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sind, mit Türen und Brettern gedeckt, der Booen
mit Stroh ausgelegt. So harren wir aus Tag
und Nacht im stärksten Granatfeuer.
Kaum steht noch eins von den verstreuten
Häusern an der Straße hinter uns. Nur auf. der
Höhe der ausgebrannte Windmühlenturm ragt nach
wie vor in die Höhe und gibt der Gegend ihr
Gepräge. Links von uns in der Ferne nebel-
umwoben in einer Senke das uralte Ppern mit
seinen mächtigen Türmen und weit sichtbaren kost
baren Tuchhalle. Vor uns Langemarck, im Vor
dergründe ein kleines Haus und etwas zurück bei
hohen Pappelgruppen ein Gehöft, an das sich die
Stellung des Gegners anlehnt.
Morgens und am Spätnachmittag ist das Granat-
und Schrapnellfeuer von drüben am stärksten. Ein
Flieger fährt über unsere Stellung, alles drückt
sich auf den Boden. Umsonst, er hat uns entdeckt,
schlägt den verhängnisvollen Winkel, der seiner
Artillerie das Ziel gibt, wirft sogar eine Bombe
ab, die zum Glück wirkungslos krepiert. Und nicht
lange darauf hebt's an: Bum, bum, ... Bauz,
Krach! . . .
Einmal ist das Granatfeuer fürchterlich: in
dreiviertel Stunde achtzig Granaten in unmittel
barer Nähe. Jedesmal vier Schuß gibt die Batterie
ab: dicht hintereinander schlagen sie ein. Wie sie
streuen! Von links kommt's näher, kein Fleckchen
wird verschont. Und wir liegen da und zählen ...
jetzt, jetzt kommst du dran, du . . . Wieder Krach!
Bum! ein markdurchdringender Schrei! Eine
Granate hat in den Graben geschlagen: 6 Tote,
gräßlich zerrissen. Ein Wimmern und Röcheln...
Stille... vorbei. Unser Sanitätsunteroffizier bricht
zusammen bei dem Anblick. Beherztere, mit stärkeren
Nerven haben sie bei Nacht weggeschafft. Man
muß starke Nerven haben im Granatfeuer. Schum,
Bum ... Krach, Bauz ... Schum ... Wir kriechen
immer mehr in uns zusammen: der Luftsturm
reißt das letzte Laub von den nahen Bäumen....
Das Geschoß, das wir sausen hören, schadet nichts
mehr, ist schon über uns weg ... Schum, Bunt! —
Krach! ... Es ist, als ob die Hölle losgelassen
sei.... Jetzt trifst's dich, jetzt ... Und du wirst
ganz still. ... An dir liegt ja nichts, aber Ihr
Lieben daheim, wie Ihr Euch härmt und grämt
und ... Gott, Gott im Himmel, wenn's sein muß:
dann einen kurzen Tod . . . o, die Verstümme
lungen! .. . Und Ruhe kommt über mich und
schöne Bilder aus andern Tagen ziehen vorüber
Wieder erscheint ein feindlicher Flieger in den
Lüften, diesmal aber kommen ihm zwei deutsche
entgegen: ein Kampf in den Lüften! Doch bald
ergreift der andere die Flucht und verschwindet im
Nebel, in dem über den Seinen ein runder Fessel-
balloit auf- uud absteigt. Stumm ragt in unserm
Rücken die Mühle. ... Merkwürdig, daß doch so
wenig Grmraten treffen: nur zweimal schlugen sie
in unsern Graben ein; dann allerdings furchtbar.
Und seltsam, was der Feind eine Menge Blind
gänger hat.
Endlich bekommen wir auch mehr schwere Ar
tillerie, die von weither über uns weg ihre Bomben
gegen den Feind schleudert. Wie gern haben wir
die uns zu Häupten hinrauschen hören, und wo die
einschlugen, wie das dröhnte! ... So sahen wir
den Kirchturm von Langemarck stürzen... Eines
Nachts — wir lagen etwas hinter dem Front
graben in tiefen Erdlöchern in ruhiger Bereit
schaft — mußten wir Feldgeschütze eingraben hel
fen, die am andern Tag das Gelände vor uns
und besonders jenes Gehöft in Trümmer schossen.
Dann, die Nacht vom Diestag auf Mittwoch,
war's wohl; es hatte geregnet und der Graben
war mit Lachen durchzogen, daß wir Reisig auf
gelegt hatten, um einigermaßen trocken zu stehen:
alles feucht und an Schlaf kaum zu denken. Da,
um Mitternacht, Bewegung unter den Wachtmann-
schaften: vor uns im Rübenseld, regt sich's da nicht
verdächtig? Schatten, ducken, springen ... Und
schon kracht's drüben bei der zweiten Kompagnie!
Im Nu steht alles an seinem Platz, und ein Feuer
hebt mächtig los gegen den andringenden Feind.
Immer weiter wächst die Feuerlinie, immer näher
stürmt der Gegner. Unsere Maschinengewehre setzen
ein: tak, tak, tak — 600 Schuß in der Minute —
Da bricht der Angriff im mörderischen Feuer zu
sammen, und schnell flutet der Gegner zurück, von
uns noch mächtig überschüttet. Am andern Morgen
lagen nur Tote vor uns, die Verwundeten hätte
der Feind sämtlich bergen können. Es war das
93. und 96. französische Linienregiment gewesen,
wie wir später aus den Soldbüchern der Gefallenen
feststellten, die meistens aus der Gegend der
Pyrenäen stammten.
Am Tage durften wir so wenig wie der Gegner
den Kopf allzuweit über den Grabenrand heben,
sofort pfiffen und knallten die Kugeln: Piuah!...
Ssss ...! Dann lagen wir am Boden und hatten
oft fürchterliche Langeweile und schrieben Karten
nach Hause und warteten, bis uns Kameraden von
der Feldpost Sendungen herbeibrachten: das waren
jedesmal die schönsten Momente; o, wie freut man
sich draußen über jeden, auch den kürzesten Gruß
aus der Heimat. ... Schließlich hatte einer von
denen, die keine Ruhe haben und überall herum
stöbern müssen, meist mit Erfolg, irgendwo ein
Grammophon aufgetrieben und mit in den Schützen
graben gebracht. Und nun hatten wir das schönste
Konzert, bis wir die eine Platte mit dem neusten