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Kriegserlebnisse eines Kafselaners.
(Schluß.)
0.0. Die Tage vom 8. bis 11. Juni verliefen im
regelmäßigen Einerlei. Ich habe wie in den letzten
Tagen ständig Transporttrupps von Infanterie
zu führen, eine undankbare und jetzt doch so gefähr
liche Aufgabe. Sowie die Dämmerung hereinbricht,
wird V. und sämtliche Zufahrtstraßen und Teile
der Laufgräben unter starkes Artilleriefeuer ge
nommen, wir atmen froher auf, wenn wir jedesmal
im Schützengraben oder in A. sind.
Wir hatten Angst wegen des Durchhaltens.
Wochenlang hatte glühend die Sonne geschienen,
und das ausgedörrte Land dürstete nach Regen.
Den haben wir in diesen 4 Tagen endlich Gott
sei Dank ausgiebig gehabt, bis an die Knie haben
die Leute in den Laufgräben im Wasser oder
Schlamm gestanden, aber trotz ihres Fluchens Haben-
sie sich doch ehrlich gefreut. Gott sei Dank, jetzt
werden wir auch eine gute Ernte bekommen, da
können wir ein weiteres Jahr aushalten.
In der Nacht vom 11. zum 12. Juni bekam
unser Hindernistrupp durch Granatfeuer zwei
Schwerverwundete.
12. 6. 15. Heut lacht die Sonne wieder in altem
Glanz und alter Schönheit. Da haben wir wieder
einen Toten feierlich auf dem kleinen Friedhof hier
begraben. Unser lieber Josef B. vom Hindernis
trupp ist dem W. bald nachgefolgt. Um Vs 6 Uhr
wurde fein Brettersarg, den wir ihm selbst ge
zimmert haben, von 6 Pionieren aus der Kirche
getragen. Vorweg trug man sein Grabzeichen, ein
schlichtes und doch schönes Birkenkreuz mit einer
Tafel, die seinen Namen trägt, dann folgte ein
Pionier mit einem riesigen Kranz aus Immergrün
und Rosen und einer selbstgemachten Schleife, der
schlichte Sarg, der katholische Pfarrer in Feld
grau, unsere Offiziere und wir Pioniere. Um den
B. trauern daheim keine Angehörigen, aber wir
200 Mann der kleinen Kompagnie, die sich alle
kennen und so viele ernste, aber auch fröhliche
Stunden zusammen verleben, sind wie eine Familie.
Um den haben viele geweint, 400 Augen waren
naß, als der Geistliche und unser tief bewegter
Oberleutnant ihm Nachrufe am Grabe widmeten.
Und dann haben wir seinen Sarg mit Erde bedeckt.
Wer wird von uns der Nächste sein?
Abends hatte ich Transporte zur Stellung, heim-
wärts ließ ich meine Leute die schweren Minen
unserer wieder zurückgeschafften Erdmörser zum
Munitionsdepot schaffen. Wir kamen ohne Unfall
durch die Gesahrzone zurück.
13. 6. 15. Den Tag habe ich wie so oft auf
dem Hügel hinterm Schloß unter den alten Bäumen
verträumt. Nachts hatte ich wieder Transporttrupp
von V. aus und mußte diesmal auf einer schmalen
Bank vorn in einem zugigen Unterstände, bleiben,
da eine tolle Schießerei nach V. hinein mir eine
Rückkehr unmöglich machte. Leider habe ich mich
hier erkältet. Mit 2 Landwehrmännern des letzten
Jahrgangs lag ich zusammen. Beide waren über
zeugte „Genossen", als ich aber ihre Meinung
über den Krieg und über den Kaiser, den sie
als Sozi der Tat bezeichneten, hörte, da mußte
ich herzhaft lachen. Glückliches Deutschland. Beide
waren verheiratet, hatten große Kinder, waren
seit dem 8. August im Feld, aber immer noch
lustig und seit Italiens Treubruch wieder recht
kampffroh. —
Die Nacht brachte uns einen Verwundeten im
Hindernistrupp.
14. und 15. 6. 15. Beide Tage verlaufen für
uns alle in der alten Regelmäßigkeit. 4 Eiserne
Kreuze werden der Kompagnie verliehen, 3 Offiziere
und ein uns vom Pionierregiment überwiesener
Gefreiter erhalten die Auszeichnung beim Divisionär
ausgehändigt. Die Nacht verlief recht unruhig.
Wir beschossen die französische Stellung stark mit
Artillerie, sie dafür wieder unsere Laufgräben.
Wir 5 Offiziers-Aspiranten machen uns reise
fertig, schicken unsere überflüssigen Sachen heim
und warten sehnsüchtig auf den Tag, der uns
heimführt.
16. 6. 15. Ich werde in M. mit Abordnungen
anderer Pionier-Kompagnien am Erdmörser aus
gebildet. Am Abend beerdigten wir unsern lieben
Eh. auf dem hiesigen Friedhof.
17. 6. 15. Unsere Ausbildung in den Nah
kampfmitteln wird fortgesetzt. Wir werden am
neuen Minenwerfer ausgebildet.
Am Abend fand eine gewaltsame Erkundung des
feindlichen Grabens statt. 16 Mann Infanterie
und unsere Pioniere Br. und B. sollten sie aus
führen. Leider war sie ohne Erfolg, die Leute
wurden entdeckt, die Franzosen alarmierten und
6 Mann wurden schwerverwundet und 3 Mann
fielen. Durch einige Handgranaten brachte unser
Br. Verwirrung in die Reihen des Gegners, und
diese benutzte er, um ungeachtet des feindlichen
Feuers erst den schwerverwundeten Offizier-Stell
vertreter, dann einen Toten und dann noch zivei
verwundete Infanteristen vom feindlichen Graben
wegzuschleppen. Hinterher holte er noch sämtliche
Gewehre. B. brachte einen schwerverwundeten
Infanteristen herein und, durch unsere beiden Leute
angespornt, holte die wackere Infanterie nun auch