keit gesehn und konnte sich auch im Berufe von
diesem Gedanken nicht völlig losreihen.
So war er einmal mit einem unüberlegten Urteil
über Bismarck dem Oberförster begegnet, der ihn
hart ins Gebet genommen, worauf einer den andern
gemieden.
Bald wurde Heinz in die hessische Hauptstadt
versetzt, und auch der Forstmann Heh verlieh sein
Lehramt an der Försterschule des alten Bergnestes,
um eine Gberförfterstelle zu übernehmen.
Es berührte Heinz eigenartig, als Heh vorschlug,
zum Bismarckturm zu wandern. Er habe das so
mit Maria verabredet.
Heinz pochte das Gewissen. Er konnte nicht
unterlassen, zu fragen, warum er gerade dahin steure.
Heß sah ihn mit seinen blauen Augen sieghaft
an: „Heute steht Bismarck von den Toten auf
und fordert Rechenschaft von dem Erbe, das er
uns hinterließ. Und dann schaue ich von der
Turmzinne gern noch einmal in die Gudensberger
Ecke, wo über dem Grund meiner Vorfahren der
Zauber alter Götter- und Kaiserherrlichkeit inein
anderfließt. Der Blick erfrischt mich immer wie
ein Labetrunk. Und wenn man da jetzt sein
Schwert ziehen muß, weiß man wofür. Sind
Sie nicht auch Dreiundachtziger ?"
Heinz bejahte, und es fand sich, daß sie am
gleichen Tage zum gleichen Regiment beordert
waren.
An einem Duell unter hohen Fichten wurde
Halt gemacht. Der Rückblick ruhte auf einem
Hochtal, darin Haus über Haus schüchtern zum
Walde stieg, die Einsamkeit der Kronbuchen zu
teilen.
„Mein Fall!" meinte Fritz, der nicht von Marthas
Seite wich, „das nötige Kleingeld natürlich voraus
gesetzt."
„Ich müßte schon Wasser dazu haben, nicht
wahr Maria," entgegnete Martha, „so ein bißchen
Gstseestrand neben den Buchen."
„Und Ihr Ideal?" forschte Heß von Heinz, der
schweigend dastand.
„Wenn ich's recht sagen soll, der Gedanke an
den ruhigen Ausklang ist mir eigentlich noch nie
gekommen."
„Sie haben recht," stimmte Heß zu, „Luftschlösser >
sind heute mehr als je außer Kurs", und wandte
sich zur Höhe, von der man eine im besten Wuchs
stehende Pflanzung junger Fichten überschaute.
„Sehen Sie mal," rief der Forstmann und hielt
Heinz am Arm, „wie die Regimenter kommen sie
in Kolonnen herauf, dicht an dicht. Ist's nicht
eine Luft?"
Heinz sah begeistert ob dem militärischen Bilde
zum Sprecher auf und nickte.
Eine Wegbiegung sührte durch hohen Buchen
bestand, darin eine Felsengruppe den Berghang
rändele. Man ließ sich locken und schaute in die
ruhige Schönheit' wogender Buchenwipfel.
„Das ist der Friede", entfuhr es Maria.
„Der flüchtige Friede," ergänzte Heinz, „der
trotz seiner vieruudvierzig Jahre ein wandernder
Gast ist, den niemand festhält."
„Sehen Sie mal den kleinen Luftfahrer an,"
begann der Oberförster, die Hand über Marias
Hut haltend, „der erlaubte sich eben eine Erkundi
gungsfahrt in die Geheimnisse ihrer Hutkrempe."
Er hatte den Spanner gefangen, warf ihn zu
Boden und zertrat ihn.
„Ach, das arme Tierchen! Warum lassen Sie
das nicht leben?" stieß Maria mitleidig hervor.
„Krieg, Fräulein Maria. Das Recht des
Stärkeren gilt. Der Gegner muß in den Grund.
Wo Sie Frieden wähnen, ist der Bursche mit
unzähligen Genossen im zerstörenden Kampfe tätig.
Leben ist Kampf."
„Und Kampf ist Leben", jubelte Heinz, daß
Maria bange von einem zum andern sah und nach
Martha ausschaute, die mit Fritz endlich auftauchte.
Was die beiden wohl miteinander hatten. --
Man fetzte den Weg fort. Da kreuzten ihn
heimkehrende Arbeiter. Die Mobilmachung sei
erfolgt, so kündeten sie.
„Aber den Bismarckturm ersteigen wir doch!"
trotzte der Oberförster. „In zehn Minuten sind
wir oben."
Wie friedlich die Fuldaaue dalag! Der Ober-
förster erläuterte das Landschaftsbild und spann
leuchtende Fäden die Kreuz und Duer vom Oden-
berg bis zum Dornröschen der ZwehrenerMärchen
frau, vom ersten Strohdach an der Fulda bis zum
rosenumblühten Sommerhaus der neuen Garten
stadt, vom Griechenheros bis zum Nationalhelden
der Deutschen.
Und dann hieß es rasch Abschied nehmen. Der
Oberförster war der letzte, der hinabstieg. Es
wagte ihn keiner anzureden. In seinen Augen
lag's wie Adlerglanz.
Heinz ließ sein Gewissen keine Ruh. Er mußte
diesem Manne bekennen, daß er längst mit Bis-
marck versöhnt sei. Das war ihm eine Selbst
verständlichkeit.
Dann auf einmal wurde der Forstmann so
rührend mitteilsam. Von seiner Familie begann
er zu plaudern, als Maria das Gespräch darauf
brachte. Es war, als sprängen seine drei Kinder
zwischen ihnen umher. Und die Frau Oberförster
sang noch immer gern aus der Walküre und dem
Siegfried. Und die jungen Eichen vergaß er nicht,
die er zuletzt gepflanzt.