69
Brotterode und von da durch das Drusental in
das Werratal zurückgeritten, ohne auf Preußen
zu stoßen. Bei Hohleborn soll der Rittmeister doch
stutzig geworden sein und gesagt Habens „Das ist
nichts für uns," und dann mit seinen Leuten im i
Galopp durch den Engpaß geritten sein. Dies
waren wohl die Bayern, die am meisten nord
östlich vorgedrungen sind. Inzwischen drückten die
Preußen bereits von Norden.
(Fortsetzung folgt.)
Fahnenweihe in der Großen Kirche zu Kassel im Jahre 1814.
Von Theodor Meyer.
Am ersten März dieses Jahres waren hundert
Jahre verflossen, daß in der Großen Kirche zu
Kassel die neuen Fahnen und Standarten für
die wiederhergestellten hessischen Regimenter ge
weiht wurden — eine Tatsache, die wohl wert ist
der Vergessenheit entrissen zu werden, zumal diese
Feldzeichen heute im Landesmuseum einen ehren
vollen Platz erhalten haben. Ich will in diesen
Zeilen nur der Fahnen gedenken, die jetzt den
Regimentern neu verliehen wurden. Die Weihe
rede hielt der damalige 3. Prediger an der Frei
heitergemeinde, Konsistorialrat Karl Schnackenberg.
Mit begeisternden Worten schilderte er die damalige
Lage jener großen Zeit und richtete an die ver
schiedenen Fahnenträger, die mit den Feldzeichen
und Abordnungen der Regimenter vor dem Altar
Aufstellung genommen hatten, mannhafte patrio
tische Worte. So sagte er unter anderm „Jene
Leibfahne, dem Regiment Kurprinz geweiht, sei
Euch ein heiliges Denkmal des Kunstfleißes unserer
allgemein geliebten Königstochter! *) Seht hin auf
die Sinnbilder, bedeutungsvoll und künstlerisch ge
wählt, — das Auge der Vorsehung , 1 2 ) es wacht
über Euch. Leset die Umschrift — sie lautet. Mit.
Gott für Fürst und Vaterland. Ja, Gott der Macht
und Stärke lasse siegreich Hessens Fahnen wehen
— wo sie voranziehen weicht kein Mann und sei
der Kampf noch so heiß und blutig. Ihr seid
Hessen, die noch nie ihre Fahne treulos verließen.
Wie solltet ihr das jetzt können. Denkt, zu welchem
Kampfe sie Euch geweiht werden, denkt aus welchen
Händen Ihr sie nehmt, was für geheiligte Per
sonen Kunst und Fleiß auf sie verwandten! Sehet
diese, Standarte, Kurhessens tapferen Dragonern
bestimmt, verfertigte mit eigenen Händen unsere
Landesmutter Hoheit 3 )."
1 ') Gemeint ist die damalige Kurprinzessin Auguste von
Hessen, eine geborene Königliche Prinzessin von Preußen,
Tochter König Friedrich Wilhelms II. von Preußen, die
spätere Kurfürstin Auguste von Hessen.
2 ' Das Sinnbild — Auge der Vorsehung — befindet sich
auf der Fahne; diese war, von der Kurprinzeß, die
wie bekannt, eine gute Malerin war, selbst gemalt und
dem Regimente Ihres Gemahls, des Kurprinzen Wilhelm
von Hessen, verliehen. Diese Fahne führte das erste
Bataillon des späteren 2. Kurhessischen Infanterie-Re
giments (jetzt 2. Kurhessisches Infanterie-Regiment Nr.
821 bis zum Ende im Jahre 1866.
3 1 Kurfürstin- Karoline von Hessen, geborene König
liche Prinzessin von Dänemark, Tochter König Fried
richs V von Dänemark.
Beide Feldzeichen sind wohl wert der Zukunft
erhalten zu bleiben, da an ihnen der Fleiß und
die Arbeit so hoher fürstlicher Personen hängt.
Die Standarte, die das damalige Leib-Dragoner-
Regiment erhielt, wurde erst im Jahre 1884 aus
dem hiesigen Residenzpalais, wo sie lange Zeit
ruhte, dem Museum überwiesen. Leider ist das
Standartentuch kurz an der Stange abgerissen,
es war von weißer Seide und gewiß reich mit
echter Gold- und Silberstickerei bedeckt. Dieses wird
wohl auch der Grund gewesen sein, daß Frevler
hände das Tuch stahlen und in ihrem Nutzen ver
wandten, der nicht unbedeutend gewesen sein muß.
So kostete, um nur ein Beispiel aus der letzten
Zeit anzuführen, die Stickerei für die neue Stan
darte der Garde du Korps im Jahre 1855
211 Taler. Diese 1814 geweihte Standarte des
Leib-Dragoner-Regiments wurde bei der Neu
organisation der Armee im Jahre 1821 in das
Zeughaus zu Kassel abgeliefert. Das Regiment
bildete damals das zweite Husarenregiment und
diesem stand nach dem damaligen Regiment keine
Standarte zu. Im Jahre 183i wurde das frühere
Leib-Dragoner-Regiment wiederhergestellt. Der da
malige Kurprinz und Mitregent Friedrich Wilhelm
(seit 1847 Kurfürst) hatte auch die Absicht, dem Re
giment jetzt wieder die alte Standarte zu ver
leihen. Diese wurde auf Höchsten Befehl aus dem
Zeughause mit noch zwei alten Grenadierfahnen
in das Residenzpalais übergeführt. Die Grena
dierfahnen wurden später dem Zeughause wieder
zurückgegeben, die Standarte blieb zur Verfügung
des Kurprinzen im Palais. Hier muß diese un
beachtet und verschollen irgendwo gestanden haben,
bis sie im Jahre 1884 erst dem Museum über
liefert wurde. Der Kurprinz übergab persönlich
im Jahre 18^3 dem Regimente eine neue Stan
darte auf dem großen Forst. Es ist dieselbe, die
bis zum Ende im Jahre 1866 das (1.) Leibhusaren
regiment führte. Auch diese befindet sich jetzt im
Landesmuseum.
Nach der Tradition, die früher und auch noch
später im Leibhusarenregiment, dem jetzigen 1. Kur
hessischen Husarenregiment Nr. 13, herrschte, soll
diese Standarte in Böhmen 1809 vom Kurfürst
Wilhelm I. genagelt worden sein. Dieses ist jedoch,
wie oben gezeigt wurde, wohl nicht möglich. Der
sicherste und untrüglichste Beweis ist aber der, daß
die von 1833—1866 geführte Standarte über dem
Namenszug des Kurfürsten die Königskrone trägt.
Diese wurde erst 1815 dem Hause Hessen ver-