Full text: Hessenland (30.1916)

sich durch ein scharfes Charakterisierungsvermögen uitb 
eine vorzügliche Technik aus. Von hessischen Persönlich 
keiten, die hierbei in Betracht kommen, ist vor allem 
die wohlgelungene Halbfigur des Professors Heinrich 
Gerhardt, des einstigen Nestors der deutsch-römischen 
Künstlerkolonie, zu erwähnen. Das Werk entstand 1901 
und befindet sich im Besitz der Aecademia di San Luca 
in Rom. Lebenswahr und vornehm aufgefaßt ist die 
Porträtbüste von Professor Max Wiese, dem früheren Direktor 
der Hanauer Zeichenakademie und ersten Lehrer Limburgs. 
Die Monographie des um 12 Jahre älteren Professors 
Georg Busch, dessen Bildnis nach dem Gemälde von 
Leo Samberger der Titelseite gegenüber steht, dürfte 
wohl den verwöhntesten Ansprüchen aus Buchausstattung 
und Jllustrationstechnik genügen. Ihr Verfasser, Dr. 
Oskar Doering, hat weniger Wert aus ein Eingehen aus 
des Künstlers Werdegang als auf eine ästhetisierende 
Besprechung der Hauptwerke mit besonderer Betonung 
des religiösen Moments gelegt. Die ersten künst 
lerischen Eindrücke empfing Busch in der Lehrzeit bei 
seinem Vater, einem Altarbauer, der sich in dem Hanau 
benachbarten Städtchen Großsteinheim ansässig gemacht 
hatte. Lebhafte Anregung gaben ihm noch in der Stein- 
heimer Kirche mehrere treffliche Beispiele deutscher Plastik 
des 16. und 17. Jahrhunderts in Gestalt schöner Grab 
denkmäler adliger Geschlechter und eines Altars mit 
der künstlerisch wertvollen Statue der heiligen Jung 
frau. Geregelten Kunstunterricht erhielt er erst in der 
Zeichenakademie zu Hanau. Der Verfasser erwähnt dies 
nur mit einer Zeile, obwohl der Besuch der Anstalt 
über zwei Jahre währte und nicht ganz bedeutungslos 
gewesen sein kann, da Busch sich mir gegenüber vor 
Jahren einmal mit besonderer Hochachtung über die 
Leistungen seines Lehrers Karl Hausmann aussprach. 
Der einundzwanzigjährige Bildhauer bezog 1882 die 
Akademie zu München, wo er sich besonders an Pro 
fessor Syrius Eberle, den Schöpfer des Hanauer Grimm 
denkmals, anschloß und von ihm in seiner Kunstrichtung 
beeinflußt wurde. Nach siebenjähriger Studienzeit stand 
Busch künstlerisch ganz auf eigenen Füßen und arbeitete 
sich rastlos weiter, bis er zu einem der bedeutendsten 
Meister der kirchlichen Kunst der Neuzeit heranreifte. 
Seinem ausgesprochenen Talent, seinem guten Geschmack 
und seinem vollen Beherrschen der Holz-, Stein- und 
Bronzetechnik ist es besonders zuzuschreiben, daß die 
katholische Kirchenkunst aus dem Schablonenhaften, zu 
dem sie allmählich herabgesunken war, wieder auf eine 
Höhe gelangte, auf der sich künstlerisches Empfinden 
mit dem religiösen Gedanken glücklich vereinigte. Doering 
beginnt, die Zeitfolge außer acht lassend, die Besprechung 
der Tätigkeit Busch's mit dem für den Kultus wichtigsten 
Teil der Kirche, mit dem Altar und im Anschluß hieran 
mit den Kreuzwegstationen. Schon eine seiner frühesten 
sakralen Arbeiten, ein geschnitzter Altaraufsatz zu 
Ehren der Jungfrau Maria aus dem Jahre 1895, ent 
zückt vor allem unser Auge durch zwei Gruppen von 
je acht und sieben singenden und musizierenden Knaben, 
die zwanglos gegliedert und naturwahr dargestellt, eine 
solche Lieblichkeit in Haltung und. seelischem Ausdruck be 
sitzen, daß man sie wohl mit verwandten Schöpfungen 
der Brüder van Eyck oder Lnea bella Robbias ver 
gleichen darf. Die Madonna hat der Künstler mit 
bemerkenswerter Innigkeit und Formvollendung wieder 
gegeben. Von weiteren Altarwerken möge das im Stift 
zu Tepl bei Marienbad und das in der Pfarrkirche zu 
Homburg in der Pfalz hervorgehoben sein. Diese sowie 
seine Kreuzwegstationen, von welchen die in der St. 
Paulskirche bei der Theresienwiese in München eine 
geradezu vorbildliche Bedeutung haben, zeichnen sich 
durch eine ruhige Geschlossenheit in der Komposition 
und eine tiefe Verinnerlichung der Figuren aus unter 
Einhaltung von Naturwahrheit und Anpassung an den 
Ort, für den sie bestimmt sind. Eine Reihe prächtiger 
Bischofsgräber in Regensburg, Eichstätt, München und 
vor allem das Denkmal des Bischofs Hasfner im Dom 
zu Mainz rühren von Busch her und sind Meisterwerke 
neuzeitiger Porträtkunst. Eine fast sieben Meter hohe 
Bonifatiusfigur war eine Gelegenheitsschöpfung und exi 
stiert nicht mehr. Ähnlich wie Werner Heuschel bei 
dem Bonifatiusdenkmal in Fulda hat auch Busch den 
Apostel der Deutschen mit dem Kreuz in der erhobenen 
Rechten dargestellt, jedoch in vollem Bischofsornat. Von 
Werken, die man als religiöses Genre bezeichnen könnte 
und die auch nichtkatholische Kreise mit hohem Genuß 
betrachten werden, möchte ich den „Verlorenen Sohn" 
nennen, ein Bronzewerk, das 1908 aus der Hessischen 
Landesausstellung in Darmstadt zu sehen war. Die 
innere Zerknirschung und die bittere Reue, die den 
Sohn vor des Vaters Antlitz zusammensinken lassen, 
verkörpern ein gewaltiges Stück Seelenschilderungskunst. 
Rein anatomisch betrachtet, ist diese Skulptur eine Glanz 
leistung in der Wiedergabe des Zusammenwirkens der 
verschiedensten Muskelgruppen. Interessant ist ein Ver 
gleich mit einem ähnlichen Thema von Limburg, das 
unter dem Titel „Die Reue" auf Blatt 36 in dessen 
Monographie abgebildet ist. Hierbei sehen wir die 
Schönheit der Form die Tiefe des Empfindens über 
wiegen. In der Darstellung von Kindern leistet Busch 
Vorzügliches; sein „Betendes Mädchen", eine Holz 
plastik in der Berliner Nationalgalerie, bringt höchst 
anmutig und echt kindlich die ersten Regungen religiösen 
Gefühls zum Ausdruck. Eine eigenartige Leistung seines 
künstlerischen Schaffens bildet das „Friedensdenkmal" 
zu Großsteinheim. Busch hat auf die bisher übliche 
Personifikation dnrch eine Frauengestalt verzichtet. In 
leicht antikisierender Gewandung tritt uns ein hübscher 
Jüngling freundlichen Auges und mit offenen Armen, 
in der Rechten einen Ölzweig haltend, frei entgegen. 
Die Bronzefigur steht aus einem schönen Muschelkalk 
sockel, auf dessen Vorderseite eine Bronzetafel mit dem 
Reliefbildnis Großherzogs Ludwig l. von Hessen, der 
seinem Volke 1820 die Verfassung gab, eingelassen ist. 
Auf den Seitenflächen links und rechts von diesem 
Porträt ist auf dem Stein das Familienglück und der 
durch die Arbeit gesegnete Wohlstand schlicht und doch 
in groß gesehenen Formen wiedergegeben. Die Verse 
aus Schillers Glocke, die mit den Worten „Holder 
Friede, süße Eintracht" anheben, bildeten das Leitmotiv 
sür den Plastiker und haben in volkstümlicher, aber echt 
künstlerischer Weise Ausdruck gefunden. Dieser schon im 
Jahre 1911 von Busch verkörperte Gedanke wird wohl 
nach dem gegenwärtigen Weltkrieg, wenn das Verlangen 
nach Friedensdenkmälern dem nach Kriegerdenkmälern 
kaum nachstehen wird- noch manche Nachahmung finden. 
Busch und Limburg befinden sich aus dem Höhepunkt 
ihrer Kunst, so daß wir die Hoffnung aussprechen 
dürfen, noch manchen Werken ihrer Hand, die sich ■ den 
früheren würdig anreihen, zu begegnen. 
Freiburg i. Br. Dr. K. Siebert. 
Hofgerichtsrat Dr. sur. Johann Daniel Rey ser 
(1640—1712) als lateinischer Dichter. Ein Beitrag 
zur Kenntnis der akademischen Gelegenheitspoesie in 
Deutschland. Von Dr. Wolfram S u ch i e r in 
Marburg. Borna-Leipzig (Bnchverlag von Ro 
bert Noske) 1915. Geh. M. 1,60. 
Suchiers Buch ist einer althessischen Persönlichkeit 
gewidmet und daher unserer besonderen Beachtung wert.
	        

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