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Titelheld, seine Frau nnd seine Schwägerin — eben die
verratene (beliebte — nm den Sohn führen, keinen
Spannnngsreiz ans. Hub es ist nns sehr gleichgiltig,
wenn alle drei den Kampf verlieren nnd Erhard mit ein
paar lockeren Damen ins Weite geht. Der Schluß gar,
mit seiner nmvahrhaften Theatralik fordert den Spott
geradezu heraus. . ..
Herr Jürgen s e n spielte den Borkman großzügig,
suchte seine Phantasien glaublich zu gestalten und seine
Selbsttäuschungen als möglich hinzustellen. Daß er nur
unser Mitleid wecken konnte, nicht uns erschüttern, — an
seiner ausgezeichneten Leistung lag's nicht. Fräulein
Görling zeigte in der Rolle der Ella Rentheim
tiefes und echtes Gefühl, ihr Schmerz um ein liebe
leeres Leben, ihre Güte und ihr Leid traten verinnerlicht
nnd eindrucksvoll vor uns hin. . . .
In der Oper ward die Neueinstudierung des B a r-
b i e r s v v n- B a g d a d von P. Cornelius zu einem
erfreulichen musikalischen Ereignis. Die „Ehrenrettung"
eines deutschen Meisters war damit beabsichtigt und
wenn darunter verstanden tverden soll, daß man die un
verdient in Vergessenheit geratene Oper als wertvollen
Bestandteil des RepertoirS erweisen wollte, so kann die
Absicht als voll gelungen angesehen werden. Die Nen-
H e s s i s ch e r G e s ch i ch t s v c r e i n. Geschichts
wissenschaftlicher Unterhaltungsabend des K a s s e l e r
Vereins am 4. Oktober. Der Vorsitzende General
major z. D. E i s e n t r a t eröffnete die gut besuchte
Sitzung mit Worten des Gedenkens an alle diejenigen,
die seit dem letzten Zusammensein des Vereins im
März d. Js. für das Vaterland gekämpft, geblutet und
ihr Leben gelassen haben. — Schriftsteller W o I ff
regte an, in gleicher Weise, wie man in Stuttgart das
Bild eines „wackeren Schwaben" zur Nagelung auf
gestellt habe, an der Mündung der Edder in die Fulda
die Bildsäule eines „blinden Hessen" aufzustellen und
nageln zu lassen. Der Vorsitzende bedauerte, die Be
sprechung des Antrages ablehnen zu müssen, da, ab
gesehen von den Schwierigkeiten, die sich ber der Aus
führung ergeben ivürden, es zwar satzungsmäßige Auf
gabe des Geschichtsvereins sei, Denkmäler zu erhalten,
nicht aber solche zu errichten. Rechnungsdirektor Wo-
r i n g e r gab eine Übersicht über das Leben der Land
grasin Marie Amelie und die durch ihre Verheiratung
mit dem Landgrafen Karl entstandenen Beziehungen
zwischen Hessen und dem jetzt in deutschem Besitze
befindlichen Herzogtum Kurland. Bankier Fi o r i n o ,
Privatmann F a l k e n b e r g und Bibliotheksdirektor
Professor Dr. Brunner wiesen auf die vorhandenen
Denkmünzen und Bilder hin, die die Landgräfin dar-
stellcn, letzterer namentlich auf die schönen Dobber-
mannschen Medaillen Karls und Marie Ameliens im
Landesmuseum, die Kunstwerke ersten Ranges seien.
Generalmajor z. D. Eisentraut sprach über das
Palais des Prinzen Georg Hierselbst und die anderen
jetzt zum Bellevueschloß vereinigten Gebäude. An der
sich anschließenden Besprechung beteiligten sich Bib
liotheksdirektor Prof. Dr. Brunner, Obervorsteher
v. B a u m b a ch, Privatmann F a l k e n b e r g nnd
Rechnungsdirektor W o r i n g e r. Hierauf bot Biblio
theksdirektor Dr. B r u n n e r eine ausführliche geschicht
liche Darstellung der Erbauung und der weiteren Schick
sale des Drnseltnrms, der in diesem Jahre das Jubel
fest seines 500 jährigen Bestehens feiert. Geheimer
Regierungsrat G r i m m, Bankier F i o r i n o , Privat
inszenierung durch Herrn Beyer wußte trefflich das
orientalische Lokalkolorit zur Geltung zu bringen, straffe,
flotte Szenenführung half über Längen der Handlung
hinweg und dem von Cornelius selbst den Märchen
von 1001 Nacht entnommenen Libretto zur besten Gel
tung. In der Musik zeigt sich des Komponisten ur
wüchsige Gestaltungskraft, die aus dem Vollen schöpft,
nichts Anempfundenes und Gemachtes hat und in ihrer
Eigenart der liefen Wirkung nicht entbehrt. Unter Herrn
Längs' energischer und feinsinnig-künstlerischer Leitung
nahin. die Aufführung vortrefflichen Verlauf und weckte
den oft wiederholten freudigen Beifall des zahlreichen.
Publikums. Die Titelrolle ward von Herrn P a c y n a
aus Berlin musikalisch >vie darstellerisch ausgezeichnet ge
geben, Fräulein H e r p e r war eine sehr charakteristische
ichivatzhafte Bostana, Fräul. v. d. O st e n eine Margiana
voll Feuer und bestrickendem Reiz. Herr S ch o r n als
Kadi, Herr W u z e I als Kalif trugen zum Gelingen
ivesentlich bei. Es würde Unrecht sein, wollte man nicht
auch der Verdienste der Herren W a ß m n t h und
S t e r r a gedenken, die einen wunderhübschen Rahmen
geschaffen und die Orientalen in malerischste und schön
abgestimmte Gewänder gehüllt hatten.
H. B l u m e n t h a l.
mann Falkenberg und Rechnungsdirektor W o rin
ger machten hierzu weitere Angaben. — General
Eisentraut erwähnte den alten Lauf der Ahnn, die
früher durch die jetzige Artilleriestraße floß und am
Packhof die Fulda erreichte. Obertelegraphensekretär
Siegel sprach auf Grund archivalischer ■ Forschungen
über den ältesten Gesundheitsdienst im hessischen Heere.
Privatmann W e n tz e l l zeigte eine Übersetzung der
„Wacht am Rhein" in 25 verschiedenen Sprachen vor.
General E i s e n t r a u t nannte eine Anzahl Kasseler
Bankiers der westfälischen Zeit, wozu Bankier F i o r i n o
Ergänzungen bot. Eine Nummer der selten gewordenen
Zeitung „Der Bote aus Kassel", die Kaufmann K l e e-
m a n n geschenkt hatte, wurde in Umlauf gesetzt. Schließ
lich bat Bibliotheksdirektor Pros. Dr. B r u n n e r um
Unterstützung der Mitglieder bei Ausführung des wieder
aufgenommenen Planes, in der Zeitschrift des Vereins
alljährlich eine Bibliographie zu veröffentlichen, die eine
kurze Erwähnung aller auf die hessische Geschichte be
züglichen Neuveröffentlichungen, ohne Rücksicht auf Um
fang und Bedeutung enthalten soll. Etwaige Ein
sendungen für diesen Teil der Zeitschrift sind an die
hiesige Landesbibliothek zu richten. (Kaff. Tagebl.»
Hochs ch u l n a ch r i ch t e n. Marburg: Die Ein
führung des neuen Rektors der Universität Prof. Dr.
E l st e r findet am 24. Oktober zugleich mit der Hohen-
zollernfeier statt. — Die Schüler des. Geh. Reg.-Rats
Prof. Ernst Schmidt haben zum 70. Geburtstag ihres
verehrten Lehrers die Aufstellung seiner Büste im
pharmazeutisch-chemischen Institut der Universität be
schlossen. Das Modell dieser Büste ist dem Gefeierten
kürzlich überreicht worden. — In Leipzig starb der Geh.
Kirchenrat Professor D. Heinrici, der von 1373
bis 1892 an der Universität Marburg gelehrt hat.
8 0. G e b u r t s t a g. Generalsuperintendent a. D.
Wirkt. Geh. Oberkonsistorialrat D. Ludwig W einer
begeht in seiner Vaterstadt Marburg, wo er im Ruhe
stand lebt, am 17. Oktober in voller körperlicher nnd
geistiger Frische seinen 80. Geburtstag.
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Aus Heimat und Fremde.