Hessenlanö
Hessisches Heimatsblatt
Zeitschrift für hessische Geschichte, Volks- und Heimatkunde. Literatur und Kunst
Rr. 6. 28. Jahrgang. Zweites März-Heft 1914.
Beiträge zur hessischen Ortsnamenkunde. HL
Marburg, Marienthal, Weimar.
Von Dr. Wilhelm Schoos, Hersfeld.
Vilmar sagt in seinem Idiotikon S.261, daß die
Ermittelung der Bedeutung des Wortes Mar—,
wie es sich als erster Bestandteil in den Namen'
Marburg, Mai-bach (als Bach- und Dorfnamen
gegen zehnmal in Hesten). Marborn, Mardorf
(dreimal in Hessen), Marjoss und Marköbel findet,
zu den keineswegs leichten Problemen der deutschen
Etymologie gehöre. In der Tat fehlt es bis heute
noch an einer widerspruchslosen Deutung dieser
Ortsnamen. Insbesondere hat der Name Marburg
mehrfache Deutungsversuche gefunden, ohne daß
diese aber völlig überzeugen. Die schon im 16. und
17. Jahrhundert daran geknüpften etymologischen
Spielereien einer arx Martis, die Vilmar nicht
ernst nimmt, leiten hinüber zu einer Deutung
aus dem Keltischen (urkelt.marka, althochd. marach,
wäre — Pferd), und es wird gern die beliebte
Analogie mit Rossbach, ßossphe Herangezogen,
obwohl jetzt feststeht, daß diese Namen mit nhd.
„Roß" nicht das geringste zu tun haben, und
obwohl weiterhin festgestellt werden kann, daß in
den mit der Pferdezucht und Pferdeweide in Ver
bindung zu bringenden Flurnamen *) das ahd.
*) Sehr häufig wird hier dial. Gal, Gül (Gaul) und
Par (Pferde) zu Goldacker, Goldberg, Goldbach, Güld-
marach (vgl. nhd. „Mähre ") sich überhaupt nicht
findet und daß Koos, wenn es „Pferd" bedeutet,
in der Regel zu Rose (Rosevacker, Rossugasse,
Rosengarten, Rosenberg, Rosental, Rosen
kranz, Rosenhecke usw.) umgedeutet worden ist,
dagegen in den meisten Fällen, in welchen Ross
geschrieben wird, sich der uralte Bergname hros*)
(vgl. Rosstrappe, Monte-ßosa, Rosskofel, Ross
stock usw.) findet. Sehr mit Recht betont auch
Vilmar a. a. O., daß die Lage von Marburg mit
seinem Bächlein Marbach der Zurückführung auf
das keltische marka „Roß" widerstrebt. Er möchte
deshalb den Namen Marburg von mari „See"
ableiten, weil die Stadt an einem von Cölbe bis
nach Frohnhausen und Friedelhausen fich er
streckenden See (später Sumpf) gelegen habe. Auch
diese Hypothese kann wenig überzeugen. Etwas
näher unserem Ziele bringt uns eine Hypothese,
die Marburg von dem ahd. st. f. marca ableiten
möchte, allerdings nicht in dem Sinn „Grenze".
Denn gegen diese Annahme scheint, wie Vilmar
a. a. O. hervorhebt, sehr deutlich der Umstand zu
sprechen, daß die drei hessischen Mardorf nicht an
wies, Güldne Kammer und zu Pfarracker, Pfarrwald,
Pfarrweide usw. volksethmoloaisch umgedeutet.
') Fuld. Grsch.-Bl. 1911. S. 156/57.