Full text: Hessenland (30.1916)

keit gesehn und konnte sich auch im Berufe von 
diesem Gedanken nicht völlig losreihen. 
So war er einmal mit einem unüberlegten Urteil 
über Bismarck dem Oberförster begegnet, der ihn 
hart ins Gebet genommen, worauf einer den andern 
gemieden. 
Bald wurde Heinz in die hessische Hauptstadt 
versetzt, und auch der Forstmann Heh verlieh sein 
Lehramt an der Försterschule des alten Bergnestes, 
um eine Gberförfterstelle zu übernehmen. 
Es berührte Heinz eigenartig, als Heh vorschlug, 
zum Bismarckturm zu wandern. Er habe das so 
mit Maria verabredet. 
Heinz pochte das Gewissen. Er konnte nicht 
unterlassen, zu fragen, warum er gerade dahin steure. 
Heß sah ihn mit seinen blauen Augen sieghaft 
an: „Heute steht Bismarck von den Toten auf 
und fordert Rechenschaft von dem Erbe, das er 
uns hinterließ. Und dann schaue ich von der 
Turmzinne gern noch einmal in die Gudensberger 
Ecke, wo über dem Grund meiner Vorfahren der 
Zauber alter Götter- und Kaiserherrlichkeit inein 
anderfließt. Der Blick erfrischt mich immer wie 
ein Labetrunk. Und wenn man da jetzt sein 
Schwert ziehen muß, weiß man wofür. Sind 
Sie nicht auch Dreiundachtziger ?" 
Heinz bejahte, und es fand sich, daß sie am 
gleichen Tage zum gleichen Regiment beordert 
waren. 
An einem Duell unter hohen Fichten wurde 
Halt gemacht. Der Rückblick ruhte auf einem 
Hochtal, darin Haus über Haus schüchtern zum 
Walde stieg, die Einsamkeit der Kronbuchen zu 
teilen. 
„Mein Fall!" meinte Fritz, der nicht von Marthas 
Seite wich, „das nötige Kleingeld natürlich voraus 
gesetzt." 
„Ich müßte schon Wasser dazu haben, nicht 
wahr Maria," entgegnete Martha, „so ein bißchen 
Gstseestrand neben den Buchen." 
„Und Ihr Ideal?" forschte Heß von Heinz, der 
schweigend dastand. 
„Wenn ich's recht sagen soll, der Gedanke an 
den ruhigen Ausklang ist mir eigentlich noch nie 
gekommen." 
„Sie haben recht," stimmte Heß zu, „Luftschlösser > 
sind heute mehr als je außer Kurs", und wandte 
sich zur Höhe, von der man eine im besten Wuchs 
stehende Pflanzung junger Fichten überschaute. 
„Sehen Sie mal," rief der Forstmann und hielt 
Heinz am Arm, „wie die Regimenter kommen sie 
in Kolonnen herauf, dicht an dicht. Ist's nicht 
eine Luft?" 
Heinz sah begeistert ob dem militärischen Bilde 
zum Sprecher auf und nickte. 
Eine Wegbiegung sührte durch hohen Buchen 
bestand, darin eine Felsengruppe den Berghang 
rändele. Man ließ sich locken und schaute in die 
ruhige Schönheit' wogender Buchenwipfel. 
„Das ist der Friede", entfuhr es Maria. 
„Der flüchtige Friede," ergänzte Heinz, „der 
trotz seiner vieruudvierzig Jahre ein wandernder 
Gast ist, den niemand festhält." 
„Sehen Sie mal den kleinen Luftfahrer an," 
begann der Oberförster, die Hand über Marias 
Hut haltend, „der erlaubte sich eben eine Erkundi 
gungsfahrt in die Geheimnisse ihrer Hutkrempe." 
Er hatte den Spanner gefangen, warf ihn zu 
Boden und zertrat ihn. 
„Ach, das arme Tierchen! Warum lassen Sie 
das nicht leben?" stieß Maria mitleidig hervor. 
„Krieg, Fräulein Maria. Das Recht des 
Stärkeren gilt. Der Gegner muß in den Grund. 
Wo Sie Frieden wähnen, ist der Bursche mit 
unzähligen Genossen im zerstörenden Kampfe tätig. 
Leben ist Kampf." 
„Und Kampf ist Leben", jubelte Heinz, daß 
Maria bange von einem zum andern sah und nach 
Martha ausschaute, die mit Fritz endlich auftauchte. 
Was die beiden wohl miteinander hatten. -- 
Man fetzte den Weg fort. Da kreuzten ihn 
heimkehrende Arbeiter. Die Mobilmachung sei 
erfolgt, so kündeten sie. 
„Aber den Bismarckturm ersteigen wir doch!" 
trotzte der Oberförster. „In zehn Minuten sind 
wir oben." 
Wie friedlich die Fuldaaue dalag! Der Ober- 
förster erläuterte das Landschaftsbild und spann 
leuchtende Fäden die Kreuz und Duer vom Oden- 
berg bis zum Dornröschen der ZwehrenerMärchen 
frau, vom ersten Strohdach an der Fulda bis zum 
rosenumblühten Sommerhaus der neuen Garten 
stadt, vom Griechenheros bis zum Nationalhelden 
der Deutschen. 
Und dann hieß es rasch Abschied nehmen. Der 
Oberförster war der letzte, der hinabstieg. Es 
wagte ihn keiner anzureden. In seinen Augen 
lag's wie Adlerglanz. 
Heinz ließ sein Gewissen keine Ruh. Er mußte 
diesem Manne bekennen, daß er längst mit Bis- 
marck versöhnt sei. Das war ihm eine Selbst 
verständlichkeit. 
Dann auf einmal wurde der Forstmann so 
rührend mitteilsam. Von seiner Familie begann 
er zu plaudern, als Maria das Gespräch darauf 
brachte. Es war, als sprängen seine drei Kinder 
zwischen ihnen umher. Und die Frau Oberförster 
sang noch immer gern aus der Walküre und dem 
Siegfried. Und die jungen Eichen vergaß er nicht, 
die er zuletzt gepflanzt.
	        

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