
Vater sein Schöppchen Wein (kostete 4 gGr.). 
Auch hatte meine Mutter ein Viertel Abonne 
ment im Theater, für das sie sich interessierte. 
Das Monnements-Billet (in Unterloge Nr. 1) 
kostete nur 7 Albus (nach heutigem Gelde 53 
Pfennige). Als ich sechs Jahre alt war, wurde 
ich zum ersten Male in die „Zauberflöte" mitge 
nommen. Später schickte mich dann meine Mutter 
öfters auf ihr Billet ins Theater, namentlich in 
Opern. Meine Mutter gab auch öfters Damen 
gesellschaften, wo. dann Tee, Kuchen und Wein 
(Bischofs) gegeben wurde. Ging sie selbst in 
Damengesellschaft, so konnte ich darauf rechnen, daß 
sie mir „was mitbrachte". Schon früh war auch 
meine Mutter darauf bedacht, für meine künftige 
Ausbildung die Mittel anzuschaffen. Während der 
zwanziger Jahre wurden Schillers Werke, das 
Konversationslexikon von Brockhaus, auch ein fran 
zösisches Diktionär gekauft. Später wurde auch 
Rottecks Weltgeschichte für mich angeschafft. Das 
alles waren für die damalige Zeit keine geringen 
Ausgaben. Nie aber wurden in unserm Hause Sachen 
auf Borg genommen, vielmehr alles bar bezahlt. 
(Fortsetzung folgt.) 
Gustav Eskuche f. 
Rasch tritt der Tod den Menschen an, 
Es ist ihm keine Frist gegeben; 
Es stürzt ihn mitten m der Bahn, 
Es reißt ihn fort vom vollen Leben. 
Diese wehmutsvollen Worte Schillers kamen uns 
einmal wieder zum Bewußtsein, als uns die Kunde 
ward, daß nnser Kasseler Landsmann, der Stettiner 
Gymnasialdirektor vr. G u st a v Eskuche, am 
24. Mai zu Bad Nauheim, wo er ein jahrelanges 
Herzleiden zu heilen suchte, mitten aus einer lebens 
frischen und beglückenden Arbeit gerissen wurde. 
Noch wenige Tage zuvor hatte er mit dem Schrift 
leiter des „Hessenland" in Briefwechsel gestanden 
wegen der Veröffentlichung des von ihm verdeutschten 
hessischen Bühnenspiels vom Bauernkriege, und nun 
weilt er schon nicht mehr unter den Lebenden. 
Mit Eskuche ist ein hochbegabter Schulmann und 
feinsinniger Poet dahingegangen. Am 18. April 
1865 geboren, besuchte er das Friedrichsgymnasium 
seiner Vaterstadt Kassel, um dann in Marburg und 
Berlin Philologie zu studieren. Namentlich unsere 
hessische Landesuniversität, wo Birt sein von ihm 
hochverehrter Lehrer war und wo er sich in vollen 
Zügen der harmlosen Freude des akademischen 
Lebens hingab, hatte es ihm angetan; wiederholt 
hat er seinerzeit in unsrer Zeitschrift die schönen 
Tage seiner Marburger Semester- besungen, und 
das Scheiden wurde ihm nicht leicht. 
Auf dem Präsidenstuhle 
Möcht' ich noch einmal sein, 
Wie der sterbende König in Thule 
Der Lahn meinen Schoppen zu weihn; 
Den trauten Deckelschoppen, 
Der all mein Elend fühlt, 
Der mir so manchen Troppen 
In die durstige Kehle gespült. 
Der mit mir lärmt' und schäumte 
Hängt still nun an der Wand, 
Doch horch! als ob er träumte, 
Leis' klingt der silberne Rand. 
Er klingt mir von köstlichen Stunden, 
Vom Städtchen an der Lahn, 
Wo froh und ungebunden 
Wir Geld und Zeit vertan. 
Ich seh' im Strome spiegeln 
Das Bergschloß altersgrau, 
Weit grüßt es ob den Hügeln 
Herrn Philipps Hessengau. 
Hei! welche Lust zu dringen 
Durchs Tal zu grünen Höh'n, 
Zu singen und zu klingen! 
Ach, Brüder, es war doch schön! 
Erinn'rung soll begeistern 
Mich armen Kandidat, 
Die Tücken zu bemeistern, 
Die so eine Prüfung hat. 
Drum, Füchse und Burschen, singt Lieder 
Und trinket in Fröhlichkeit: 
Es kehrt ja niemals wieder 
Die lustige, durstige Zeit! 
Zu Marburg bestand er 1888 das Staatsexamen 
und ebendort promovierte er im nächsten Jahre. 
1889 und 1890 setzte er seine Studien in Paris 
fort, war vom Herbst 1890 bis 1893 Leiter der 
Privatschule in Roßla a. H., 1893 bis 1903 Ober 
lehrer in Siegen i. W., 1903 bis 1906 Oberlehrer 
am Reformrealgymnasium in Düsseldorf und seit 
1906 Direktor des Stadtgymnasiums in Stettin. 
Groß ist die Zahl seiner Werke; genannt sei sein 
Buch über „Sarcerius als Erzieher und Schul 
mann", seine „Deutsche Sprachlehre und Literatur 
geschichte" und „Zur Geschichte der deutschen Jdyllen- 
dichtung". Eskuche war vor allem auch ein glänzen 
der Übersetzer. Sein 1911 erschienenes „Hellenisches
	        

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