Bevölkerung nicht trauen durfte; schau mancher
deutschen Mutter Sohn war in diesem Lande der
Kugel eines lauernden Bauern und sonstigen Frank
tireurs zum Opfer gefallen. — Uns gab das ge
ladene Gewehr ein erhebendes Gefühl unseres
Wertes; und wieder — wie ich's zu allen Zeiten
da draußen gemerkt habe — gingen die unglaub
lichsten Gerüchte um über das, was uns bevor
stehe. i
Heiß war der Tag, zu heiß für einen des Ok
tobers, und der Schweiß rann von der Stirne
und der Affe wollte manchem fast unerträglich
werden. Längst schon hatten die meisten ihre Feld
flaschen geleert, so daß Radfahrer vorausfuhren
und die Leute anwiesen, Eimer mit Trinkwasser
an den Weg zu stellen. Eigentlich war dies ein
großer Leichtsinn! Wie leicht konnte solches ver
giftet sein, was denn auch bei anderer Gelegenheit
einem Offiziersburschen vom 2. Bataillon das
Leben gekostet hat. — Schließlich gegen 2 Uhr
mittags machten wir im Parke eines wunderschönen
Schlößchens, dessen Tore wir gewaltsam erbrachen,
eine längere Rast. Dann ging's weiter durch
manches Dorf und manchen Bahnstraug, der dann
stets von Landstürmern bewacht war, die unsere
Feldpostsachen in Empfang nahmen, eine Höhe
hinauf und wir sahen im Tal ein Städtchen liegen:
Grammont.
Da wir noch nicht Quartier nehmen konnten,
beschloß der Major, in jenem Städtchen Wagen
requirieren zu lassen, um denen, die nur schwer
noch mitmachten, die Tornister nachfahren zu lassen.
Also: „Freiwillige vor!" Ich fühlte mich noch
wenig ermüdet, und zumal es vielleicht dabei ein
kleines Abenteuer zu erleben galt, sprang ich vor.
Zwölf Mann stark, die zum größeren Teil die
stets stramme dritte Kompagnie stellte, zogen wir
nun unter Führung unseres Feldwebels B. in
Grammont ein, während das Bataillon droben
auf der Höhe wartete, bis die requirierten Wagen
einträfen. Auf beide Seiten der Straßen verteilt
gingen wir im Schutze der Häuserfronten mit auf
gepflanztem Seitengewehr vor. Entsetzt wichen
Frauen und Kinder,' die nach der Sitte vor den
Haustüren saßen, vor unserer blinkenden Wehr ins
Innere, während sich die Männer, die, faul die
Hände in den Taschen, die langen dampfenden
Tonpfeifen in einen Mundwinkel geschoben, lauernd
und listig unter ihrer tief und schief ins Gesicht
gezogenen englischen Mütze hervorsehend umher
standen, verstohlen zu drücken suchten. Schließlich
trieben wir einen dieser Kerle auf und ließen uns
zum Bürgermeister führen und aufs Rathaus am
Markt, wo ein frischer Brunnen plätscherte, unsern
Durst zu stillen. Zwei Mann als Posten vor das
Haus, zwei weitere auf die Treppengänge usw.,
so meldeten wir uns beim Stadtoberhaupte an.
Der Maire ist beinahe vor Schreck vom Stuhl ge
sunken und konnte leichenblaß zunächst kein Wort
vorbringen, als wir so in sein Zimmer eindrangen
und unsere Forderung nannten. Allzu freundlich
haben wir auch nicht gerade dreingeschaut. —
Schnell willigte der Herr in alles, was wir haben
wollten; und schien er uns etwas zu zögern, so
räusperte sich einer einmal nach preußischer Sol
datenart und ließ ganz zufällig einmal den Kolben
aufstoßen, daß rings alles im Zimmer erzitterte
und erschrocken der Herr Maire zusammenzuckte.
Garantie über die Haltung seiner Bevölkerung
wollte er leisten, nur über das sogenannte Weber
viertel lehnte er sie ab.
Wir machten uns au die Arbeit, vielleicht, daß
wir richtiger dazu den Herrn Bürgermeister von
Grammont mitgenommen hätten, und es gelang
uns, wenn schon nicht ohne Schwierigkeiten, dem
Bataillon einige Wagen samt Bedeckung zuzu
senden, worauf unser Bataillon abmarschierte,
während wir, ungefähr 8 Mann noch, in der Stadt
blieben. Wir wollten naturgemäß auch einen Vor
teil haben und uns auf eigene Hand einen Wagen
für uns requirieren, um so dem Bataillon nach
zukommen. Aber merkwürdig: nirgends war mehr
im Ort ein Wagen oder Pferd vorzufinden. Wäh
rend wir nun suchten, machte sich der Feldwebel
mit einem Mann auf den Weg zum Rathaus zu
rück; aber der Herr Maire war verschwunden.
Inzwischen aber schart sich mehr und mehr das
Volk auf den Gassen und umringt, wenn auch
in gemessenem Abstand, den Feldwebel, der ganz
allein auf dem Marktplatz steht, und deutet auf
ihn und gestikuliert lebhaft und aufgeregt So
treffen wir übrigen mit unserm Führer wieder zu
sammen; dicht folgt uns eine johlende Menge, die
wohl wußte, daß unser Bataillon weiter gerückt
war. Ganz innerlich war's uns ja nicht recht
angenehm zu Mute; aber ein Gespann mußten
wir haben auf jeden Fall! — Ein paar donnernde
Kommandoworte unseres Feldwebels und ihre
exakte Ausführung gaben uns die nötige Über
legenheit über die Menge, die immer kühner wurde,
als die Abenddämmerung stieg. Da wollte es der
Zufall, als wir um die Straßenecke bogen, daß
vor einem Estaminet, einer Kneipe, ein Gespann
hielt und zugleich ein zweites die Straße so hin
auf fuhr, daß es nicht wie manches vorher Reißaus
nehmen konnte. Ohne viel Umstände wurde der
Kutscher aus dem Lokal geholt, und die Insassen
der andern Chaise freundlichst aber dringend er
sucht, auszusteigen, da wir für die nächsten Stunden
beide Gefährte in Anspruch nehmen müßten. Was