Full text: Hessenland (30.1916)

ssasä- 168 
Ich seh' Euch puppengleich im Saale springen 
Und hörte hell die Fulder Sphären klingen. 
Dort hüpft ein Paar und konnte nicht vom Platze, 
Dort stand ein Herr und sprach und wußte nichts, 
In jenem Winkel saß 'ne alte Katze 
Und knurrte lieblich lächelnden Gesichts. 
Die gähnte gar und zeigte mir die Zähne, 
Der trat mich zentnerschwer auf meinen Fuß, 
Dort stand ein Pavian mit krauser Mähne, 
Hier flüsterte ein Schöngeist von Genuß. 
Dazu der Lichter Duft, des Thees Fluth 
Und der Sahara dünsteschwangre Gluth. 
Und plötzlich hob sich aus dem Chaos — mild 
Verklärt und löckcnd meiner Emma Bild. 
Sie schwebte still, von Grazien getragen, 
Durch die verschlungenen Reihn des Tanzes hin; 
Ich durfte mich zu ihren Blicken wagen. 
Ich sah sie. glücklich mir vorüberziehn. 
Mein Auge glühte heiß, mein Herz schlug schneller, 
In ihrem Bild versank mir Schmerz und Zeit — 
Der ganze Saal — er leuchtete mir heller, 
Das ganze Fest, — es schien durch sie geweiht. 
Und ihr, die ich so schmerzlich lang vermißte, 
Ihr durft ich nahn mit bebend scheuem Fuß, 
Und sie, die ich so lange nicht begrüßte, 
Sie bot mir ihren zaubervollen Gruß. 
Ich konnte selig an den Lippen hangen, 
Die mir so lange, schwere Zeit geschwiegen; 
Ich las mit ewig wachsendem Verlangen 
In den belebten, den geliebten Zügen, 
Ihr Auge strahlte mir mit süßen Blicken, 
Sie sprach zu mir — o unvergeßne Töne! — 
Und ich versank mit liebendem Entzücken 
In das geliebte Bild, das engelschöne .... 
Da hüpfte leicht und in gemcßnem Schritte 
Mit liintrsolmts, in blauem Modefrack, 
Im Arm den stolzen, steifgetragenen Ölaguo 
Ein Männlein her und lispelte die Bitte, 
Die memorirte Bitte stammelnd her 
„Ob er das Glück nicht hätte!" . . . und so mehr. 
Und sie erhob sich und er schlang den Arm 
Um ihren Leib und faßte ihre Hand 
Und schwebte mit ihr durch der Tänzer Schwarm, 
Umschlungen von des Walzers engem Band. 
Er beugte drauf sich lächelnd zu ihr nieder 
Und sprach mit ihr und lachte still und fein 
Und wackelte mit jedem seiner Glieder 
Und wollte ganz ein ganzer Affe sein. 
Derweile stand ich still, wie Loths versalzte Frau, 
Aus meinen Himmeln freventlich gerissen 
In meiner Ecke — jedermann zur Schau — 
Und regalirte mich mit Nägelbissen. 
Und Wenns mir wieder nach dem Tanz gelungen, 
Daß ich durch ihrer Knechte große Schaar 
In ihre Nähe wieder mich geschwungen, 
Und wenn die Rede recht im Zuge war: 
Da kam mir wieder so ein Menschenkind 
Und rieb mit krummem Buckel sich die Hände 
Und fragte nach der Frau Mama geschwind 
Und fragte viel und fragte ohne Ende 
Und sprach des Längeren und sprach des Breiter'n 
Von der Française und den Kunstbcreitern. 
Da floh denn meines Traumes Silberblick, 
Ich fing melodisch an laut aufzugähnen, 
Ich zog mich in mein Winkelchen zurück 
Und hüllte mich in meine bittren Thränen, 
Und durch der Thränen feindlich dunklen Flor 
Kam mir die Welt wie Klostcrhaina vor. 
Und durst' ich denn — in kaum geträumten Fall 
Ihr meines Herzens höchsten Wunsch gestehen? 
Da zog der Anstand seinen steifen -Wall,' 
Da trennten uns der Sitte eis'ge Höhen. 
Was hätten auch die Leute sagen sollen, 
Wenn ich zu ihr den ganzen Abend sprach? 
Wie hätte sich die Stadt moquiren wollen 
Den ganzen, lieben langen, nächsten Tag! 
Drum frisch zurück! Mit mächtiger Gewalt 
Zogs in die traute Stube mich zurück, 
Da draußen war es Nacht und frostig kalt, 
Da draußen blühte mir kein süßes Glück! 
Was sollt' ich unter froher Menschen Scherzen 
Mit dem zerbrochnen und erfrornen Herzen? 
Sie wollt' es nicht, dieß Herz voll Lieb und Treu. 
Sie hats verworfen, ehe sie es kannte; 
Was soll ich drum den alten Schmerz aufs Neu 
Entfesseln, der so tief, so schmerzlich brannte! 
Wohl hätt' ich ihr mit meinem eignen Leben 
Ein innres Leben, geistig schön, erschaffen — 
Sic wollt' es nicht, sie hats zurückgegeben — 
Und tanzt da draußen mit den Beutel-Affen. 
Nicht auf des Liedes luftgewebten Schwingen, 
Nicht mit dem Wort, aus dem die Sehnsucht 
sspricht, — 
Nein! mit des Tanzes kunstgerechten Sprüngen 
Sollt' ich das harte, stolze Herz erringen 
Und tanzen, Liebste! lern' ich ewig nicht!! 
Da laß mich denn in stillem Grabesfrieden 
Den öden Pfad durchs arme Leben ziehn. 
Laß mich vergessen, was uns hier geschieden, 
Laß mich vergessen, welcher Traum hieniedeu 
Mit kurzem Himmelsglanze mir erschien. 
Ich fand Dich, ach! und habe Dich verloren, 
Verfehlt des Lebens selbstgewähltes Ziel — 
Der ich auf ewig gern mich zugeschworen, 
Sie fand ich ach! und habe sie verloren 
Und geh nun einsam durch des Lebens Spiel. — 
* * 
* 
Hier wär's nun Zeit, den lieben Brief zu schließen, 
Durch dessen Labyrinthe ich mich wand, 
Hier könnt' ich nun in Dank mich laut ergießen, 
Daß ich statt Liebe treue Freundschaft fand. 
Ich streute Weihrauch allen (über)irdschen Göttern, 
Die Dich zum Troste für mein Herz gesandt 
Und in erklecklichen Verklärungswettern 
Erschienest Du, die Palme in der Hand,
	        

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