Full text: Hessenland (30.1916)

H.ANf VffR-KA&Seu 
Hessisches Heimatsblatt 
Zeitschrift für hessische Geschichte, Volks- und Heimatkunde. Literatur und Kunst 
Nr. 6. 30. Jahrgang. Zweites März-Heft 1916. 
Marburg 
zu Beginn der Herrschaft des Brabanler Fürstenhauses in Heften. 
Von Bruno Jacob, Kassel. 
Unlöslich mit dem Namen der heiligen Elisabeth 
ist Marburg verknüpft, sie steht im Mittelpunkte 
des ganzen Werdens der Stadt, seit über dem 
Grabe der Heiligen der steinerne Lobgesang sich er 
hob, seit St. Elisabethens Enkel als Herr zu Hessen 
in Marburg residierte. 
Das 13. Jahrhundert ist wie eine scharfe Scheide 
linie nicht nur in die Geschichte Marburgs und 
Hessens eingezeichnet, — es war ein Zeitalter der 
Revolutionierung der Gedanken,, eine Zeit des 
Zusammenbrechens und Werdens, eine Zeit, nicht 
nur des äußeren Geschehens, sondern einer Um 
prägung der Gedankenwerte, wie sie eben größere 
Geschichtsabschnitte kennzeichnen. — 
Mit den Staufern ging der Gedanke der Univer 
salmonarchie endgültig zu Grabe, zum ersten Male 
erscheint, wenn auch noch nebelhaft und verschwom 
men, in Rudolf v. Habsburg der deutsche Ge 
danke, losgelöst von dem römischen Cäsarentum; 
mit dem 13. Jahrhundert beginnt eine neue Epoche 
der Territorien, die sich wieder anschicken, die deut 
schen Stämme zu organischen Gebilden zusammen 
zufassen, nachdem die alten Stammesherzogtümer 
in Wirkungsbereiche kaiserlicher Beamten welt 
lichen oder geistlichen Standes aufgelöst waren: es 
ist der erste Keim zur Bildung der späteren deut 
schen Einzelstaaten, — zum ersten Male setzt sich 
eine Kirchenreform im Sinne der Proletarisierung 
durch, nachdem die Kirche unter dem Prunke zu 
ersticken drohte, — und als äußeres Kennzeichen 
dieser Entwicklung (wie auch zugleich als Kenn 
zeichen eines scharfen Bruches mit römischen Tradi 
tionen) versinkt der romanische Baustil, und ringt 
sich der gotische Stil zu seiner ersten Entfaltung 
durch! 
Daß alle diese Momente in so hervorragender 
Weise sich in dem Bilde Marburgs spiegeln, daß 
das letzte glühende Leuchten der Staufenzeit, daß 
das erste Morgenrot der hessischen Territorial 
entwicklung Marburgs Namen umwebt, daß die 
erste Blüte der Frühgotik auf Marburgs Boden 
ersteht, daß Marburg sogar im Stande ist, alte geist 
liche und weltliche Zentren des Hessenlandes ab 
zulösen und bei Seite zu drängen, all das ist be 
schlossen in dem Gedächtnisse der heiligen Elisabeth. 
Noch war, als die Heilige ihren irdischen Weg 
beendet, den sie getreu ihrem Vorbilde, dem heiligen 
Franziskus, gegangen, sie in der schlichten Kapelle
	        

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