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Karlsdorf.
Die älteste französische Kolonie in Hessen in vorbildlicher Entwickelung zum deutschen Dorfe.
Von F. Pfaff.
(Fortsetzung.)
3. Tie Entwickelung der Kolonie bis
z u nt völligen Ausbau.
Der weitere Ausbau von Karlsdorf ging recht
langsam vonstatten, er wurde durch den Rent
meister von Grebenstein geleitet, wie denn auch der
dortige Schultheiß die Gerichtsbarkeit in denjenigen
Sachen hatte, die nicht dem französischen Kommissar
vorbehalten waren. Erst im Jahre 1702 wies
man Karlsdorf ins Amt Hofgeismar, wohin es
nach seiner Entstehung und Lage gehörte. Nach
der Erweiterung der Flur wurden zwei neue Por
tionen geschaffen, so daß ihre Zahl auf 32 stieg.
Als Erbauer von Häusern werden weiter im
17. Jahrhundert genannt: Claude Hugues, Abel
Bellon, Jean Rive, Jean Chailliol, Daniel Rossig-
nol, Andre Meyer, Jean Achard. Wie außer
ordentlich rasch der Wechsel unter den Portions
inhabern in den Anfängen war, wird zur An
schauung gebracht, wenn man eine Liste aus dem
Jahre 1700 überblickt: 1. Claude Hugues, 2. Jean
Achard, 3. Jean Martin, 4. Jeoffroy Bellon,
5. Blaise Martin (Ortsvorstand, Grebe genannt),
6. Nicolas Tournier, 7. Abel Bellon, 8. die Witwe
Collon, 9. die Witwe Claude Bellous, 10. Estienue
Pouguet (Fouquet?), 11. Jean Martin, 12. Abel
Morell, 13. Daniel Gavel, 14. die Witwe Guille
aume Becs, 15. die Witwe Dereye, 16. Jean
Jourdan, 17. Samuel Jourdan, 18. Barthelemy
Bellon, 19. David Chailliol, 20. Jacob Bouche,
21. Jean Rive, 22. Andre Morell, 23. Claude
Martin, 24. Daniel Martin, 25. Andre Meyer,
26. Jacques Martins Erben, 27. Jsaac Martin,
28. Jacques Puy, 29. Jean Chailliol, 30. Estienne
Gautier. Schon zehn Jahre nachher erscheinen
folgende neue Namen: Jean Gilly, Thomas Gay,
Levi Vigny, Peter Delmat.
Die Kolonie bestand schon 15 Jahre, als mau
begann, am Westende des Dorfes aus Staats
mitteln eine Kirche, d. h. ein einfaches Bethaus
im Sinne der Reformierten für sie zu errichten;
erst neuerdings ist die sehr einfache Ausstattung
des Innern durch eine schmuckvollere ersetzt worden.
An derselben Stelle hatte ehemals die St. Georgs
kapelle des ausgegangenen Dorfes Gothardessen
gestanden. Der Pfarrer David Clement weihte
sie am 19. Oktober 1704 ein mit einer langen,
gut ausgearbeiteten Predigt über den wahren Ge
brauch des Gotteshauses; sie kaun davon zeugen,
wie stark die Bibelkenntnis in der Geineinde war>)
Die Verdienste des Landgrafen Karl um die Sache
der Waldenser und Hugenotten würdigte er darin
folgendermaßen^ Insbesondere haben wir in diesem
Augenblick Anlaß, den Herrn dafür zu preisen,
daß er uns in unserer Zerstreuung voll Trübsal
gewürdigt hat, uns wieder zu sammeln unter dem
Schutz eines Fürsten, der unter seinen Standes
genossen einen Ehrenplatz einnimmt und eine Zier
des Reiches ist, ein Pfleger der Kirche und ein
Verteidiger des Glaubens, der Vater seiner Unter
tanen und eine Zuflucht derer, die um der Gerech
tigkeit willen verfolgt wurden. Er hat uns seine
Lande, seinen Schatz und sein Herz geöffnet und
gewährt uns nicht nur die Mittel, ein leidliches
und ruhiges Leben zu führen, sondern auch den
Trost, Gott öffentlich dienen zu können sonder
Störung und Gefährde. Sorgt dafür, ihr Gläu
bigen, daß das Andenken an diese unschätzbaren
Wohltaten niemals erlischt, erzählt davon euren
Kindern und Kindeskindern, bewahrt ihm, um
eure Dankbarkeit dafür zu erweisen, unverletzliche
Treue, seid eifrig in seinem Dienst und zuverlässig
im Gehorsam gegen ihn.
An der aus Eichenholz geschnitzten, einfach orna
mentierten Kirchentür wurde folgende, kürzlich
wieder aufgefrischte Inschrift angebracht, die wohl
auch von Clement verfaßt ist:
Les François Réfugiés pour la profession de l’evangile ont eleve ce
temple a l’honneur de Dieu par le charitable secours de S * A * S *
Charles prince et landgrave de Hesse-Cassel qui les aiant misericor*
dieusement recueillis sous son ombre et n’aiant pas eu moins de soin
du salut de leurs âmes que de l’entretien de leurs
corps mérité qu’ils facent dans cette mai
son de priere et en tous lieux de voeux ar
dens au ciel pour sa prospérité et pour sa
gloire.
C. L. Z. H. Annio 1702 Lowe.
4 ) D. Clement, Le vray usage du temple de Dieu. Cassel 1705.