Full text: Hessenland (28.1914)

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Brotterode und von da durch das Drusental in 
das Werratal zurückgeritten, ohne auf Preußen 
zu stoßen. Bei Hohleborn soll der Rittmeister doch 
stutzig geworden sein und gesagt Habens „Das ist 
nichts für uns," und dann mit seinen Leuten im i 
Galopp durch den Engpaß geritten sein. Dies 
waren wohl die Bayern, die am meisten nord 
östlich vorgedrungen sind. Inzwischen drückten die 
Preußen bereits von Norden. 
(Fortsetzung folgt.) 
Fahnenweihe in der Großen Kirche zu Kassel im Jahre 1814. 
Von Theodor Meyer. 
Am ersten März dieses Jahres waren hundert 
Jahre verflossen, daß in der Großen Kirche zu 
Kassel die neuen Fahnen und Standarten für 
die wiederhergestellten hessischen Regimenter ge 
weiht wurden — eine Tatsache, die wohl wert ist 
der Vergessenheit entrissen zu werden, zumal diese 
Feldzeichen heute im Landesmuseum einen ehren 
vollen Platz erhalten haben. Ich will in diesen 
Zeilen nur der Fahnen gedenken, die jetzt den 
Regimentern neu verliehen wurden. Die Weihe 
rede hielt der damalige 3. Prediger an der Frei 
heitergemeinde, Konsistorialrat Karl Schnackenberg. 
Mit begeisternden Worten schilderte er die damalige 
Lage jener großen Zeit und richtete an die ver 
schiedenen Fahnenträger, die mit den Feldzeichen 
und Abordnungen der Regimenter vor dem Altar 
Aufstellung genommen hatten, mannhafte patrio 
tische Worte. So sagte er unter anderm „Jene 
Leibfahne, dem Regiment Kurprinz geweiht, sei 
Euch ein heiliges Denkmal des Kunstfleißes unserer 
allgemein geliebten Königstochter! *) Seht hin auf 
die Sinnbilder, bedeutungsvoll und künstlerisch ge 
wählt, — das Auge der Vorsehung , 1 2 ) es wacht 
über Euch. Leset die Umschrift — sie lautet. Mit. 
Gott für Fürst und Vaterland. Ja, Gott der Macht 
und Stärke lasse siegreich Hessens Fahnen wehen 
— wo sie voranziehen weicht kein Mann und sei 
der Kampf noch so heiß und blutig. Ihr seid 
Hessen, die noch nie ihre Fahne treulos verließen. 
Wie solltet ihr das jetzt können. Denkt, zu welchem 
Kampfe sie Euch geweiht werden, denkt aus welchen 
Händen Ihr sie nehmt, was für geheiligte Per 
sonen Kunst und Fleiß auf sie verwandten! Sehet 
diese, Standarte, Kurhessens tapferen Dragonern 
bestimmt, verfertigte mit eigenen Händen unsere 
Landesmutter Hoheit 3 )." 
1 ') Gemeint ist die damalige Kurprinzessin Auguste von 
Hessen, eine geborene Königliche Prinzessin von Preußen, 
Tochter König Friedrich Wilhelms II. von Preußen, die 
spätere Kurfürstin Auguste von Hessen. 
2 ' Das Sinnbild — Auge der Vorsehung — befindet sich 
auf der Fahne; diese war, von der Kurprinzeß, die 
wie bekannt, eine gute Malerin war, selbst gemalt und 
dem Regimente Ihres Gemahls, des Kurprinzen Wilhelm 
von Hessen, verliehen. Diese Fahne führte das erste 
Bataillon des späteren 2. Kurhessischen Infanterie-Re 
giments (jetzt 2. Kurhessisches Infanterie-Regiment Nr. 
821 bis zum Ende im Jahre 1866. 
3 1 Kurfürstin- Karoline von Hessen, geborene König 
liche Prinzessin von Dänemark, Tochter König Fried 
richs V von Dänemark. 
Beide Feldzeichen sind wohl wert der Zukunft 
erhalten zu bleiben, da an ihnen der Fleiß und 
die Arbeit so hoher fürstlicher Personen hängt. 
Die Standarte, die das damalige Leib-Dragoner- 
Regiment erhielt, wurde erst im Jahre 1884 aus 
dem hiesigen Residenzpalais, wo sie lange Zeit 
ruhte, dem Museum überwiesen. Leider ist das 
Standartentuch kurz an der Stange abgerissen, 
es war von weißer Seide und gewiß reich mit 
echter Gold- und Silberstickerei bedeckt. Dieses wird 
wohl auch der Grund gewesen sein, daß Frevler 
hände das Tuch stahlen und in ihrem Nutzen ver 
wandten, der nicht unbedeutend gewesen sein muß. 
So kostete, um nur ein Beispiel aus der letzten 
Zeit anzuführen, die Stickerei für die neue Stan 
darte der Garde du Korps im Jahre 1855 
211 Taler. Diese 1814 geweihte Standarte des 
Leib-Dragoner-Regiments wurde bei der Neu 
organisation der Armee im Jahre 1821 in das 
Zeughaus zu Kassel abgeliefert. Das Regiment 
bildete damals das zweite Husarenregiment und 
diesem stand nach dem damaligen Regiment keine 
Standarte zu. Im Jahre 183i wurde das frühere 
Leib-Dragoner-Regiment wiederhergestellt. Der da 
malige Kurprinz und Mitregent Friedrich Wilhelm 
(seit 1847 Kurfürst) hatte auch die Absicht, dem Re 
giment jetzt wieder die alte Standarte zu ver 
leihen. Diese wurde auf Höchsten Befehl aus dem 
Zeughause mit noch zwei alten Grenadierfahnen 
in das Residenzpalais übergeführt. Die Grena 
dierfahnen wurden später dem Zeughause wieder 
zurückgegeben, die Standarte blieb zur Verfügung 
des Kurprinzen im Palais. Hier muß diese un 
beachtet und verschollen irgendwo gestanden haben, 
bis sie im Jahre 1884 erst dem Museum über 
liefert wurde. Der Kurprinz übergab persönlich 
im Jahre 18^3 dem Regimente eine neue Stan 
darte auf dem großen Forst. Es ist dieselbe, die 
bis zum Ende im Jahre 1866 das (1.) Leibhusaren 
regiment führte. Auch diese befindet sich jetzt im 
Landesmuseum. 
Nach der Tradition, die früher und auch noch 
später im Leibhusarenregiment, dem jetzigen 1. Kur 
hessischen Husarenregiment Nr. 13, herrschte, soll 
diese Standarte in Böhmen 1809 vom Kurfürst 
Wilhelm I. genagelt worden sein. Dieses ist jedoch, 
wie oben gezeigt wurde, wohl nicht möglich. Der 
sicherste und untrüglichste Beweis ist aber der, daß 
die von 1833—1866 geführte Standarte über dem 
Namenszug des Kurfürsten die Königskrone trägt. 
Diese wurde erst 1815 dem Hause Hessen ver-
	        

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