Full text: Hessenland (29.1915)

264 srsKo. 
Annunciata Bossi, holte sich 1811 auch der 1857 
als Oberbaumeister in seiner Vaterstadt Kassel ver 
storbene Daniel Engelhard in Rom, wohin er mit 
einem Akademiestipendium geschickt war. Nachdem 
Engelhard, bekanntlich das Vorbild des Architekten 
in Goethes „Wahlverwandtschaften", seinen Ge 
schmack an italienischen Vorbildern gebildet hatte, 
kehrte er voller Pläne heim. 1837 erbaute er sich 
die jetzt zum Lesemusenm umgebaute Engelsburg 
am Ständeplatz; auch der Bellevuetempel und die 
schönsten Säle des Eckpalais am Friedrichsplatz 
stammen von ihm. Ein anderer Kasselaner gleichen 
Namens, der Baumeister Gottlob Engelhard, nach 
dessen Plänen 1853 der Kasseler Bahnhof errichtet 
wurde, war während seines römischen Aufenthaltes 
(1835—41) am Bau des archäologischen Instituts 
mit tätig. 
(Seite 351, erste Spalte, Zeile 11 von unten muß es 
statt 1788 heißen 1700.) 
(Schluß folgt.) 
43 ^ 
Aus dem Tagebuche eines Kasseler Kriegsfreiwilligen. 
(Fortsetzung.) 
6.0. Bis zum 10. Oktober sollte unser Regiment 
hierin Arnstadt bleiben, um mit andern Heeres teilen 
der ... Reserve-Division auf dem Truppenübuugs- 
platz des XI. Armeekorps Ohrdruf im Herzogtum 
Gotha die letzte militärische Schulung zu erhalten. 
Tag für Tag ging's nun auf den von Arnstadt 
ungefähr 3 Stunden entfernten Ohrdrufer Übungs 
platz. Zunächst im Bataillonsverbandc, später das 
ganze Regiment, die Brigade und schließlich die 
Division, 's war ein anstrengender Dienst; aber 
Lust war's zugleich und Freude, so im Großen 
zlu manövrieren, frei von dem peinlichen Kompagnie- 
dienst. Da haben wir marschieren gelernt, früh 
morgens mit Sang und Klang ans dein Städtchen 
hinein in den duftigen Thüringer Herbstmorgen. 
Über Nebeln grüßte uns viel tausendmal die ra 
gende Wachsenburg und rauschender Tannenlvald 
und welliges Land. ... 
Manches Gefecht hat sich dort aus dein weiten 
Plan entsponnen, imb war die Wirklichkeit später 
auch in vielem so ganz anders, als hier gelehrt 
wurde: groß war doch der Gewinn, daß wir an 
tausend Anstreliguugen gewöhnt wurden nitb Hunger 
und Durst ertragen lernten und noch fröhlich 
sangen, wenn wir bis auf die Haut durchnäßt die 
rings von hohen Wänden eingeschlossene Neue- 
Straße Arnstadt zuzogen uiid fest, als läge nichts 
hinter uns, im strammen Paradeschritt an unserm 
Major vorübermarschierten, daß das Pflaster des 
Arnstädter Marktes dröhnte.... 
Es ivar eine schöne, unvergeßliche Zeit, die wir 
in Arnstadt verlebten, getragen von der brennenden 
Sehnsucht, heute oder morgen ins Feld rücken zu 
können. Da kamen die Kameraden sich näher und 
die Vorgesetzten. Wie's oft geschah, wenn wir 
draußen Schützengräben ausheben lernten und der 
Hauptmann zu mir kam und mich erneut auf 
forderte, ein Kompagnietagebuch zu führen, und 
wie er den Major und den Oberst für den Plan 
interessiert habe, wenn abends der sangesfrohe 
zweite Zug sich in der Stadt Gotha zu einem 
Ständchen versammelte und Feldwebelleutnant H. 
und B. bei uns saßen ltitb mit uns sangen und 
sprachen von dem, was kommen sollte! Wenn 
gar unser lieber Hauptmanu die ganze Kompagnie 
zu Gaste lud und Stunden rannen in frohem 
Kreise derer, die wohl nie wieder so einig zu 
sammenkommen werden. — Darob haben wir alles 
vergessen, was kleinlich oder gar unrecht uns manch 
mal vorkam im Dienst, den uns Leute schwer 
machen wollten, die durch nichts veranlaßt waren. 
Noch einmal anstrengendste Tage, denen ähnliche 
mit gefechtsmäßigem Kompagnie- und vorher Zug- 
schießen vorausgegangen waren, brachte uns das 
Divisionsmanöver mit gewaltigen Märschen und 
langen Gefechten. Dann ivar Schluß, und der Rest 
der zweiten Oktober-Woche galt den letzten Vor 
bereitungen zum Ausmarsch. 
Wir rücken aus! Wer kann beschreiben, wie dies 
Wort auf uns wirkte! Mit fiebernder Hast werden 
die alten Uniformen eingepackt und der graue Rock, 
der uns bisher nur zu Besichtigungen geziert, für- 
dauernd angezogen. Tornister gepackt, Mäntel ge 
rollt und Zeltbahnen gelegt, Seitengewehre ge- 
schliffen und scharfe Patronen empfangen. Appell 
über Appell in all dieser: Dingen. Da ein Zwischen 
fall: einer schießt einem Kameraden unvorsichtiger 
Weise eine Revolverkugel durch den Arm. Größte 
Erregtheit und ernste Worte unseres Hauptmanns! 
Alles wird übersehen im Jubel des Ausmarsches — 
Antwerpen gefallen! — und wir noch hier! — 
Letzter Appell am Sormtagmorgen den 11. Ok 
tober ans dem alten Platz unter den hohen Pappeln 
der Uferstraße, vollkommen feldnrarschmäßig. — 
Belvegte Worte des Hauptmauns, letztes Hurra! — 
und die Pappeln rauschen uns Abschied. 
Dieselbe Nacht % 12 Uhr Abmarsch zum Bahn 
hof. Die Stunde vorher: ernstes Singen der ewig 
schönen Soldatenlieder. Und rings stehen die Arn 
städter und wollen uns das Geleit geben. Punkt 
12 Uhr Abmarsch zum Bahnhof mit Musik, und
	        

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