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entweder gar nicht oder erst sehr spät vorteilhaft
erscheinen ließ, oder da, wo der sogenannte Rod
bau üblich war, wo die neugerodete Strecke 4—5
Jahre lang besät und dann wieder 20 Jahre lang
brach gelassen wurde. Das unbestellte Gebiet
diente dann reichen Rind- oder Schafherden zur
Weide. In der germanischen Weidewirtschaft
kommen nach Arnold an erster Stelle die Schweine,
an zweiter die Pferde, und an dritter Stelle die
Rinder und Schafe. Er übersieht dabei, daß auch
die Ziegen eine wichtige Stelle in dem Weide
betrieb eingenommen haben müssen, wie das von
anderen Gelehrten ausdrücklich betont wird. So
sagt z. B. Wimmerb) S. 448 und 454: „Im
9. Jahrhundert weideten gewaltige Herden bis zu
2250 Stück u. a. in den Wäldern des Mosellandes,
und so große Ziffern reichen noch bis ins 13. Jh.,
von wo an allerdings die Schweinezucht etwas
abnimmt, wenigstens werden die Nachrichten über
so umfangreiche Herden immer seltener. Im
späteren Mittelalter tritt die Ziegen Haltung
immer mehr zurück und zwar im Zusammenhang
mit der rationellen Bewirtschaftung des Waldes,
dessen größte Feindin die naschhafte Geiß ist."
Besonders eindringlich aber spricht die Fülle von
Flurnamen für die große Ausbreitung der Ziegen
zucht, deren reiche Synonymik heute vielfach im
Volke nicht mehr verstanden wird und daher Anlaß
zu mannigfachen Umdeutungen gegeben hat.
Vilmar und Pfister führen nicht weniger als
neun volkstümliche Ausdrücke für Ziege aus:
Hermen, Mecke(l) 4 ), Kitz, Hitz 5 ), Hesse 6 J (Hisse),
Heppe, Heiss, Zikke, Ziege. Diese Namen
kehren, mehr oder weniger umgedeutet, in einer
Menge von Flurnamen wieder. Zu Hermen und
Mecke vgl. meine Abhandlung über Hermann-
spiegel und Neeklar im „Heffenland" 1913,
Nr. 12 und 13.
Während Kitz (vgl. Graff, Althochd. Sprach
schatz III, 537/38; Schade, Altd. Wtb. 1. 494;
Buck, Obd. Flurnamenbuch S. 138) sich in hessischen
Flurnamen in der ursprünglichen Gestalt ziemlich
selten findet, z. B. Kitzkammer am Meißner,
(vgl. Crecelius, Oberhess. Wörterb. S. 503 und
Kehrein, Nass. Namenbuch. S. 374, 477, 488),
auch wohl zu Katze (vgl. Katzenbuckel, Katzen-
s ) Geschichte des deutschen Bodens mit seinem Pflanzen-
und Tierleben. Halle a. d. S. 1905. Vgl. auch Nasse:
Über miitelalterliche Feldgemeinschaft. Bonn 1869.
0 mf)b raecke, vgl. Grimm, Wtb. 1837.
°) Vgl. Vi lmar. Idiot. von Kurhessen, 171. Crece-
lins: Oberhess Wtb. 1, 462. Kehrein: Volksspr.
und Volkssitte in Nassau 1. 195. Sch mell er: Bahr.
Wtb. 2. 256. Grimm. Wtb. 1270.
bach, Katzenrain u. ä.) umgedeutet worden ist,
findet sich Hitz in Namen wie Hitzerode (Dorf am
Heiligenberg und Bilstein), Hitzkirehen (Dorf
bei Gelnhausen, am Bergeshang gelegen), Hitsch-
grund (bei Obertalhausen, am Hundsrück), Hetz
poel ^) (Flurnamen bei Homberg) u. a. einge
deutet.
Nicht so häufig findet sich Heppe, Hippe 7 ) in
hessischen Flurnamen: Hippenhain (zwischen Da
gobertshausen und Wehrshausen, Kr. Marburg).
Heppenheim (an der Bergstraße), häufiger aus
nassauischem Boden: Heppengarten, Heppen-
graben, Heppenbusch, Heppengrund, Heppen
hundstatt, Heppenrain, Heppenwies, Hippe-
rich, Hippelsborn (doch vgl. auch hippel, heppel
== Hübel, Anhöhe) usw.
Noch heute am bekanntesten und häufigsten sind
Heiss, Zikke (Zekke) und Ziege. Während im
Fuldischen bis nach Hersfeld und Oberhesien hin
Heiss üblicher ist und nur die jungen Geißen Zickel,
Zecke heißen, ist in Niederheffen Ziege beliebter?)
Im Schlitzerland finden sich Flurbenennungen
wie am Heissacker, am Heissberg u. a. Cha
rakteristisch ist dabei, daß sich in den Meßbüchern
und Katasterkarten utkm Ziegenberg findet, wäh
rend das Volk im Haissbääk spricht. Neben
Namen wie Heisskopf (bei Ersrode), Heissenrück
(bei Haina), Heisshecke (bei Dietershan), Heis
feld (bei Oberrombach), Heissköppel (bei Mar
bach, Kr. Fulda), Heisberg (bei Oberkalbach),
finden fick mundartlich gefärbte Namensformen
solche wie Hiesenbühl, 1408 Hissenboil (bei Bor
ken), Hiesengrund (bei Marbach, Kr. Fulda),
Hiesenhain 9 ) (bei Neukirchen, Kr. Hünseld),
Hiesenhagen (Wüstung bei Naumburg), Hiesen-
rod (bei Mühlbach am Knüll und bei Lichtenau),
Hiesenhagen und Hiesenberg (im Kaufunger
Wald bei Großalmerode, ähnlich wie Ziegenhagen
und Ziegenberg lü ) bei Hedemünden), der große
und kleine fiiesselsberg (bei Seligental, Kr.
Schmalkalden), vielleicht auch Hieselwerder X1 )
(Dorf zwischen Veckerhagen und Karlshasen) und
Hiesel 12 ) (Kr. Fulda), am Hieselbach mit Flur
namen wie Heisrain, Heishecke nahe dabei, sowie
Istergiesel 12 ) (Kr. Fulda), 1574 Usergeisel. * 1
y Vilmar a. a. O. S. 164; Kehrein a. a. O. 1,
1. Q QCLO
°)'Vi'lmar a. a. O. S. 469.
dj Entsprechend Hirzenhain, Hermannshain.
,0 ) Vgl. dazu meinen Aussatz „Zur Geschichte der Stadt
Ziegenhain". „Hessenland" 1909, S. 197 ff.
"1 Vgl. Arnold a a. O. S. 312, der mit allen diesen
Namen nichts anfangen kann und sie zu gisel — obses (!)
oder zum Personennamen Giso stellen möchte.
12 ) Haas: Die Ortsnamen des Kreises Fulda (Fuldaer
Gesch.-Bl. 1908. S. 167 bzw. 192).
6 ) 1370 Hitzisphoyl, 1400 Hitzpol, 1423 Hetzpoel
(Vesper, Der Kreis Homberg, S. 120).
(Fortsetzung folgt.)