Full text: Hessenland (28.1914)

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der Nacht, nur ihre Schritte Hallen in der menschen 
leeren Straße. Fünf Minuten Haberl über ihr 
Glück entschieden, die Sterne an ihrem Lebens 
himmel sind verblaßt. 
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Weit über ein Jahr ist vergangen. Der jauchzende 
Frühling zieht durch die Lande, es weckt sein Hauch 
ein bräutliches Glück. Helene sieht es mit welt 
entrückten Augen. Viel Freud' kann das Menschen 
herz tragen und viel Leid, wenn es aus heiligender 
Guelle kommt. Susanne ahnt nicht, was ihr Glück 
der Schwester kostet, und auch der Blick der Mutter 
wird hell, das Herz froh bewegt, als sie ihr Kind 
zum Traualtar schreiten sieht und es in sicherer 
Hut geborgen weiß. Ihre Freude ist das letzte 
Glühen vor Sonnenuntergang. Nur kurze Zeit 
ist es ihren Kindern noch vergönnt, sich' in den 
Strahlm der Mutterliebe zu wärmen, dann schließen 
sich die treuen Augen. Einsam und dunkel ist es 
fiir die beiden Schwestern, die in tiefftem Herzeleid 
an ihrer Bahre stehen. 
Helene kränkelt, ihre starke Seele ringt ver 
gebens, und Kathinka reist mit der Schwester zu 
Verwandten, damit sie in veränderter Umgebung 
gesunde. Schon hat winterliche Kälte eingesetzt, 
die großen Räume der Amtswohnung find nicht 
genügend durchheizt, Helene erkältet sich und ver 
langt nach ihrem Heim zurück. Fiebernd trifft sie 
dort unter der Gbhut der treu sorgenden Schwester 
ein — nach einigen Tagen ist sie einer Lungen- 
entzündung erlegen. Tm Iugendschein ist sie dahin 
gegangen, wie eine vom Sturm gebrochene weiße 
Rose. Unter den vielen, die trauernd ihr Grab 
umstehen, ist einer, der ein köstliches Vermächtnis 
von ihr erhallen, das er lieben, hegen und schützen 
wird sein Leben lang. „Die Seele, die von Gott 
gesendet, flog zurück zum sternbesäten Raum", war 
in einem Gedicht zu lesen, das einige Tage darauf, 
am 26. November 1847 in der unter kurfürst 
lich hessischem allergnädigsten Privilegium heraus 
gegebenen Hanauer Zeitung von einem Freunde 
veröffentlicht wurde, und der hessische Dichter 
Weintraut weihte dem Andenken der früh Voll 
endeten folgende Verse: 
„Die Himmelsglorie, die Mn Haupt umfloß, 
Als sich im Tod Dein treues Auge schloß, 
Das war der Widerschein vom ew'gen Licht, 
Das durch die Nacht der Gräber siegend bricht. 
So ist Dein Lebenstraum so srüh zerronnen! 
Schon deckt der Schlummerhügel Deine Glieder, 
Doch Deinem Geist erglänzen schönere Sonnen." 
Aus Heimat 
H essischer G e s ch i ch t s v e r e i n. Die Monats 
versammlung des Kasseler Vereins am 16. Februar 
brachte einen aüregenden Bortrag des Schriftstellers Her 
mann Schelenz über „Die P a l ä st i n a r e i s e 
des Landgrafen Wilhelm im Jahre 1491" 
Wir sind über diese Reise bekanntlich gut orientiert 
durch das aus der Kasseler Landesbibliothek in zwei 
Abschriften erhaltene Tagebuch Dietrichs von Schachten, 
eines der Reisebegleiter. Ergänzt und bestätigt wird 
dieses Tagebuch durch die künstlerisch illustrierte vortreff 
liche Beschreibung der Pilgerreise, die 1486 auf demselben 
gewöhnlichen Weg der Konstanzer Bürger Konrad Grüne- 
berg unternommen hatte und die Redner wiederholt in 
anschaulicher Weise zum Vergleich heranzog. Gerade 
die Abweichungen der beiden Darstellungen sind recht 
charakteristisch, z. B. da, wo sie sich über die Frauen 
in Venedig auslassen. Hier denkt der Konstanzer Bürger 
an Mutter und Schwester und vielleicht auch an die 
Geliebte daheim; er, der Kleinbürger, hat ein phili 
ströses Ideal vor sich und kommt in seinem schlichten 
Gemüt gar nicht auf den Gedanken, daß man solche 
Frauen auch minniglich begehren könne. Anders der 
Ritter, der galante Kavalier vom Kasseler Hofe. Er 
mochte auch Frauen kennen gelernt haben, die in der 
Liebe freier waren, aus seinen Zeilen leuchtet hervor, 
daß er die ihm gebotene Gelegenheit, derartige Studien 
zu machen, „dankbar verschwieg" Auf die Einzelheiten 
des sehr beifällig aufgenommenen Vortrages einzugehen 
müssen wir uns leider versagen, da wir bereits 1887 
(Nr. 12—16> eine ausführliche Schilderung dieser Reise 
aus der Feder C. v. Stamfords brachten. — Auf dem 
Herrenabend am 4. März sprach Rechnungsdirektor W 0 - 
und fremde. 
ringer über die sog. Nauheimer Salzkreuzer, eine vom 
Landgrafen Wilhelm IX. aus den Einnahmen der Sa 
line Nauheim den von ihm abstammenden Adels 
familien zugewendete Rente. Privatmann Wentzell machte 
hierauf eine Reihe von Mitteilungen aus alten Fa 
milienpapieren der Familie Schröder. Bankier Fiorino 
sprach über Eschweger Brakteaten und über sog. Regen- 
bogenschüsselchen. Bibliotheksdirektor Prof. Dr. Brunner 
berichtete über das Dorf Körle in Geschichte und Sage, 
Generalmajor z. D. Eisentraut über neolithische Fund 
stätten bei Eschwege. Buchdruckereibesitzer Jacob regre 
an, etwa im Famüienbesitz noch befindliche Flugblätter 
aus den Jahren 1848 bis 1850 der hiesigen Landes 
bibliothek zu überweisen, und teilte dabei mit, daß der 
Bolksverein in Hersfeld im Jahre 1848 Be 
schlüsse gefaßt habe, die sich fast völlig mit den 
neueren Reichsversicherungs - Gesetzen 
decken. Revisor Schröder schenkte dem Verein ein 
altes Bild des geschichtlich interessanten Hotels Bellevue 
bei Guntershausen, des regelmäßigen Absteigequartiers 
Kaiser Wilhelms I. und des Kaisers Alexander I. von 
Rußland bei ihren Reisen durch Kurhessen. Den ein 
gangs erwähnten Woringerschen Vortrag über die Nau 
heimer Salzkreuzer, der eine lebhafte Diskussion veran 
laßte, werden wir unsern Lesern im Wortlaut mitteilen 
können. — über die interessante Marburger Sitzung 
vom 16. Februar werden wir in nächster Nummer ein 
gehend berichten. 
Personalchronik. Ihren 70. Geburtstag beging 
am 27. Februar die verwitwete Prinzessin Auguste 
von Hessen-Philippsthal-Barchfeld aus
	        

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