Hessisches Heimatsbtatt
Zeitschrift für hessische Geschichte, Volks- u«d Heimatkunde, Literatur und Kunst
Nr. 10.
30. Jahrgang. Zweites Mai-Heft 1916.
Der Hexenglaube in Hessen.
II. Hexenabwehr.
Von Heinrich Franz.
1.
Erwägen wir die der Hexe zugeschriebenen viel
fachen und furchtbaren Schädigungsmöglichkeiten,
so werden wir uns nicht sonderlich darüber wun
dern, daß der Gläubige ängstlich nach Anzeichen
ausschaut, die die Unholdin als solche erkennen
lassen, sowie nach Vorsichts- bzw. Abwehrmaß
regeln, die im Anschluß an die gewonnene Er
kenntnis ihr gegenüber anzuwenden sind. Was
aber der Mensch finden will, das findet er
bekanntlich, und so herrscht denn allgemein die
Anschauung, daß man die Hexe erkennen fcrnn. 1 * )
Sie hat als Mensch irgendein Abzeichen an sich:
rote, triefende 3 ) oder zweierlei Augen, zusammen
gewachsene Augenbrauen, einen Kropf?) Auch ihr
Benehmen ist kennzeichnend: sie kann einen nicht
recht ansehen, sie schreitet nie über einen Besen,
sondern hebt ihn auf oder geht drum herum 4 ), sie
1) Pfister, Sagen und Aberglauben aus Hessen und
Nassau 62.
2) Curtze, Volksüberlieferungen aus dem Fürstentum
Waldeck 230 Nr. 57 und 387 Nr. 95; Hess. Blätter
f. Bolksk. III, 61 (Vogelsberg); Mündlich (Oberhessen).
3 ) Kehrein, Volkssprache u. Volkssitte in Nassau II, 246.
4 ) wie vor.
nimmt bei Besuchen nicht Platz 3 ), sie kann nicht
weinen 3 ), sie sucht am Walpurgistage von der
Nachbarin irgendeinen Gegenstand 7 ), besonders —
wobei zu bedenken, daß man sich im alten Bauern
hause ohne Streichhölzer durchschlagen mußte —
glühende Kohlen zu entleihen 3 ), wie denn über
haupt alle die Weiber der Hexerei verdächtig sind,
die gern Feuer, d. h. glühende Kohlen entleihen 9 ),
endlich geht sie im Wasser nicht unter. 43 ) Wenn
diese Wasserprobe aus der Zeit der Hexenverfol
gung nicht mehr angängig ist, so gibt es doch auch
heute noch Anzeichen, die mehr oder minder sicher
die Nähe der Unholdin verkünden. Entsteht z. B.
ein Wirbelwind, so ist eine Hexe in Unruhe bzw.
im Anzug 44 ), brummen nachts die Kühe, so ist
3 ) Hess. Landes- u. Volksk. II, 470 (Schmalkalden).
3 ) Pfister 62; Tewaag, Erzählungen, Märchen, Sagen
und Mundarten 32.
7 ) Curtze 388 Nr. 96; Lynker, Deutsche Sagen u.
Sitten in Hess. Gauen Nr. 327:
3 ) Lynker Nr. 327; Zeitschr. f. Hess. Gesch. I, 353.
») Kehrein II, 246.
4 °) Pfister 62 und 66.
44 ) Wolf, Beiträge zur deutschen Mythologie I, 226
Nr. 298 (Wetterau).