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Unsere Hanauer Grafen waren gut Kaiserlich
und unterstützten die Kriegsunternehmung Karls V.
im Jahre 1554 in Nordfrankreich. Graf Rein
hard, der einzige Bruder des in Hanau resi
dierenden Grafen Philipp III. (p 1561), schloß sich
dem Kriegszuge an und führte im August 1554
dem Kaiser einige Reisige zu. Das Kriegslager
war damals in der Gegend westlich und südwestlich
von Lille. Am 24. August ritt Gras Reinhard ins
Lager, doch schon einige Tage später wurde er
bei Renty, unweit St. Omer, schwer verwundet,
eine Kugel zerschmetterte ihm den rechten Schenkel.
Man brachte den Verwundeten nach Bethune
(nördlich von Arras), das auch in den fetzigen
Kämpfen oft genannt worden ist. Die Kunst der
Ärzte vermochte nicht, den Schwerverwundeten am
Leben zu erhalten, und, 26 Jahre alt, starb Graf
Reinhard von Hanau am 11. Oktober. Die feier
liche Beisetzung der einbalsamierten Leiche, zu der
ein Verwandter, Graf Ernst von Solms, aus dem
Lager herüber gekommen war, während der Prinz
Wilhelm von Oranien sich durch einen Edelmann
vertreten ließ, geschah zu Bethune. Ein kostbares
Epitaphium für den Verstorbenen war an einen
Bildhauer in Brüssel „veraccordiert" worden, doch
12 Jahre später war es noch nicht vollendet; ob
es jemals ausgeführt worden, ist unbekannt. Viel
leicht hält einer unserer Hanauer Krieger, wenn er
jetzt nach Bethune kommen sollte und Zeit und Lust
dazu hat, in der dortigen Kirche einmal Umschau
nach dem Grabstein des alten Hanauer Kriegs
kameraden. Zum Schlüsse sei ein Brief angefügt,
den Graf Reinhard auf dem Zuge nach dem
„westlichen Kriegsschauplatz" aus Köln an seinen
Bruder, den Grafen Philipp III., nach Hanau ge
schrieben hat. Ich gebe das in: Staatsarchiv zu
Marburg aufbewahrte Schreibeil wörtlich, doch meist
in neuerer Rechtschreibung wieder. Es lautet:
Mein freundlichen Dienst mit vermögen alles
Guten zuvor, wohlgeborner freundlicher lieber
Bruder! Wann es Dir und Deiner Hausfrauen
wohl ginge, hörete ich es von Herzen gerlr. Ich
weiß Dir nichts sonders voll nlir zu schreiben,
dann daß ich bereits mit vier Knechten (Reisige)
krank bin gewesen, daß ich gesorgt hab, ich muß
leihen bleiben mit meinen Knechten, aber unser
Herrgott hat uns geholfen, daß wir wieder fort
konnten ziehen, Gott gebe lang. Lieber Bruder,
von neuen Zeitungen weiß ich Dir nichts sollders
zu schreiben, dann daß die Kaiserl. Majestät und
der Franzos bei Chateau Camery uff ein Meil
Wegs bei einander liegen. Es hat auch die Kaiserl.
Majestät in kurzeil Tagen 5000 Pferd uff einem
Scharmützel gehabt und haben uff beiden Seiteil
Schaden, der nit gering ist, erlitten. Man sagt
auch, das Braunschweigisch Kriegsvolk hab scholl
Geld vom Kaiser empfangen und werde auch bald
im Lager ankommen. Man sagt hie zu Köln für
gewiß, Jorg von Hol sei französisch. Der König
von Engeland hat dem Kaiser,- seinem Vater, 5000
Engeländer, in eitel Grün gekleidet, zugeschickt, der
König hat auch aus Engeland etlich Tausend
Spanier in des Franzosen Land geschickt, werden
ihm recht haushalten. Gott gebe Glück uff unserer
Seiten! Hiemit befehl ich Dich Gott dem All
mächtigen und grüße mir Dein Hausfrau sehr und
die anderen alle. Die (Kllechte) Naß, Best, Öster
reicher, Reitz, Bechtold und Vernickedein sind alle
frans gewesen mit mir, aber es ist wieder gar gut,
sie haben großen Wehtum in Hälsen gehabt und
ich das dreitäglich Fieber. Datum Köln den
12. Augusti (1554).
Reinhard, Graf zu Hanau, Herr zu Münzenberg.
Feldpostbriefe eines Kaffelaners,
der als leitender Arzt eines Feldlazaretts in Feindesland steht.
(Fortsetzung.)
3. 9. Leider kommt der Postempfänger immer
wieder mit leeren Händen zurück, es ist nichts für
uns da, das deprimiert doch sehr, aber man muß
sich darein fügen, wie in so vieles. Überhaupt muß
man sich an manches gewöhnen. Wir haben ein
blendendes Eßzimmer mit schweren eichenen Mö
beln, Ledersessel, dicke und echte Teppiche haben wir
überall und Parkett. Viel Leben bringt uns das
Rote Kreuz aus Sedan, das uns Frauen und
Mädchen zur Hilfe schickt, die aber meistens wenig
Ahnung haben und mehr stören wie helfen. Ta
sie außerdem die Franzosen sehr bevorzugen, so
sähen wir sie lieber gar nicht. Eine wirkliche Hilfe
sind die drei katholischen Schwestern und zwei
Damen vom Roten Kreuz, von denen die eine
ausgerechnet aus Kassel stammt. Ihre Unter
stützung ist mir sehr wertvoll, da sie perfekt deutsch
und französisch spricht. Gestern haben wir noch
tüchtig geschafft, ein Haus leer gemacht und mit
vierzehn Verwundeten belegt und dann die ziem
lich zerschossene Kirche ausgeräumt und dort 40
Lazarettstellen bereitet. Beim Schein der Altar
kerzen haben wir dort bis 9 Uhr gearbeitet.
Rührend dankbar und genügsam sind unsere Ver
wundeten. Unter anderen liegt hier ein fran
zösischer Offizier mit einem Kopfschuß schon 5
Tage ohne Besinnung. Um % 10 Uhr kam ich erst
zum Abendessen, und um 11 Uhr machte ich mit